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Verständnisfrage zur Fair Use Policy


19.06.2017 14:47 - Gestartet von muffy
Ich habe eine Verständnisfrage zur Fair Use Policy. Es gibt ja durch die Fair Use Policy zwei Punkte zu beachten, die das kostenfreie EU-Roaming einschränken:

1. Hohes Daten­volumen bei niedrigem Monatspreis:
Beschränkung des im EU-Ausland nutzerbaren Datenvolumens nach der Formel (Monatspreis für Kunde geteilt durch Großhandels­preis für Anbieter) x 2.

2. Dauer­hafte Nutzung im Ausland:
Erhebung von Roaming-Gebühren, wenn innerhalb von vier Monaten länger als insgesamt zwei Monate am Stück oder mit Unterbrechung ein Tarif im EU-Ausland genutzt wurde.

Der erste Punkt ist mir klar. Der zweite Punkt scheint aber relativ komplex und mir an einigen Stellen noch etwas unklar, obwohl einige Anbieter bereits relativ umfangreiche Erläuterungen dazu veröffentlich haben wie z. B. mobilcom-debitel: https://www.mobilcom-debitel.de/downloads/tarife-und-produkte/vertrags-tarife/preislisten/FUP_062017.pdf

Was mir unklar ist:

1. Laut der Erläuterung zur Fair Use Policy scheint es unerheblich, ob man im EU-Ausland seinen Tarif aktiv nutzt oder einfach nur in einem fremden Netz eingebucht ist. Wer also drei Monate im EU-Ausland in einem fremden Netz eingebucht ist und die ersten zwei Monate nicht telefoniert, SMS schreibt, oder Datenvolumen verbraucht, aber im dritten Monat mal kurz telefonieren muss, zahlt dann ab der ersten Sekunde Roaming-Gebühren?

2. Warum wird überhaupt ein Nachweis über den gewöhnlichen Aufenthalt gefordert, wenn der Netzbetreiber den gewöhnlichen Aufenthalt ohnehin anhand der Einwahl im heimischen bzw. fremden Netz ermittelt? Sprich: Es ist doch egal, ob ich de jure nachweisen kann, dass ich deutscher Staatsbürger bin mit festem Wohnsitz und Arbeitsverhältnis in Deutschland. Sobald ich mich auf Dienstreise befinde, die länger als zwei Monate dauert, habe ich eben de facto meinen gewöhnlichen Aufenthaltsort eben gerade nicht mehr in Deutschland und dann werden ja ohnehin Roaming-Gebühren erhoben. Von daher erschließt sich mir das ganze Prozedere mit den Nachweisen nicht. Der Netzbetreiber kann doch problemlos feststellen, wie lange ich jeweils im heimischen Netz und in fremden EU-Netzen eingebucht war.

3. Was ist von der Herangehensweise her nun der Unterschied zwischen dem Entwurf der EU-Kommission zum Wegfall der EU-Roaming-Gebühren aus dem September 2016, der ursprünglich mal besagte, dass das kostenfreie EU-Roaming nur für 3 Monate innerhalb von 12 Monaten gelten sollte? Als dieser Entwurf von der Kommission vorgeschlagen wurde, gab es große Kritik daran, dass man das EU-Roaming nicht begrenzen darf, sodass die EU-Kommission zurückruderte und verlauten lies, dass es nun doch keine derartigen Begrenzungen des EU-Roamings geben soll.
Ist die nun gültige Fair Use Policy aber nicht genau wieder eine solche Begrenzung? Das kostenfreie EU-Roaming gilt nun für 2 Monate innerhalb von 4 Monaten, was effektiv 6 Monate innerhalb von 12 Monaten bedeutet.
Sollte das Zurückrudern der EU-Kommission nun effektiv nur darin bestehen, dass sie die Begrenzung von 3 auf 6 Monate erhöht?
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[1] wolfbln antwortet auf muffy
21.06.2017 19:38

8x geändert, zuletzt am 21.06.2017 20:39
Benutzer muffy schrieb:
Ich habe eine Verständnisfrage zur Fair Use Policy. Es gibt ja durch die Fair Use Policy zwei Punkte zu beachten, die das kostenfreie EU-Roaming einschränken:

1. Hohes Daten­volumen bei niedrigem Monatspreis: Beschränkung des im EU-Ausland nutzerbaren Datenvolumens nach der Formel (Monatspreis für Kunde geteilt durch Großhandels­preis für Anbieter) x 2.

2. Dauer­hafte Nutzung im Ausland:
Erhebung von Roaming-Gebühren, wenn innerhalb von vier Monaten länger als insgesamt zwei Monate am Stück oder mit Unterbrechung ein Tarif im EU-Ausland genutzt wurde.

