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Industrie: Strahlenbelastung durch UMTS-Netz nicht bedenklich

Mediziner und Umweltexperten sind der Meinung, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann
Von Marie-Anne Winter

Wenn die Auflagen des Gesetzgebers für den Aufbau der geplanten UMTS-Netze eingehalten werden sollen, müssen in den nächsten Jahren rund 40 000 neue Basistationen gebaut werden. Zum Vergleich: Zur Zeit sind rund 36 000 Basisstationen für den Mobilfunk in Betrieb. Trotzdem sagen die Hersteller und Netzbetreiber, dass die elektromagnetische Strahlenbelastung für durch die Mobilkommunikation dadurch nur unwesentlich erhöht wird. "UMTS erhöht die derzeitige Abstrahlungsleistung um allenfalls 50 Prozent und bleibt immer noch unter den gesetzlichen Grenzwerten", sagte in Berlin Dr. Fritz Lauer, Leiter Umwelttechnik beim Betreiber T-Mobil während einer Wissenschafts-Pressekonferenz zum Thema Gesundheitsgefährdung durch UMTS.

Diese Grenzwerte hält Dr. Peter Neitzke, Geschäftsführer am Ecolog-Institut Hannover, für zu hoch. Auswirkungen der Strahlung auf das Zentrale Nervensystem und auf die Hirntätigkeit seien inzwischen gut belegt, wenn auch noch nicht klar ist, welche gesundheitlichen Riskiken diese Effekte letztlich bergen. Deshalb sei es wichtig, aus Gründen der Vorsorge die im Bundesemissionsschutzgesetz festgelegten Grenzwerte abzusenken. Besonders Kinder und Jugendliche seien gefährdet. Auch der Geschäftsführer der Bundesärztekammer, Dr. Hans Walter Krannich plädierte für eine Absenkung der Grenzwerte, weil eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne.

"Das neue UMTS-Netz ändert nichts am bisherigen kontroversen Diskussionsstand über Handy-Gefahren," fasste der Biologe Uwe Kullnick die Lage zusammen. Er ist beim Hersteller Siemens Leiter der Abteilung Elektromagnetische Felder. Kullnick betonte, dass es bisher nur Studien zu den Auswirkungen der thermischen Effekte durch das Mobiltelefonieren gäbe, ein Wirkungsmodell für nicht-thermische Effekte gäbe es bisher nicht, weshalb dazu auch noch nicht geforscht werden könne.

Neitzke vom Ecolog-Institut führte aus, dass einige Versuche eine Beeinträchtigung von Hirnfunktionen zeigten und bei Laborversuchen eine Erhöhung der Ausschüttung von Stresshormonen, sowie eine erhöhte Zellteilungsrate und Chromosomenbrüche an elektromagnetisch bestrahlten Zellen gefunden wurden.

"Eine zuverlässige Nutzen-Risiko-Abschätzung ist derzeit nicht möglich", meinte Dr. Lauer von T-Mobil. "Die Bewertung etwaiger Risiken unterscheidet sich stark von Institut zu Institut." Kullnick ergänzte, dass die Tests zur nicht-thermischen Wirkung von Sendeanlagen und Handys nicht schlüssig seien. Das Bild sei insgesamt sehr widersprüchlich. "Wir haben keinen Beweis, weder für die Unschädlichkeit von Handys, noch für gesundheitliche Schäden." Chromosomenbrüche im Zellkern sind seines Erachtens möglicherweise Fehler des zelleigenen Reparaturmechanismus - was allerdings auch eine Folge der Strahlung sein kann.

Fakt ist, dass Handy-Hersteller ab 1. Oktober die "spezielle Absorptionsrate" (SAR) der einzelnen Modelle bekannt geben werden. Der derzeitige Grenzwert liege bei 2,0 Watt pro Kilogramm Körpergewicht. Die derzeit auf dem Markt befindlichen Mobiltelefone würden maximal 0,8 bis 1,5 Watt erreichen. Der Unterschied sei allerdings irrelevant, weil unterhalb von 2,0 ohnehin keine Schäden zu erwarten seien.

Herr Neitzke betonte, dass die Erkenntnislage [Link entfernt] bisher auch so dürftig sei, weil es bisher keine Langzeit-Studien gäbe - die Technik sei einfach noch zu neu und bei den langen Latenzzeiten von chronischen Schädigungen, die beispielsweise zu Krebserkrankungen führen könnten, seien deshalb schlicht noch keine Ergebnisse zu haben. Das ändere nichts daran, dass es einen erheblichen Forschungsbedarf gäbe.

Interessant war auch die Anmerkung des T-Mobil-Vertreters, dass Befragungen ein etwas irrationales Verhältnis der Handynutzer zu ihrem Kommunikationsmedium offenbaren: 40 bis 50 Prozent der Handynutzer lehnen den Bau eine Sendeanlage in ihrer Nähe ab.

Klar ist auch, dass es beim Aufbau der UMTS-Netze um richtig viel Geld geht - wie könnte die ohnhin angeschlagene TK-Industrie einen weiteren Rückschlag - etwa durch die nachgewiese Gefährdung durch den zunehmenden Mobilfunk - verkraften? Dr. Lauer machte darauf aufmerksam, dass allein geringe Absenkungen der Grenzwerte schon zu technischen Schwierigkeiten führen können, weil es zwar im Labor möglich sei, die Feldstärke erheblich zu verringern, in der Realität sei allerdings eine erhebliche Reserve nötig sei, damit bei jeden Wetter, zu jeder Jahreszeit und an jedem Ort telefoniert werden könne.