Hintergrund

So funktioniert das Telefonieren mit dem Handy

Lesen Sie, was passiert, wenn Sie mit Ihrem Handy tele­fonieren, wie Hand-Over funk­tio­nieren und wie komplex die Funk­tionen im Handy­netz sind.
Von / Julian Ruecker

Es ist alltäg­lich: Der Griff geht zum Handy, die gewünschte Nummer wird gewählt, die grüne Taste gedrückt und einige Sekunden später steht das Gespräch. Doch während des Gesprächs­auf­baus passieren im Hinter­grund zahl­reiche Dinge, die der Kunde gar nicht bemerkt. Diese Abläufe wollen wir Ihnen im Detail anhand des Netzes von o2 vorstellen. In den anderen Mobilfunk­netzen sind die Abläufe jedoch weitest­gehend iden­tisch.

Details zum tech­nischen Aufbau eines Mobil­funk­netzes, der soge­nannten Netz­archi­tektur, haben wir Ihnen bereits vorge­stellt. Dieser Artikel geht daher nicht weiter auf den Aufbau des Netzes an sich ein.

Der Rufaufbau: Darf das Handy über­haupt machen, was es will?

Wenn Sie zu Ihrem Handy greifen und ein Tele­fonat zu einem anderen Kunden des glei­chen Netz­anbie­ters führen, wird Ihr Gespräch über die Sende­masten und die entspre­chenden Controller zu der für Sie aufgrund Ihres Aufent­halts­ortes zustän­digen Vermitt­lungs­stelle (MSC) geleitet.

Hier wird als erstes geprüft, ob Ihre SIM-Karte echt ist und ob Sie somit berech­tigt sind, dieses Tele­fonat zu führen. Dazu liefert das Authen­tica­tion Center (AUC) Zahlen­kolonnen (soge­nannte Triples), mit deren Hilfe die Vermitt­lungs­stelle den Teil­nehmer authen­tifi­ziert. Es handelt sich ledig­lich um eine tech­nische Über­prü­fung.

Die Vermitt­lungs­stelle erkennt aufgrund der gewählten Nummer, dass die Ziel­ruf­nummer inner­halb des eigenen Netzes bleibt. Anschlie­ßend wird beim Home Loca­tion Register (HLR) ange­fragt, wo sich der Kunde befindet. Das HLR ist so etwas wie die zentrale Kunden­datei eines jeden Netz­anbie­ters. Es verknüpft die Rufnummer des Kunden mit der SIM-Karte und kennt die Berech­tigungen des Kunden und even­tuell program­mierte Rufum­lei­tungen.

Tele­foniert also ein Kunde, der sich in München befindet, zu einem Kunden, der sich gerade in Berlin aufhält, so weiß das HLR, dass der gesuchte Kunde sich im Bereich der für Berlin zustän­digen Vermitt­lungs­stelle aufhält und nimmt mit dieser Kontakt auf. Die Berliner Vermitt­lungs­stelle fragt in der Folge beim für diese MSC zustän­digen Visitor Loca­tion Register (VLR) Daten des Ange­rufenen ab. Das VLR weiß, in welcher Region in Berlin sich der Ange­rufene aufhält, welche Dienste unter­stützt werden und wie sich das ange­rufene Handy im Netz iden­tifi­zieren muss.

Das Netz muss das Ziel­handy erst suchen

Über Richfunkschüsseln und Sendemasten kommt das Telefon-Signal zum Endkunden. Über Richtfunkschüsseln und Sendemasten kommt das Telefon-Signal zum Endkunden.
Foto: teltarif.de
In der Folge startet die zustän­dige Berliner Vermitt­lungs­stelle so etwas wie einen Ausruf in der Region, in der sich der Ange­rufene aufhält. Diese Bereiche nennen sich LAC. Sinn­gemäß gibt es über alle Sende­masten ein Signal, dass für ein bestimmtes Handy ein Anruf vorliegt, das Handy möge sich bitte melden. Eine direkte Ansprache eines einzelnen Sende­mastes oder direkt des Handys erfolgt also nicht. Das ange­rufene Handy empfängt den Ausruf und meldet sich bei der Vermitt­lungs­stelle. Diese weiß nun, auf welchem Sender das Handy gerade einge­bucht ist. Es wird geprüft, ob die SIM-Karte wirk­lich die ist, die erwartet wird. Erst dann stellt die Berliner Vermitt­lungs­stelle den Anruf zum Ange­rufenen durch. Diese ganzen Prozesse laufen sehr schnell ab, dennoch merkt jeder, der von Handy zu Handy tele­foniert, dass ein Rufaufbau mitunter einige Sekunden dauern kann. Das liegt vor allem an dem Ausruf des ange­rufenen Handys aber auch an den diversen Daten­bank­abfragen.

