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WLAN und UMTS sind nicht die eierlegende Wollmilchsau!


09.12.2001 19:45 - Gestartet von gichtl
In dem Artikel zielt alles darauf ab, in WLAN die vermeintliche eierlegende Wollmichsau zu sehen. Wie Sie selbst schreiben, ist so was nur mit großen Anstrengungen verbunden und ist schlussendlich wenig praktikabel.

Es kommt aber immer darauf an, welche Anforderungen man hat und wie mann dan dies möglichst ressourcenschonend realisiert:

* WLAN ist ein Kurzstrecken-Turbo
Betrachten wir doch mal die Anforderungen. Wo und wann habe ich große Datenmengen? Vielleicht ein Geschäftsreisender, der noch schnell eine umfangreiche Präsentation sich aus der Firma (oder per Mail) lädt und noch die letzten Änderungen einfügt. Oder sich für Vertragsverhandlungen noch schnell ein paar Prospekte oder Angebote besorgt. Wahrscheinlich befindet sich der „Datenreisende“ dabei gerade mit seinem Notebook an einem sog. Hot-Spot, z.B. in einem ausgerüsteten Café, am Flughafen (Business-Center, Flughafen-Lounge) oder im Büro. Also geht er über seine WLAN-Karte ins Internet, bezahlt ein paar Mark via Kreditkarte an den lokalen WLAN-Anbieter und lädt sich die benötigten Informationen. Dabei kommt es auch nicht unbedingt auf Zeitisochrone Datenpakete (wie bei Sprache) an, es reicht wenn die Daten z.B. nach 30 Sekunden auf dem Rechner sind.

* WLAN Handys
Doch, wie im Forum bereits bemerkt gibt es bereits die Handies. Aber warum soll man sich ein WLAN-Handy zulegen, wo man doch schon ein GSM-Handy hat, mit dem man an fast jedem Ort der Welt „bezahlbar“ telefonieren kann? Auch sind WLANs nun mal nicht auf Zeitisochrone Datenpakete ausgelegt, noch lassen sich Mindestbandbreiten reservieren. Solche Handies machen nur dann Sinn, wenn man in einem begrenzten, mit WLAN ausgerüsteten Bereich (z.B. Firmengelände) erreichbar sein will. Dann entfallen nämlich die Kosten für eine zusätzliche DECT-Versorgung

* WLAN unterstützt Telephonie nur mäßig
Ja, aber die Begründung ist falsch. Natürlich kann man mit Voice over IP (VoIP) mit einem H323 Gateway kommunizieren, aber selbstverständlich wird man nicht über ein beliebiges VoIP Gateway von einem Anbieter die es derzeit schon gibt gehen, sondern über den Anbieter, der auch WLAN-Access-Points betreibt. Mal vorausgesetzt daß die Access-Points richtig angebunden sind, gibt’s dann auch kein Problem das VoIP-Gateway im selben Netz zu erreichen. Aber wie schon beim vorigen Punkt erwähnt, warum soll man sich von seinem Handy trennen, wenn man damit praktisch überall erreichbar ist? Niemand wird sich auf die Visitenkarte neben der Handy-Nummer noch eine VoIP-Nummer o.ä. drucken, mit der er dann zusätzlich im HotSpot erreichbar ist. Eine sinnvolle Anwendung wäre hier vielleicht die Anbindung von (mobilen) Arbeitsplätzen. Der Mitarbeiter ist entweder in der Firma oder unterwegs per WLAN online und greift direkt auf das VoIP Gateway der Telefonanlage in der Firma zurück, und kann somit unter seiner Nebenstelle erreicht werden, egal wo er sich gerade befindet. Damit sind dann auch die Anlagenmerkmale wie Weiterverbinden oder CallCenter-Lösungen möglich (z.B. Siemens Hicom Allserve)

* Messaging-Empfangsbereitschaft kostet Geld
Warum das Rad neu erfinden? Warum empfange ich nicht wie jetzt schon Kurzmitteilungen per SMS? Meinetwegen auch noch per Pager in der Tiefgarage? Oder per „AlwaysOn-Internet“ via GPRS. Die Datenpakete bei Messaging-Anwendungen sind meist nur von kürzerer Natur (z.B. max 160 Zeichen bei SMS). Eine Benachrichtigung über Email via SMS und Pager ist schon länger Stand der Technik. Und wie oft ändert sich schon der Hotspot? Ich gehe mal davon aus, daß an einem Hotspot nur ein Anbieter seine Dienste offeriert, also z.B. eben noch am Flughafen und später im Cafe macht ein Umbuchversuch. Je nach Abrechnungsmodell gibt man dann halt noch seine Kredidkarteninformationen ein, damit der Betreiber auch was bekommt. Vielleicht werden sich WLAN-Hotspots aber auch selbst finanzieren. Beispielsweise bietet der Flughafenbetreiber oder das Cafe als zusätzlichen Service IP-Traffic kostenlos an, und generiert somit zusätzlichen Umsatz durch koffeinhaltige Getränke bzw. ein zusätzlichen Service für Wartende in der Flughafen-Lounge.

