ausgeschimpft

Schläge und Tritte für den Computer

Gewalt gegen Computer ist ein Alltagsphänomen
Von Marie-Anne Winter

Viele Menschen verbringen mittlerweile mehr Zeit mit ihrem Computer als mit anderen Menschen. Kaum verwunderlich, dass der Rechner dadurch quasi zum Familienmitglied wird - was für ihn gefährlich werden kann. Am aggressivsten gegenüber Computern sind nämlich gerade die Menschen, die eine persönliche Beziehung zu ihrem Computer haben. Das ergab eine Untersuchung, die von Marleen Brinks [Link entfernt] im Rahmen einer Magisterarbeit im Fach Soziologie durchgeführt wurde.

Die Autorin stellte fest, dass aus verschiedenen Studien unter Anderem von PC-Herstellern und Softwarehäusern hervorgeht, dass Computer in einem erheblichen Umfang geschlagen und beschimpft werden. Dieses Phänomen ist im akademischen Umfeld weitgehend unerforscht; die Studien, die es zu diesem Thema gibt sind von nicht-nachvollziehbarer Qualität. Trotzdem leitete sie anhand einer Literaturstudie eine Theorie ab, nach der die Ursachen für Aggressionen gegen Computer in mangelnder Anwenderfreundlichkeit, schlechter Software und ungenügenden Bedienungsfähigkeiten zu finden seien.

Weiterhin müsse man aber das Gefühl haben, mit seinem PC in echter Interaktion zu stehen, um sich tatsächlich von seinem PC provoziert zu fühlen. Als Stressfaktor wird vor allem Zeitdruck bei wichtigen Zielen genannt, beispielsweise die Gefahr, durch das Nicht-Funktionieren des PCs Deadlines zu verpassen oder Versprechen nicht halten zu können. Diese Untersuchung zeigt auch, dass Aggression gegen Computer ein verbreitetes Phänomen ist.

Unerklärliches Verhalten macht aggressiv

Die Theorie wurde anhand einer Datenanalyse der in der Befragung gesammelten Daten überprüft. Die Befragung war im Juni 2003 im Netz und hatte 480 Teilnehmer. Die Befragungsdaten bestätigen das Ausmaß der Aggression, das in der Literatur beschrieben wird. 62 Prozent der Befragten geben an, den PC schon mal beschimpft oder angeschrieen zu haben. 31 Prozent haben bereits mit der Maus auf den Tisch geschlagen oder mit ihr geworfen, 15 Prozent haben den Bildschirm geschlagen oder das Gehäuse getreten.

Tatsächlich zeigte sich, dass viele Nutzer ihren PC nicht als Maschine ansehen, sondern als Wesen mit einer eigenen Persönlichkeit. Aggression gegen den elektronischen Helfer entsteht weniger durch Bedienungsfehler als durch tatsächlich kaum erklärbare Fehlfunktionen, beipsielsweise wenn ein neu aufgespieltes Programm andere Anwendungen unerwartet blockiert.

Der durchschnittliche PC-Misshandler ist eher jung, lehnt Gewalt nicht prinzipiell ab und hat oft Kollegen, sich gegenüber ihren Computer auch aggressiv verhalten. Denn aggressives Verhalten schauen sich viele ab. Ein Zusammenhang zwischen Frustration und Aggression konnte in der Studie nicht nachgewiesen werden - was allerdings nicht bedeuten muss, dass es ihn nicht gibt.