Digital-Archäologie

C64-Spiele als Futter für moderne Smartphones

Die Retro-Welle hat auch Kostenvorteile
Von Marie-Anne Winter

Bild: pong-story.com Dass man mit dem Handy auch jenseits des simplen Telefonierens Geschäfte machen kann, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Klingeltöne lassen nicht nur Mobiltelefone, sondern die Kassen der Anbieter klingeln. Bis 2006 erwartet der Hamburger Anbieter arvato allein bei Klingeltönen einen Umsatz von 400 bis 500 Millionen Euro in Deutschland - das schreibt der Spiegel in seiner Online-Ausgabe. Und auch an Handyspielen verdient die Branche Geld. Weniger erfreut dürften allerdings diejenigen sein, die die vierstelligen Handyrechnungen ihrer Kinder bezahlen sollen - die Verbraucherzentralen im Land können ein Lied davon singen. Doch die gute Nachricht für alle Spiele-Freunde ist, dass man seine Finanzen nicht ruinieren muss, um an Handyspiele zu kommen. Denn vor allem Spiele gibt es jede Menge - und das auch noch umsonst.

Die trendigen Handy-Spiele sind nichts anderes als wiederverwertete Spiele für Homecomputer, die in den 80er Jahren auf den Markt gekommen sind und noch immer eine treue Anhängerschaft haben. Diese wird nicht müde, für den Fortbestand dieser eigentlich ausgestorbenen Art zu sorgen. Denn die grobkörnige Grafik, die begleitet von wenig ausgefeiltem Synthesizer-Gedudel wird, ist für Durchschnittsanwender von heute bestenfalls schrullig. Doch für die aktuellen Multimediahandys sind Oldtimer wie "Pac Man", die sich mit niedrigen Taktraten und wenig Speicherplatz begnügen, der Renner. Sie passen auf die kleinen Handydisplays, die mittlerweile die Auflösungen von Homecomputern erreichen.

Mehr Spaß mit dem Original

Viele Entwickler von Handygames orientieren sich ohnehin an bewährten Mustern: Sie kopieren alte Spiele und verpassen ihnen ein neues Design und einen neuen Namen - die Neuschöpfungen kosten natürlich auch wieder Geld. Da kann man auch gleich die Originale spielen - und das umsonst. Mittlerweile sind Emulatoren verfügbar, die die C64-Spiele für Series-60-Handys anpassen, beispielsweise die Programme E32Frodo oder EE-MAME [Link entfernt] . Mit PicoDrive [Link entfernt] können Klassiker von Segas Mega Drive auf die SonyEricsson-Geräte P800 und P900 gebracht werden. Wer es nicht ganz so retro mag, Bild: pong-story.com kann auch relativ neue Gameboy Color-Spiele sein Nokia-Handy holen - sofern es sich um ein 7650 handelt. Aber auch die Freunde alter Amiga-, Atari- oder Apple-Spiele müssen nicht darben - so ziemlich jedes Spiel, das einmal in einem Spiel-Modul oder auf einer Floppy-Disk gespeichert wurde, ist im Internet zu finden - und ein passender Emulator findet sich in der Regel auch irgendwann.

Probleme mit dem Urheberrecht

Grenzen setzt der Retro-Spielwut im Grunde nur das Urheberrecht. Die Zeitspanne für den Schutz geistigen Eigentums wurde im US-Urheberrecht immer wieder verlängert und beträgt seit 1998 beachtliche 95 Jahre. Das bedeutet, dass ein Spiel wie Pong, bei dem nur ein Quadrat zwischen zwei Balken hin und her geschubst wird, demnach erst in rund 60 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfte - bis dahin sind die Chips, wie sie zu Pong-Zeiten benutzt wurden, längst unbrauchbar geworden. Schon heute tut man sich schwer, die Floppy-Disks zu lesen, auf denen man vor 10 oder gar 15 Jahren Spiele speicherte.

Der amerikanische Verband der Unterhaltungs-Software ESA soll seit 1998 über 35 000 einschlägige Internet-Seiten geschlossen haben. Dass trotzdem noch Datenbanken wie www.c64.com am Netz sind, kann auch daran liegen, dass es teilweise sehr schwierig sein dürfte, den jeweiligen Inhaber der Rechte zu ermitteln. Einige Unternehmen, die solche Produkte früher veröffentlicht haben, existieren gar nicht mehr oder sind in anderen Unternehmen aufgegangen. Bleibt zu hoffen, dass die Gesetzeshüter auch in Zukunft nicht immer argwöhnisch genau hinsehen, wenn Digital-Archäologen interessante Bytes ausgraben und Interessierten wieder zugänglich machen.