Gezwitscher

Twitter: Risiken und Chancen durch die "Schwätz-Maschine"

Rasante Verbreitung der Nachrichten zwingt zur Vorsicht
Von dpa / Steffen Herget

Ein Mann lästerte während eines Vortrages über sein Unternehmen - und war noch vor Ende der Rede seinen Job los. "Die Zuhörer hatten getwittert und das Unternehmen die Einträge gelesen", erzählt Torsten Schwarz, Marketingfachmann im Online-Bereich. Passiert ist die Geschichte in den USA. "Aber auch in Deutschland wird bei Vorträgen viel getwittert." Lange Zeit habe man bei derlei Reden auch mal lax formulieren dürfen. "Jetzt müssen sie überall genau aufpassen, was sie sagen." Es gebe bereits Konferenzen, wo explizit unterschrieben werden müsse, dass man nicht twittern wird. Denn zumindest einige der Millionen 140 Zeichen langen Kurzbotschaften bergen riskanten Zündstoff.

Vor dem Twittern nochmal nachdenken

"In Deutschland hat es noch keinen prominenten Rausschmiss wegen Twitter gegeben. Aber das ist nur eine Frage der Zeit", sagt Social-Media-Fachfrau Nicole Simon, die ein Buch über das Phänomen Twitter geschrieben hat (Twitter - Mit 140 Zeichen zum Web 2.0, ISBN 978-3-9375-1474-1). Arbeitnehmer stünden mit den Möglichkeiten des Web 2.0 viel mehr in der Öffentlichkeit. In der Schweiz habe eine Mitarbeiterin beispielsweise ihren Facebook-Eintrag überarbeitet - nachdem sie sich bei ihrem Arbeitgeber wegen Migräne krankgemeldet hatte. In einem anderen Fall habe ein Bewerber nach dem Vorstellungsgespräch via Twitter über den potenziellen Arbeitgeber gelästert. In beiden Fällen bekamen die Firmen die Untaten mit. "So was ist unschlau", sagt Simon. Viele Leute dächten aber einfach gar nicht daran, dass ihr "Gezwitscher" nicht nur von Freunden und Verwandten gelesen wird.

Gefährlich ist das nicht nur für Angestellte, sondern auch für die Unternehmen selbst - wenn in den Kurznachrichten arglos Interna verraten werden oder über Kunden und Konkurrenz hergezogen wird. "Wenn da etwas Schlimmes oder Spannendes ist, verbreitet sich das explosionsartig", erklärt Simon. Die Wahrscheinlichkeit für so ein "Leck" sei viel höher als bisher bei Blogs, da mit Twitter etliche Menschen ins Mitmach-Web einstiegen, die davon zuvor gar nichts wissen wollten. "Twitter senkt die Hemmschwelle, es ist ganz einfach und macht Spaß. Die Deutschen haben Blogs verschmäht, aber sie verschmähen Twitter nicht."

Umso unverständlicher sei es, dass es bei den meisten Unternehmen derzeit weder Schulungen zum Thema noch spezielle Handlungsrichtlinien gebe. "Das wird zu Skandalen führen. Das ist, mit Ansage gegen die Wand zu laufen", kritisiert Simon.