Der erste Punkt ist mir klar. Der zweite Punkt scheint aber relativ komplex und mir an einigen Stellen noch etwas unklar, obwohl einige Anbieter bereits relativ umfangreiche Erläuterungen dazu veröffentlich haben wie z. B.
mobilcom-debitel:
https://www.mobilcom-debitel.de/downloads/tarife-und-produkte/vertrags-tarife/preislisten/FUP_062017.pdf

Was mir unklar ist:

1. Laut der Erläuterung zur Fair Use Policy scheint es unerheblich, ob man im EU-Ausland seinen Tarif aktiv nutzt oder einfach nur in einem fremden Netz eingebucht ist. Wer also drei Monate im EU-Ausland in einem fremden Netz eingebucht ist und die ersten zwei Monate nicht telefoniert, SMS schreibt, oder Datenvolumen verbraucht, aber im dritten Monat mal kurz telefonieren muss, zahlt dann ab der ersten Sekunde Roaming-Gebühren?

Das ist auch in den Richtlinien etwas unklar formuliert. Die BEREC (EU-Regulierer) sagt, wenn man entweder mehr als 50% im Ausland eingebucht ist oder mehr als 50% im Ausland nutzt (also Verbräuche hat). Beide Erhebungsmethoden sind zulässig.
Welche Grenze nun gezogen wird, hängt konkret am Betreiber. Theoretisch könnte schon bei Bestandskarten nach 2 Monaten im Ausland ein Aufschlag fällig werden. Die meisten Anbieter interpretieren aber die Zeitspanne als 4 Monate dauerhaftes roamen. Es ist auch entscheidend, wie der Anbieter das konkret in den FUP oder AGB formuliert. Die BEREC sagt nur, dass bei neuen SIM-Karten bzw. Verträgen zumindest 4 Monate abgewartet werden muss, bevor Aufpreise erhoben werden dürfen. Man könnte aber auch krasse Fälle konstruieren wie Du gerade oben: 2 Monate im Ausland eingebucht ohne Umsatz, dann Nutzung und gleich Aufpreis.


2. Warum wird überhaupt ein Nachweis über den gewöhnlichen Aufenthalt gefordert, wenn der Netzbetreiber den gewöhnlichen Aufenthalt ohnehin anhand der Einwahl im heimischen bzw. fremden Netz ermittelt? Sprich: Es ist doch egal, ob ich de jure nachweisen kann, dass ich deutscher Staatsbürger bin mit festem Wohnsitz und Arbeitsverhältnis in Deutschland. Sobald ich mich auf Dienstreise befinde, die länger als zwei Monate dauert, habe ich eben de facto meinen gewöhnlichen Aufenthaltsort eben gerade nicht mehr in Deutschland und dann werden ja ohnehin Roaming-Gebühren erhoben. Von daher erschließt sich mir das ganze Prozedere mit den Nachweisen nicht. Der Netzbetreiber kann doch problemlos feststellen, wie lange ich jeweils im heimischen Netz und in fremden EU-Netzen eingebucht war.

Hier hat man versucht, eine Regelung zu finden, die z.B. auch Grenzgänger oder Erasmus-Studenten und EU-Politiker :-) einschließt und die bösen Dauerroamer ("Missbraucher") ausschließt. Diese halten sich ja für gewöhnlich im Ausland der SIM auf, haben aber eher keine "stabilen Bindungen" zum Roaming-Land. Grenzgänger können typischerweise Arbeits- oder Wohnort in beiden Ländern verteilt haben. Die Guten wollte man nicht ausschließen, die Bösen schon. Die Nutzer an der Grenze hat man damit immer so einigermaßen drin. In Frankfurt/Oder kostet ein GB weiter nur wenige Cent. Aber diese benutzen ja nicht so viel das Roamingnetz, sondern zumeist die polnischen Netze. Aber auch der Mischbetrieb kann kosten, es darf halt Roaming jeweils nicht das Übergewicht haben, entweder nach Dauer oder Umsatz. Nach der alten Regelung wäre starr nach 3 Monaten Schluss gewesen mit Roaming.

In wie weit diese Regelung nun wirklich Anwendung findet und welche Nachweise gefordert werden, sehen wir erst in ein paar Monaten. In Deutschland schreiben aber nur wenige Betreiber sie wirklich in die Bedingungen. Daher können sie dann auch gar nicht eingefordert werden. Andere bleiben in ihren Formulierungen sehr unkonkret. Hier wollen sie sich für die Zukunft schützen, falls die Kosten überhand nehmen. Genauer sind da die Österreicher, die schon jetzt sehr explizit die erforderlichen Dokumente auflisten. Dort kann man dann eher von einer Umsetzung ausgehen.

Denn es gilt weiter der Grundsatz: der Anbieter muss Dauer- oder Mengen-FUP genau spezifizieren, bevor er sie auch anwenden darf.


