Marktanalyse

VATM: Telekom gewinnt Marktanteile zurück

Forderung: RegTP soll endlich faire Bedingungen schaffen
Von Marie-Anne Winter

Bei der heutigen Vorstellung einer neuen Marktanalyse der Dialog Consult und des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) wurde als wichtigstes Ergebnis festgestellt, dass sich die bereits im vergangenen Jahr beobachtete Entwicklung weiter verschärft. Obwohl das Volumen des täglichen Telekommunikations-Aufkommens im Festnetz auf Rekordhöhe steigt, ist der Umsatz in diesem Bereich rückläufig und wird in diesem Jahr sogar das Vorjahresergebnis unterschreiten. "Bringt man Festnetz-Umsatz und -Volumen in Relation zueinander, so wird deutlich, dass die Deutsche Telekom auch in diesem Jahr den Verdrängungswettbewerb über die Preise fortsetzt und Erhalt oder Gewinn von Marktanteilen sogar durch massive Umsatzrückgänge erkauft," sagt Dr. Joachim Dreyer, Präsident des VATM. So kann die Telekom im Fernbereich sogar Marktanteile von ihren Wettbewerbern zurückerobern, und auch im Ortsnetzbereich behauptet sie fast unverändert ihr De-facto-Monopol. "Der Wettbewerb im deutschen Telekommunikationsmarkt tritt also auch im vierten Jahr seit seiner Liberalisierung auf der Stelle", stellt Dr. Joachim Dreyer fest. "Schlimmer noch, die Remonopolisierung hat eindeutig begonnen. Die vom VATM bereits vor einem Jahr befürchtete Entwicklung findet ihre Bestätigung in den heute veröffentlichten Zahlen."

Die nun zum dritten Mal von der Dialog Consult GmbH und dem VATM gemeinsam erstellte Telekommunikations-Marktanalyse basiert auf einer im Juli 2001 durchgeführten Befragung der VATM-Mitgliedsunternehmen, deren Ergebnisse auf die Gesamtbranche hochgerechnet wurden. Erfreulich ist nach Dr. Dreyer die Tendenz hin zu mehr Kundenbindung im Bereich Preselection und Festanschluss. Hier haben sich die Kundenzahlen fast verdoppelt. Federn gelassen habe allerdings Call by Call als wichtiger Einstiegsmarkt für den Wettbewerb. Die gestiegenen Kosten in diesem Segment machten Call by Call für die Unternehmen zunehmend unwirtschaftlich und letztlich auch für die Kunden unattraktiv. Statt der 11,5 Millionen Kunden 2000 nutzen nur noch gut 7 Millionen diese Möglichkeit des Netzzugangs im laufenden Jahr.

Insgesamt lässt sich festellen, dass der Gesamtmarkt für Telekommunikationsdienste langsamer wächst. Der Umsatz mit Telekommunikationsdiensten steigt von 55,2 Milliarden Euro in diesem Jahr voraussichtlich auf 62,6 Milliarden Euro, was nur noch einem Plus von 13 Prozent - gegenüber 30 Prozent im Vorjahr - entspricht. Davon wurden 29,8 Milliarden Euro oder 47,6 Prozent von den neuen Carriern erwirtschaftet. Sie konnten im Vergleich zum Jahr 2000 ihren Umsatz um 27,8 Prozent steigern, während der Ex-Monopolist hier um lediglich 2,8 Prozent auf 32,8 Milliarden Euro zulegen konnte. Dies entspricht einem Marktanteil von noch 52,4 Prozent (Vorjahr 57,8 Prozent). Relativiert wird das auf den ersten Blick positive Ergebnis allerdings auf Seiten der neuen Carrier durch die Tatsache, dass 86,6 Prozent ihrer ausgewiesenen Umsätze auf das Mobilfunkgeschäft entfallen und lediglich 13,4 Prozent - 4 Milliarden Euro - mit Festnetz- und Datendiensten erzielt werden.

Unverändert unbefriedigend für die Wettbewerbsunternehmen gestaltet sich die Situation bei den reinen Ortsverbindungen. Zwar können die neuen Carrier das über sie abgewickelte Aufkommen von im Vorjahr 4 Millionen auf nunmehr 6 Millionen Verbindungsminuten pro Tag steigern. Dies ist aber nur halb so viel wie die Telekom im Vergleichszeitraum hinzugewinnen konnte - das entspricht einem Marktanteilsgewinn von 0,5 Prozentpunkten auf 1,6 Prozent für die Wettbewerber. Im Bereich der Fernverbindungen hat die Telekom sogar Marktanteile von den neuen Carriern zurückerobert. Die Anzahl der über die DTAG abgewickelten Verbindungsminuten steigt hier von im vergangenen Jahr 236 Millionen auf nunmehr 323 Millionen Minuten (plus 36,9 Prozent), während ihre privaten Wettbewerber von 159 Millionen Minuten in 2000 auf 198 Millionen Minuten (plus 24,5 Prozent) im laufenden Jahr zulegen werden. Die Marktverteilung entwickelt sich also im Fernbereich zugunsten des Ex-Monopolisten, der nach 59,7 Prozent im Vorjahr dieses Jahr 62,0 Prozent für sich verbuchen kann.

Aufgeteilt nach den Zugangsmöglichkeiten der Kunden zu den Wettbewerbernetzen ergibt sich ein Rückgang von Call by Call, der aber durch eine starke Zunahme (plus 37,7 Prozent im Zeitraum Juni 2000 bis Juni 2001) der über Preselection hergestellten Verbindungen mehr als ausgeglichen wird. Über Komplettanschlüsse wurden nach 22,5 Millionen Minuten im Juni 2000 im selben Monat des laufenden Jahres 35,2 Millionen Verbindungsminuten abgewickelt, was einen Anteil von 17,3 Prozent (Vorjahr: 13,8 Prozent) und eine Zunahme von monatlich 3,8 Prozent (bezogen auf den Zeitraum Juni 2000 bis Juni 2001 sind das 56,4 Prozent).

Dreyer wies in einer Beurteilung der Ergebnisse darauf hin, dass die Situation insgesamt nach vier Jahren Liberalisierung alles andere als zufrieden stellend ist. Dies liege an der immer aggressiver werdenden Preisstrategie der Telekom und an der Vielfalt der Bündelprodukte, mit denen sie versucht, Wettbewerb zu verhindern. Auch Professor Gerpott, Gründungsgesellschafter der Dialog Consult GmbH und Mitautor der Studie, sieht aufgrund der Marktzahlen Anpassungsbedarf bei den ordnungspolitischen Rahmenbedingungen des deutschen TK-Marktes. Der TK-Experte meint: "Die Deutsche Telekom konnte 2001 vor allen Dingen durch Nutzung ihrer Marktmacht Angebotsbündel bei Telefon- und Datenanschlüssen sowie Verbindungen schnüren, damit Kunden an sich binden und ihren minutenbezogenen Anteil bei ortsnetzübergreifenden Verbindungen steigern. Die RegTP sollte deshalb zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen mehr als bisher die Voraussetzungen dafür schaffen, dass alternative Carrier ähnliche Pakete zu konkurrenzfähigen Preisen offerieren können oder zumindest nicht durch Kampfangebote und Behinderungspraktiken des Ex-Monopolisten aus dem Markt gedrängt werden."