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Was passiert bei Nicht-Empfang?

Hat der Ange­rufene keinen Empfang, so hat sich das Handy in aller Regel im Netz nicht regulär abge­meldet. Das VLR "denkt" also nach wie vor, der Kunde sei in der Region zu errei­chen. Dass dieses nicht so ist, merkt das Netz in der Regel erst, wenn eine Nach­richt für den Kunden vorliegt. Auf den dann über den gesamten LAC ausge­strahlten Ausruf kommt vom Handy keine Antwort. Den Vermitt­lungs­stellen bleibt in der Folge nichts anderes übrig, als die Nicht­ver­füg­bar­keit zurück zu melden. Diese Infor­mation geht zurück an die Vermitt­lungs­stelle des Kunden.

Der Vermitt­lungs­stelle ist aufgrund der HLR-Infor­mationen bekannt, ob der Kunde im Falle einer Nicht-Erreich­bar­keit eine Rufum­lei­tung program­miert hat. Mit dieser würde dann verfahren werden wie bei einem Anruf. Ist nichts defi­niert, so wird dem Anrufer mitge­teilt, dass der Teil­nehmer nicht verfügbar ist.

Jeder Handy­nutzer weiß, dass bis zu dieser Ansage einige Zeit vergehen kann. Jeder weiß aber auch, dass die Ansage mitunter "sofort" nach der Anwahl der Handy­nummer kommen kann. In diesem Fall hat der Ange­rufene sein Handy ausge­schaltet und sich regulär beim Handy­netz abge­meldet. Diese Infor­mation hat das VLR ans HLR weiter­gegeben und dieses reagiert auf eine Vermitt­lungs­stellen-Anfrage entspre­chend sofort. Ein Ausruf des Kunden im Netz gibt es folg­lich nicht.

Was passiert bei Gesprä­chen in andere Netze?

An den Sendemasten sind oftmals mehrere Sendeelemente montiert. An den Sendemasten sind oftmals mehrere Sendeelemente montiert.
Foto: teltarif.de
Tele­foniert der Kunde nicht inner­halb des eigenen Netzes, sondern zu einem anderen Mobil­funk­netz, ins Fest­netz oder ins Ausland, so läuft das Gespräch über ein Gateway Mobile Swit­ching Center, also eine Gateway-Vermitt­lungs­stelle. Diese dient als Schnitt­punkt zu anderen Netzen. Geht das Gespräch also beispiels­weise von o2 zur Mobil­funk­sparte der Telekom, über­gibt das MSC des Anru­fers das Gespräch an das GMSC. Dieses über­gibt dann an die Telekom. Die Iden­tifi­kation, wohin das Gespräch geroutet werden muss, erfolgt über die Rufnummer des Ange­rufenen, die soge­nannte MSISDN.

Was passiert bei portierten Nummern?

Auch wenn eine 0171-Nummer (eigent­lich Telekom) inzwi­schen bei o2 geschaltet ist, wird das Gespräch zunächst in das GMSC der Telekom geroutet, da die Rufnummer (MSISDN) aussagt, dass es sich um eine Telekom-Nummer handelt. Bei der Telekom erfolgt dann die Über­prü­fung anhand einer Portie­rungs­daten­bank, da das Telekom-HLR keine Daten zu der Nummer findet. Da die Nummer in der Daten­bank mit dem Vermerk "o2-Netz" hinter­legt ist, wird das Gespräch dann an o2 gegeben. Rufaufbau im Mobilfunknetz

Was passiert bei ankom­menden Gesprä­chen?