3. Was ist von der Herangehensweise her nun der Unterschied zwischen dem Entwurf der EU-Kommission zum Wegfall der EU-Roaming-Gebühren aus dem September 2016, der ursprünglich mal besagte, dass das kostenfreie EU-Roaming nur für 3 Monate innerhalb von 12 Monaten gelten sollte? Als dieser Entwurf von der Kommission vorgeschlagen wurde, gab es große Kritik daran, dass man das EU-Roaming nicht begrenzen darf, sodass die EU-Kommission zurückruderte und verlauten lies, dass es nun doch keine derartigen Begrenzungen des EU-Roamings geben soll. Ist die nun gültige Fair Use Policy aber nicht genau wieder eine solche Begrenzung? Das kostenfreie EU-Roaming gilt nun für 2 Monate innerhalb von 4 Monaten, was effektiv 6 Monate innerhalb von 12 Monaten bedeutet.
Sollte das Zurückrudern der EU-Kommission nun effektiv nur darin bestehen, dass sie die Begrenzung von 3 auf 6 Monate erhöht?

Nach mind. 2 Monaten, im Regelfall aber nach 4 Monaten, darf nun ein Aufpreis von 9,xx € pro GB genommen werden. Das Ergebnis ist nicht so verschieden vom ursprünglichen Vorschlag, das stimmt. Es gab einen Widerspruch gegen die starren Grenzen: 3 Monate und dann Schluss. Zum einen betrifft dies Grenzgänger, die praktisch täglich roamen; aber auch Kunden die z.B. auf Teneriffa "überwintern". Hier soll der Betreiber ein viel größeres Gesamtbild des Konsums im In- und Ausland als Grundlage nehmen, anstatt eine starre Grenze. Nachteil von einer solchen eher unscharfen Regelung ist aber, dass dadurch Streit entstehen kann.

Aber schauen wir doch die Kosten an: Viele Betreiber verlangen nach der Mengen-FUP etwa 4,50€ pro GB (auf der Grundlage von etwa 2,2GB pro 10€ Verkaufspreis, nach der Formel, die du unter 1.) geschrieben hast). Der "Missbrauchs"preis liegt dann etwa bei 9,16€ (z.B. bei O2) pro GB. Man bekommt Nachricht, kann sich dann dazu äußern d.h. die Nachweise erbringen oder "fällt" ansonsten quasi auf den doppelten Preis in MB-genauer Abrechnung. Das ist doch wirklich kein Abgrund! Vodafone verlangt das 500-fache zur EU in der Schweiz - das ist eine Fallhöhe!

Nach mehreren Monaten in einem anderen bestimmten EU-Land könnte man auch an eine lokale SIM denken. Da die Datenpreise in Deutschland (Inlands- = Roamingpreis) mit am höchsten sind in der EU, ist das in vielen EU-Ländern bei langem Aufenthalt oder hoher Nutzung weiter eine lohnende Investition und außerhalb der EU/EWR+ ggf. Schweiz immer noch quasi eine Pflicht. Die lokalen Bewohner danken es dir, denn sie haben weiter mehr zu zahlen, eine deutsche SIM anzurufen als eine einheimische.

Ich habe fürs prepaid data Wiki die Preise und Umsetzungen in den 28+3 EU/EWR-Ländern mir genau angeschaut. Die Angst vor billigen SIMs aus dem Osten oder Norden ist unbegründet. Das Baltikum, Dänemark und Finnland steigen aus und nehmen Aufpreise. Die anderen Billigländer Österreich, Polen, Rumänien, Bulgarien, Slovakei, Slowenien usw. setzen die Mengen-FUP nach 1.) genau um.

AldiTalk verkauft 5,5GB zu 14,99€ auch komplett im Roaming. Wieso soll sich dann jemand eine SIM importieren für 4,50€ pro GB? Die billigen "Auslands-SIMs" aus Nord- oder Osteuropa werden nur etwas für Freaks, die bestimmte Tariflücken oder andere Roamingländer außerhalb der EU/EWR brauchen, denn da gibts bisher zu wenige Angebote aus Deutschland.
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[1.1] muffy antwortet auf wolfbln
23.06.2017 00:09
Vielen Dank für deine ausführliche Erläuterung, wolfbln! Das bringt mir etwas mehr Klarheit über die neue Fair Use Policy.
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[1.2] namevergeben antwortet auf wolfbln
06.08.2017 10:24
Danke für Deine Ausführungen.

Das heisst, dass ich die 15 GB im O2 free15 voll im Ausland nutzen darf, wenn ich nicht permanent Urlaub mache? Wir reisen für 3 Wochen nach Italien.

Die FUP zieht erst nach frühestens 2 Monaten? Habe ja nicht permanent Urlaub, roame also eh nur max. 8 Wochen im Jahr (geschätzt). Dann trifft die FUP mich nicht?

Habe noch immer "Angst" nach dem Urlaub eine gepfefferte Rechnung zu erhalten. Nach Deinen Ausführungen scheint das aber erst zu Nachforderungen durch den Anbieter kommen zu dürfen, wenn er mich informiert hat (angezählt) hat.

Habe ich das richtig verstanden?
Andy