Handy-Musik

Studie: UMTS-Handys werden CDs ersetzen

Schon jetzt werden mehr Klingeltöne als CD-Singles verkauft
Von Marie-Anne Winter

Was beim mobilen Fotoversand derzeit noch nicht klappt - wir berichteten - soll nach Einschätzung der Medienexperten von A.T. Kearney im Bereich Musik bald funktionieren: Durch eine offensive Einführung von Musik-Applikationen durch die Mobilfunkanbieter könnten bis zum Jahr 2006 bereits 20 bis 30 Prozent der traditionellen Umsätze im Musikgeschäft über mobile Systeme wie etwa UMTS-Handys erzielt werden. Bereits heute sollen die Klingelton-Umsätze den Verkauf von CD-Singles übertreffen. Das ergibt eine Studie, die die Managementberatung A.T. Kearney jetzt vorgelegt hat. Während der Großteil aller Umsätze der Musikindustrie aktuell noch über den spezialisierten Fachhandel erzielt wird, werden sich die digitalen Vertriebswege in Zukunft grundsätzlich direkt in Richtung Endkunden ausrichten.

Um auch in Zukunft erfolgreich agieren zu können, müsse die Musikindustrie radikal umdenken und für ihre Künstler den direkten Zugang zum Endkunden erschließen – statt wie bisher mit wenigen spezialisierten Vertriebspartnern den herkömmlichen konventionellen Vertrieb zu organisieren. Das klassische CD-Format, bei dem verschiedene Titel zu einem Album zusammengefasst werden, hat ausgedient. Es wird in den nächsten Jahren immer mehr durch einzelne Dateien ersetzt. Damit werde das Geschäftsmodell der Musikbranche grundsätzlich in Frage gestellt, folgern die Kearney-Experten.

Kunden wollen ihre Musik selbst zusammenstellen

"Tatsächlich agieren die Musik-Unternehmen nach wie vor wie Plattenfirmen", urteilt Martin Fabel, der als Principal bei A.T. Kearney für die Medienbranche zuständig ist. Die Geschäftsmodelle der Musikindustrie seien nicht darauf ausgerichtet, digitale Inhalte zu vertreiben. Vielmehr verkauften sie ein physisches Produkt: das Album, bestehend aus einer Hülle, einem Booklet und einer CD, auf der unter Umständen sogar Lieder enthalten sind, die der Kunde eigentlich gar nicht haben wolle, aber trotzdem bezahlen müsse.

Die A.T. Kearney Studie zeige, dass die Konsumenten immer stärker dazu tendieren würden, nicht das physische Produkt, also ein CD-Album, sondern ihre Lieblings-Songs selber zusammenstellen zu wollen: Durch Digitale Music Files lasse sich dieser Kundenwunsch wesentlich flexibler als mit der herkömmlichen CD befriedigen. Die bisherige Pricing- und Bundling-Strategie der Music-Majors werde somit in Frage stellt.

Die Entwicklung der letzten Jahre belegt diese These: Während die internationale Musikbranche in den letzten fünf Jahren einen Umsatzrückgang von über 20 Prozent verkraften musste und versuchte, ihre Wettbewerbsposition durch Fusionen und Übernahmen zu verbessern, tauchten völlig neue Wettbewerber auf, die zeigten, wie zukunftsfähige Geschäftsmodelle aussehen müssen: "Die Vielzahl innovativer Geschäftsmodelle, die wir derzeit im Bereich Mobile Entertainment beobachten, erinnert an den frühen Internet-Hype und ist typisch für die Entstehung eines neuen Marktes mit entsprechend hohen Penetrationsgeschwindigkeiten", erklärt Philipp Gerbert, Vice President bei A.T. Kearney: "Apples erfolgreiches iTunes-System oder die strategische Allianz zwischen Apple und HP können hier exemplarisch genannt werden."

Mobilfunkanbieter können profitieren

Auch die Mobilfunkanbieter zählen laut A.T. Kearney zu den Gewinnern im Musikgeschäft: Schon heute erwirtschaften sie mit dem Download von Klingeltönen fünf Prozent des gesamten traditionellen physischen Musikumsatzes und übertreffen damit bereits die Umsätze, die mit dem Verkauf von CD-Singles gemacht werden. Mobile Breitband-Services – allen voran UMTS – sowie Real Tone Handys werden in den nächsten drei Jahren dem Wettbewerb eine neue Dynamik geben. Allerdings könnten diese Impulse an der klassischen Musikbranche vorbei gehen, die ohnehin nur bis zu 20 Prozent der mobilen Musik-Umsätze vereinnahmt, während der Großteil den Mobilfunkanbitern zufällt.

"Derzeit wird der Musikvertrieb über mobile Kanäle noch von technischen Hindernissen ausgebremst", erläutert Fabel. Die höchste Barriere seien zurzeit die zu langen Downloadzeiten und zu geringen Speicherkapazitäten der Endgeräte, gefolgt von hohen Preisen, einer vergleichsweise geringen Auswahl und der mangelnden Möglichkeit, die Inhalte zu portieren. Spätestens mit der flächendeckenden Einführung von UMTS werde dieser Flaschenhals jedoch verschwinden. "Da die UMTS-Betreiber ihre geplanten Umsätze nicht mit klassischer Telefonie, sondern nur mit Daten- und vor allem Multimediadiensten erreichen können, werden sie alles daran setzen, die verbleibenden Hindernisse schnellstmöglich zu beseitigen", ergänzt Gerbert.

Preise für Klingeltöne werden fallen

Entsprechend erwartet A.T. Kearney, dass der Preis für den Download eines einzelnen Klingeltons von derzeit durchschnittlich 1,50 Euro bis 2,20 Euro auf den Preis eines Internet-Downloads für ein Musikstück fallen wird: 0,99 Euro. Mobilfunkanbieter o2 ist mit seinen neuen Active-Packs für Musik schon bei dieser Schwelle angekommen - allerdings gegen eine monatliche Grundgebühr von 2,95 Euro. Es zeichne sich auch ab, dass die Angebotsbreite insgesamt steige und die Speicherkapazität der mobilen Endgeräte entsprechend erhöht werde.

"Wenn die Musikunternehmen die Erträge aus dem neuen Markt der mobilen Musik nicht anderen überlassen wollen, müssen sie sich auf ihre Kernkompetenzen - die Künstlerentwicklung und –vermarktung – besinnen und sich konsequent auf den Endkunden hin ausrichten.", sagt Fabel. Im Mittelpunkt stehe dabei, für die eigenen Künstler sämtliche digitalen Promotion- und Vertriebsmöglichkeiten über alle Plattformen hinweg zu erschließen und sie mit ihren Fans und Konsumenten direkt zu verbinden. Hierin sehen die A.T. Kearney-Experten auch die einzige Möglichkeit, ein Gegengewicht zu illegalen Tauschbörsen zu setzen. Allerdings verdienen die Mobilfunkanbieter nicht nur an legalen Musik-Downloads - sie könnten auch vom illegalen Datentransfer von Song-Files über ihre Mobilfunknetze profitieren.