Ankom­mende Gespräche kommen von anderen Netz­betrei­bern am GMSC an. Mit Hilfe der HLR- und VLR-Daten­banken schickt die Gateway-Vermitt­lungs­stelle die Gespräche in der Folge weiter an die eigenen Vermitt­lungs­stellen, die den ange­rufenen Kunden aktuell versorgen.

Was passiert, wenn das Handy bewegt wird?

Geht ein Kunde in einer Groß­stadt durch die Straßen, so werden in der Regel nach wenigen hundert Metern schon andere Sende­masten genutzt, als noch kurze Zeit zuvor. Eine Infor­mation, in welchem Mast sich das Handy einge­bucht hat, hat das Netz aber nicht vorliegen, solange das Handy nicht genutzt wird. Es findet ledig­lich alle paar Stunden eine Über­prü­fung statt, ob das Handy noch verfügbar ist. Erst dann würde an das VLR und HLR die Infor­mation gegeben werden, dass ein Handy gar nicht mehr erreichbar ist, weil es keinen Empfang mehr hat. Sollte in der Zwischen­zeit eine Nach­richt für das Handy kommen, wird diese Infor­mation dann abge­spei­chert.

Aller­dings: Verlässt der Kunde den Bereich eines Base Station Control­lers (BSC), gibt es ein soge­nanntes Loca­tion Update. Ein BSC ist in der Regel für eine zwei­stel­lige Zahl von Sende­masten zuständig. Natur­gemäß verlässt man gerade bei größeren Stre­cken den Bereich einer BSC irgend­wann einmal. Theo­retisch kann dieses auch bei einem Arbeitsweg von nur einem Kilo­meter der Fall sein, wenn zwischen Arbeit und Büro eine BSC-Zustän­dig­keits­grenze verläuft. Oftmals befindet sich der Kunde dann auch in einem neuen LAC. Diese neuen Infor­mationen werden dann wieder neu im VLR gespei­chert und das Netz kennt den neuen, groben Standort des Kunden.

Einbu­chen nach mehreren Tagen oder im Ausland dauert länger

Sind UMTS und GSM an einem Standort, so stehen in der Regel zwei BTS-Schränke nebeneinander. Sind UMTS und GSM an einem Standort, so stehen in der Regel zwei BTS-Schränke nebeneinander.
Foto: teltarif.de
Ist ein Handy mehrere Tage ausge­schaltet oder meldet es sich erst­mals im Netz an (beispiels­weise bei einem Neuver­trag oder beim Urlaub im Ausland), reicht ein Loca­tion Update nicht aus. Hier muss ein Loca­tion Register Update erfolgen.

Im Fall des Urlaubs im Ausland bedeutet dies, dass im VLR des auslän­dischen Netzes ein komplett neuer Daten­satz für den Gast-Kunden ange­legt werden muss. Das VLR fordert sich alle rele­vanten Infor­mationen vom HLR des Netz­betrei­bers des Kunden an. Dieses Loca­tion Register erklärt, warum das erst­malige Einschalten des Handys nach der Landung im Ausland relativ lange dauert während das Einbu­chen des Handys im Netz am nächsten Morgen nicht länger dauert als in Deutsch­land. Das VLR kennt den Kunden am nächsten Morgen noch und muss keine neuen Daten­sätze anlegen, sondern ledig­lich eine Aktua­lisie­rung vornehmen.

Hand-Over während eines Gesprä­ches ist nicht immer leicht

Bewegt sich das Handy während einer Daten- oder Sprach­ver­bin­dung, verhält sich die Über­gabe etwas anders. Schließ­lich muss der neue Sende­mast wissen, dass er ein Gespräch über­nehmen soll. Dabei muss unter­schieden werden, wie viele Netz­ebenen die Gesprächs­über­gabe betrifft. Die einfachste Vari­ante ist die, dass ledig­lich ein anderer Sektor des glei­chen Sende­mastes genutzt wird.

