Gastkommentar

Viviane Reding: Europas Verbraucher brauchen mehr

Wettbewerb und einen unabhängigen Schiedsrichter für die Tk-Märkte
Von Viviane Reding, EU-Telekom-Kommissarin

Internet-Zugang, Mobil- und Festnetz-Telefon und Fernsehen sind Kommunikationsdienste, die Tag für Tag von Millionen Europäern gewerblich oder privat genutzt werden. Ein Leben ohne sie ist kaum vorstellbar. Noch in den achtziger Jahren unterlagen alle Arten der Telekommunikation - Sprach- und Datenübermittlung - der Kontrolle staatlicher Monopole. Einen Telefonanschluss zu bekommen, war manchmal gar nicht so einfach und dauerte oft Wochen.

1988 begann die EU mit der Liberalisierung aller Telekommunikationsdienste, deren erste Etappe vor zehn Jahren abgeschlossen wurde. Die letzten zehn Jahre haben die ersten Erfolge gezeigt, die Marktöffnung und die Einführung des Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten mit sich gebracht. Die Öffnung der nationalen Telekommunikationsmärkte für den Wettbewerb regte zunächst Investitionen in neue Dienstleistungen und Infrastrukturen an, und neue Marktteilnehmer kamen auf den Markt. Die Verbraucher profitierten von größerer Auswahl, innovativen Angeboten und preiswerteren Produkten und Dienstleistungen. So ist zum Beispiel der durchschnittliche Preis für Anrufe über das Fest- und Mobilfunknetz in Deutschland seit der Liberalisierung um durchschnittlich 25 Prozent gefallen. In Deutschland fiel zudem der Preisindex für alle elektronischen Kommunikationsdienste allein im vergangenen Jahr um immerhin drei Prozent.

Erfolgreiche Liberalisierung ist jedoch nicht ohne effektive Spielregeln möglich. Man sollte nicht vergessen, dass es des ständigen Drucks der EU bedurfte, um - trotz anfänglichem Widerstand der etablierten Betreiber - die kontinuierliche Öffnung der nationalen Telekommunikationsmärkte in der Europa möglich zu machen.

Die Liberalisierung des Tk-Marktes ist nicht abgeschlossen

Viviane Reding Die Liberalisierung des Tk-Marktes ist dabei auch nach zehn Jahren längst nicht abgeschlossen. Noch immer bestehen in vielen europäischen Ländern enge Verbindungen zwischen Staat und den ehemaligen Telekommonopolisten. Noch sind in einigen europäischen Ländern die nationalen Telekom-Aufsichtsbehörden nicht unabhängig, sondern unterliegen auch bei wichtigen Regulierungsfragen politischen Weisungen ihrer Regierung. Noch immer fehlt es an der Bereitschaft vieler nationaler Regulierungsbehörden, mehr grenzüberschreitenden Wettbewerb z.B. durch Erleichterung des Zugangs für Internet-Telefonie-Anbieter zu ermöglichen.

Die Konsequenz ist vielfach unzureichender Wettbewerb. Wettbewerbsengpässe bestehen vor allem beim Netzwerkzugang. So sind heute nach wie vor im EU-Durchschnitt 89,5 Prozent des Zugangs zum Festnetz in der Hand der vormaligen Staatsunternehmen (in Deutschland: 92 Prozent). Auch rund 60 Prozent des zukunftsträchtigen Breitbandmarktes (in Deutschland: 66,7 Prozent) werden von den etablierten Betreibern beherrscht - zum Nachteil für die Verbraucher, die weiterhin mit überhöhten Kosten und schlechtem Service zu rechnen haben.

Die Europäische Kommission hat deshalb am 13. November 2007 eine grundlegende Reform der EU-Regeln für die Telekommunikationsmärkte vorgeschlagen. Wir wollen damit die Erfolgsgeschichte der europäischen Telekommunikationsliberalisierung fortschreiben, indem wir nun den entscheidenden Schritt zu einem echten, wettbewerbsgeprägten und wettbewerbsfähigen europäischen Binnenmarkt für Telekommunikationsunternehmen und für Verbraucher von Telekommunikationsdienstleistungen wagen. Für 500 Millionen europäische Bürger eröffnet dies die Perspektive von innovativen, schnellen und preislich attraktiven gesamteuropäischen Kommunikationsdiensten, die zwischen Südportugal und Nordfinnland angeboten werden - unabhängig davon, wo sich der Verbraucher gerade aufhält, ob zuhause, auf Reisen im EU-Ausland oder unterwegs per Bahn, Schiff oder Flugzeug.