Geschichte

Vor 125 Jahren: Festnetz-Flatrate für jährlich 200 Mark

1881 gingen erste Ortsnetze in Deutschland in Betrieb
Von ddp / Ralf Trautmann

1880 genehmigte die Stadt Frankfurt am Main dem Bankier Emil Ladenburg das Betreiben eines privaten Fernsprech-Ortsnetzes. Aber das kaiserliche Berlin schaltete sich ein: Das neue Fernsprechwesen gehöre in hoheitliche Hand. 1881 gingen in postministerieller Obhut dann in Berlin, Hamburg und Frankfurt die ersten Ortsnetze in Betrieb, am 14. Juli desselben Jahres erschien für Berlin ein Telefonbuch, kurz darauf auch in der hessischen Reichsstadt. Zum 125. Jubiläum zeigt das Frankfurter Museum für Kommunikation [Link entfernt] ab Freitag eine Ausstellung über die Frühzeit des Telefonierens.

Genau 131 Einträge listet das erste "Verzeichniss der bei der Fernsprech-Einrichtung Betheiligten" für die Stadt Frankfurt auf, deren Einwohnerzahl damals bei rund 100 000 lag. Fast keine Privatleute waren unter den Kommunikations-Pionieren, auch Oberbürgermeister Johannes von Miquel hatte noch kein Telefon, dafür aber zwei Fischhändler in der Fressgass. Einige Betriebe waren am Netz - darunter Degussa und Philipp Holzmann -, etliche Bankhäuser und erstaunlich viele Brauereien.

Wenn Bankier Emil Ladenburg, dessen Namen im ersten Verzeichnis der "Betheiligten" natürlich nicht fehlt, wegen der trockenen Büroluft also einen Hektoliter Bier bei der Binding ordern wollte, drehte er zunächst einmal schwungvoll die Kurbel an der rechten Seite seines modernen Apparats. Der induzierte Impuls ließ im "Klappenschrank" der Vermittlung eine Klappe herabfallen, die die Nummer seines Anschlusses freilegte.

Die postseitige Dienstperson, die sich flugs anstöpselte und ihn mit den Worten "Hier Amt, was beliebt?" begrüßte, war in den ersten Jahren allerdings noch nicht das Fräulein vom Amt. Das hätte als unschicklich, wenn nicht als anzüglich aufgefasst werden können, und außerdem traute man seinerzeit nur Männern vorwärtsgerichtetes Technikverständnis zu. Die gewünschte Stöpselverbindung zur Binding-Brauerei blieb als operativer Akt einer Männerhand vorbehalten.

"Fräulein vom Amt" war zunächst ein Mann

Das Fräulein vom Amt verdrängte das dort ausharrende Herrchen einige Jahre später, als sich gezeigt hatte, dass bei mäßiger Übertragungsqualität weibliche Stimmen wegen ihrer höheren Frequenz besser zu verstehen sind. So war es denn eine Frauenhand, die 1894 die erste Verbindung zwischen Frankfurt und Berlin herstellte. Die verschiedenen Ortsnetze im Reich waren ab 1884 Stück für Stück miteinander verkabelt worden. Die ersten Ferngespräche vom Frankfurter Hauptpostamt auf der Zeil gingen nach Offenbach, Mannheim und Mainz.

Frankfurts Telefonbuch von 1881 - das Original ist in der Ausstellung des Kommunikationsmuseums zu besichtigen - gibt auch Aufschluss über die Sozialstruktur der ersten Nutzer. Als einer der wenigen Privatleute ist Ludwig Freiherr von Erlanger gelistet, in der Spalte "Beschäftigung" fehlt jedoch jeder Eintrag. Als Mann von Stand schien dem Freiherrn ein Hinweis überflüssig. In der Tat dürfte er den anderen "Theilnehmern" bekannt gewesen sein. Des Freiherrn Vater war ein Frankfurter Bankengründer.

Was als Beschäftigung durchaus eine geeignete Voraussetzung war, um Frankfurts ersten Quasselstrippen anzugehören. Der Anschluss ans Ortsnetz kostete 1881 in der Bankenstadt jährlich 200 Mark, wofür die meisten Menschen rund sechs Monate arbeiten mussten. Zwischen 7 Uhr früh und 9 Uhr abends - nachts schwieg das Netz - durften die Teilnehmer dafür unbegrenzt Bierbestellungen aufgeben, sich nach des Freiherrn Befinden erkunden oder beim Fischhändler die Erträge aus dem Main abfragen. Womit auch die Einführung der ersten Flatrate jetzt 125 Jahre zurückliegt.