Es handelt sich also um den glei­chen Mast, nur eine andere Antenne die in eine andere Rich­tung auf einer anderen Frequenz sendet. Diesen Hand-Over regelt die Basis­sta­tion selbst. Muss das Gespräch an einen anderen Sende­mast über­geben werden, so regelt die BSC die Über­gabe. Befindet sich aller­dings die neue Basis­sta­tion in einem anderen BSC-Bereich, so müssen die beiden BSCs mit Hilfe der über­geord­neten Vermitt­lung (MSC) die Über­gabe regeln. Im "schlimmsten" Fall ist der für den neuen Sende­mast zustän­dige BSC auch noch einer anderen Vermitt­lung unter­stellt, sodass diese Netz­ele­mente die Gesprächs­über­gabe zunächst auch noch mitein­ander aushan­deln müssen.

Bei einer Über­gabe muss zunächst am neuen Sender geprüft werden, ob über­haupt Kapa­zitäten für ein weiteres Gespräch vorhanden sind. Andern­falls würde die Über­gabe schei­tern. Im Ideal­fall werden bei nur verein­zelt über­las­teten Sende­masten in Innen­stadt­lagen Gespräche von einem über­las­teten Sende­mast an einen weniger belas­teten, gering­fügig schlechter zu empfan­genem Sende­mast über­geben, damit nicht erst im Fall einer ankom­menden Gesprächs­über­gabe andere Gespräche verla­gert werden müssen. Diese Aufgabe über­nehmen die BSC selb­ständig.

Sind aller­dings alle Sende­masten voll oder die Sender­dichte so gering, dass eine Verla­gerung nicht möglich ist - etwa auf dem Land - kommt es bei einem geplanten Hand-Over zum Gesprächs­abbruch. Theo­retisch kann dieses auch bei einem zu schnellen Wechsel, etwa bei einer Fahrt im ICE geschehen, wenn der neue Sende­mast zu spät mit einer guten Qualität verfügbar ist.

Initi­iert wird ein Hand-Over durch Kommu­nika­tion mit dem Handy. Dieses kontrol­liert laufend die Sende- und Empfangs­stärke der Basis­sta­tion und empfängt gleich­zeitig schon die Signale anderer Sende­masten. Das Netz kennt diese Nach­bar­schafts­zellen und regelt die Gesprächs­über­gabe dann an eine Zelle, deren Empfangs­para­meter besser sind. Im Ideal­fall merkt der Nutzer nichts davon.

Die Abrech­nung: Unter­schiede zwischen Prepaid und Post­paid

Bei Vertrags­kunden funk­tio­niert die Rech­nungs­legung denkbar einfach: Da im HLR fest­gestellt wurde, dass der Kunde berech­tigt ist, die gewünschten Aktionen durch­zuführen, muss nach Ende der Aktion ledig­lich noch fest­gestellt werden, wie lange die Aktion gedauert hat und die entspre­chenden Rech­nungs­infor­mationen an das Billing­system gegeben werden. Hier wird dann anhand der hinter­legten Tarif­infor­mationen der entspre­chende Preis berechnet und in die Rech­nungs­legung gegeben, sofern der Kunde nicht eine Flat­rate gebucht haben sollte.

Prepaid-Kunden hingegen bekommen vom Abrech­nungs­system immer wieder virtu­elle Frei­sekunden. Um nicht zu viele Abfragen beim Abrech­nungs­system zu gene­rieren, wird diese Infor­mation etwa alle zwei Minuten gesendet. Erst dann, wenn das Guthaben für das nächste Gesprächs­inter­vall nicht mehr reicht, wird die reale Länge des letzten Zeit­inter­valls gesendet.

Viel Aufwand für einfa­ches Tele­fonieren

Die zahl­rei­chen Schritte zeigen, wie viel im Netz eines Mobil­funk­anbie­ters passiert, damit ein einfa­ches Tele­fonat geführt werden kann. Diese Abläufe machen auch plau­sibel, warum nicht alles so perfekt laufen kann wie im Fest­netz, wo die Vermitt­lungs­stellen deut­lich einfa­cher aufge­baut sind.

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