Potenzial

VoIP: Experten rechnen mit zweistelligen Wachstumsraten

Mercer-Studie zur Internet-Telefonie: Die Lawine rollt immer schneller
Von Marie-Anne Winter

Die Internet-Telefonie hat lange auf sich warten lassen, doch nun gibt es immer mehr Anzeichen dafür, dass sie den Massenmarkt erobern kann. Auch die Ergebnisse einer neuen Studie von Mercer Management Consulting [Link entfernt] zu der Voice over Internet Protocol, kurz VoIP, genannten Technik sprechen dafür. Die auf einer Befragung von 1 000 Verbrauchern in den USA und Großbritannien beruhende Studie zeigt, dass der VoIP-Markt tatsächlich große Potenziale besitzt. Danach könnte jeder fünfte Festnetzanschluss ersetzt werden - aber nur, wenn sich die Angebote deutlich verbessern. Die aktuelle Qualität der Internet-Telefonie spricht derzeit nur preissensible Verbraucher und Technik-Freaks an.

Die meisten Verbraucher schrecken vor der mangelnden Sprachqualität und der geringen Verfügbarkeit zurück. Zudem möchten sie ihre Telekommunikation nur ungern den neuen, unbekannten Gesellschaften anvertrauen, die heute VoIP anbieten. Eine Chance also für die etablierten Anbieter, mit verbesserten Angeboten den Markt für sich zu sichern. "Die Mehrheit der Befragten akzeptiert keine abgebrochenen Telefonate, schlechte Sprachqualität und Verzögerungen bei der Übertragung, wie sie heute bei VoIP-Angeboten noch an der Tagesordnung sind", sagt Klaus von den Hoff, Telekommunikationsexperte bei Mercer. Auch ein noch so preisgünstiges VoIP-Angebot würde nur wenig Erfolg haben: Die Studie zeigt, dass selbst kostenlose Telefonate im eigenen Netz - so genannte On-net-Calls - unter diesen Bedingungen nicht attraktiv sind.

Unternehmen setzen auf Sprach-Daten-Konvergenz

Sobald die VoIP-Qualität dem Niveau der heutigen Telefonie entspricht, wird der Damm brechen: Fast 30 Prozent der Kunden würden ein VoIP-Angebot annehmen, 20 Prozent sogar ihren Festnetzanschluss kündigen. Damit steht die Internet-Telefonie fraglos vor dem Durchbruch zum Massengeschäft, da Qualitätseinschränkungen nach Ansicht der Mercer-Experten in kürzester Zeit überwunden sein werden.

Auch die Branche für Informationstechnik und Telekommunikation (ITK) geht von einer rasanten Entwicklung aus. Auf die Marktentwicklung angesprochen, rechnet Holger Hegemann, CEO Nortel Networks [Link entfernt] Central Europe, mit einem Wachstum der Sprach-Daten-Konvergenz auf IP-Basis von rund 25 Prozent pro Jahr. Bereits für das Jahr 2006 erwartet Nortel, dass in Unternehmen mehr neue Anschlüsse für IP-Telefonie installiert werden als klassische, digitale Sprachtelefone. Auch die Carrier würden sich weltweit darauf vorbereiten, in Europa noch zurückhaltend, in Asien dagegen geradezu enthusiastisch, in den USA wiederum pragmatisch. So würden dort die TV-Kabelgesellschaften zunehmend IP-Telefonie über digitalisierte Kablenetze anbieten.

Klassische Telekom-Konzerne machtlos?

Nach Ansicht von Helmut Reisinger, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters Nextiraone [Link entfernt] , setzt sich die IP-Telefonie vor allem durch vier Faktoren durch: erstens Reduktion der Komplexität, was eine Netzwerkverantwortung und ein Servicepartner bedeutet, zweitens verringerte Betriebskosten der einheitlichen Netzinfrastruktur, drittens eine höhere Anwendungsvielfalt und mehr Funktionen wie die Integration des Gebäudemanagements am Telefon und viertens Mobilität durch den Einsatz von IP-Softphones rund um die Uhr und rund um den Globus.

Mercer prognostiziert grundlegende Veränderungen für den ITK-Markt. Die Internet-Telefonie werde tiefe Spuren in den Bilanzen der Festnetzanbieter hinterlassen. Die drei großen europäischen TK-Konzerne British Telecom, Deutsche Telekom und France Télécom erwarten Umsatzausfälle von jeweils 1,5 bis zwei Milliarden Euro im Jahr 2008 und sechs bis sieben Milliarden Euro im Jahr 2010. Der Umsatzrückgang entsteht vor allem durch wesentlich geringere Gesprächsgebühren. Die Telekom-Konzerne sind gegenüber dieser Entwicklung so gut wie machtlos. "Die Telefongesellschaften können die IP-Telefonie nur verzögern, aber nicht aufhalten", sagt Klaus von den Hoff. "Unsere Modellrechnungen zeigen, dass jede Gegenmaßnahme auf breiter Front mehr Umsätze kannibalisieren, als Kunden von einer Abwanderung abhalten würde."