Abwarten?

Deutsche Telekom unter Zugzwang

Im globalen Übernahmepoker kann Ron Sommer keine wesentlichen Erfolge vorweisen
Von AFP / Christopher Paun

Telekom-Chef Ron Sommer steht unter Druck. Es gilt, rasch auf Milliardenfusionen der Konkurrenz, technische Quantensprünge und Marktchancen zu reagieren. Unter Sommers Regie tat die Bundespost-Tochter Telekom 1995 erste Schritte als privatisiertes, später als börsennotiertes Unternehmen. Sommer oblag es, den Monopolisten fit für den Telefonwettbewerb in Deutschland und den globalen Machtkampf der Großen zu machen. Dabei droht er jetzt den Anschluss zu verlieren.

Als rastlosen Workaholic beschreiben Mitarbeiter den heute 50-Jährigen, grau gelockten Manager. Sommer dulde keine umständlichen Fragen, bei ihm müsse alles kurz und präzise formuliert sein. Ein "Anfasser" ist der Telekom-Chef nicht. Trotz seines alerten Auftretens wirkt er distanziert und gelegentlich abgehoben. Wichtige Entscheidungen über Firmenkäufe und Allianzen wägt Sommer gründlich und lange, manchmal zu lange ab, und er trifft sie häufig ganz allein.

Der Perfektionismus macht inzwischen Finanzmärkte und Investoren nervös: Seit dem spektakulären Scheitern der Fusion mit Telecom Italia im vergangenen Mai, dem Bruch der Allianz mit France Telecom und dem Rückzug aus dem internationalen Großkunden-Joint-venture Global One lässt der von Sommer angekündigte große Wurf auf sich warten. Mit Zukäufen wie debis Systemhaus im Inland oder Club Internet im Ausland rüstet er zwar auf, zögert aber noch mit dem eigentlichen Angriff.

Dabei sind sich Analysten einig, dass nur der Schulterschluss mit einem Großkonzern aus den USA oder Großbritannien dem deutschen Branchenprimus auf Dauer auch einen festen Platz in der Weltliga sichern kann. An Kandidaten und Geld mangelt es nicht: Vom US-Konzern Qwest über die britische Cable and Wireless bis zur spanischen Telefonica kursieren viele Namen, und Sommer verfügt über eine prall gefüllte Kriegskasse. Es werde schon bald "Überraschungen" geben, verspricht der Konzernlenker immer wieder. Doch das Versprechen klingt langsam hohl.

Nach innen hatte der Top-Manager bislang eine glücklichere Hand. Die Telekom legte beim Service zu, konnte anfängliche Marktanteilsverluste gegenüber neuen Wettbewerbern stoppen und machte gut zwei Millionen Aktionäre froh. Der Kurs der T-Aktie, die Ende 1996 mit umgerechnet 14,57 Euro gestartet war, durchbrach Anfang des Monats erstmals die 100-Euro-Grenze und sorgte für einen nie da gewesene Börsenbegeisterung in Deutschland.

Sommer gelang es trotz aller Rückschläge, der Telekom einen modernen Zuschnitt zu geben. Vom alten Kerngeschäft Festnetztelefonie entfernt er sich immer mehr; Schwerpunkte sind jetzt die Wachstumsbringer Mobilfunk, Online und Systemlösungen. Die Börsengänge von T-Mobil und T-Online noch in diesem Jahr sollen die gewachsene Bedeutung der Sparten unterstreichen und Sommer sowohl harte als auch virtuelle Währung verschaffen, die er für Unternehmenskäufe per Aktientausch braucht.

Kaum ein Analyst bestreitet, dass der ehrgeizige Sommer die träge Telekom in relativ kurzer Zeit weit voran gebracht hat. Dem Konzernlenker kam dabei wohl auch seine vielseitige Biografie zugute: Für Sommer galt gewissermaßen von Geburt an das Motto "Think global" - er kam im israelischen Haifa als Sohn eines Russen und einer Ungarin zur Welt und wuchs in Wien auf, wo er nach einem Mathematik-Studium als 21-Jähriger promovierte; später arbeitete er in New York, Paderborn und Paris.

Entdeckt wurde Sommer vom deutschen Computer-Manager Heinz Nixdorf, in dessen Konzern er sich in den 70-er Jahren den ersten Schliff holte. 1980 begann er einen kometenhaften Aufstieg beim japanischen Sony-Konzern, der ihm schließlich den Posten des Europa-Vize bescherte. Am 29. März 1995 ereilte ihn der Ruf an die Spitze der Telekom. Sein erster Fünf-Jahres-Vertrag wurde bereits 1999 für weitere fünf Jahre verlängert.