Das Problem besteht nur in der überzogenen Erwartungshaltung und das damit „verschenkte“ Geld, das in eine Technologie gesteckt wird, die am heutigen Bedarf vorbei geht. Ursprünglich wurde UMTS für die Zeitisochrone Übertragung von großen Datenmengen auf der Luft-Schnittstelle entwickelt. Ein typischer Anwendungsfall wäre eine Videokonferenz. Es fallen hohe Datenmengen an, die alle mit möglichst der selben, minimalen Zeitverzögerung vollständig beim Empfänger sein müssen, damit kein Ruckeln (durch verspätete Pakete) oder Verzögerungen entstehen und somit die Kommunikation erschwert bzw. unterbrochen wird. Videokonferenzen finden jedoch meistens an ruhenden Orten statt, aber in den seltensten Fällen ist eine breitbandige Anbindung mit garantierter Latenzzeit und Übertragungsrate an beiden Enden der Videokonferenz vorhanden. Genau die Lücke kann man mit UMTS schließen, daß dann auch im statischen Fall die Bandbreite bis theoretisch 2MBit/sec liefert. Wenn dann doch ein Teilnehmer mobil zugeschaltet ist (z.B. im Zug) sind die erwarteten 384kBit/sec immer noch genug.
Im Gegensatz dazu sind die derzeit (und wahrscheinlich in Zukunft) vom Anwender benötigten großvolumigen (Internet-)Dienste wie Email+Attachments, FTP, WWW usw. alle paketorientiert. Es kommt also nicht so sehr darauf an, welche Verzögerung die einzelnen Pakete (absolut+relativ) erfahren, da die Pakete beim Empfänger wieder bequem zusammengesetzt werden. Auch verlorengegangene Pakete können problemlos wieder angefordert werden. Dabei ist es primär unerheblich wie groß die zur Verfügung stehende Bandbreite ist, und ob sich die Bandbreite während der Übertragung ändert, es geht dann halt zwischendurch ein wenig langsamer. Genau das wäre aber bei einer Videokonferenz fatal, denn dann würde zuerst das Bild ausfallen und dann die Sprache stottern, wenn die Bandbreite zurückgeht.
Ganz anders sieht das wieder aus, wenn man sich einen Film „auf’s Handy“ laden möchte. Abgesehen davon, daß die Handybildschirme mir zu klein sind, würde ich mir beim Warten auf den Flieger lieber den Film auf dem Notebook anschauen – ich gehe mal nicht davon aus, daß jemand im Taxi auf dem Weg zum Flughafen sei Notebook auspackt und 10 Minuten Filme anschaut. Natürlich lässt sich so was über UMTS realisieren, aber ein paketorientierter WLAN-Dienst tut’s auch, und im Flughafen (=HotSpot) sollte man auch Empfang haben. Man muß halt nur die Daten entsprechend lange zwischenpuffern, um bei Bandbreitenschwankungen (z.B. Umbuchen zu einer anderen Zelle) genügend Reserven zu haben. Aber wahrscheinlich wird man während dem Film das Notebook nicht zwischen zwei Funkzellen hin- und hertragen, kann aber dafür bei gepufferten Daten bequem vor und zurückspulen oder den Film mal anhalten, wenn man zwischendrin einen Anruf bekommt.

Fazit:
Die entsprechenden Technologien sind bereits verfügbar und erprobt, es fehlt aber noch die intelligente Verknüpfung:

1) Telefonieren wie bisher mit dem Telefon. Ggf. kann man den Notebook (samt WLAN) auch zuhause lassen
2) Benachrichtigung über Emails via SMS und Pager (oder GPRS)
3) Abrufen der Emails (Subject + 5kB) über GSM-Data, HSCD oder GPRS.
4) Datentransfers (bzw. Email) im dringenden Fällen via HSCD oder GPRS (teuer)
5) Datentransfers (bzw. Email) via WLAN
6) Messaging über SMS, Pager oder GPRS, ansonsten über WLAN
7) Videokonferenzen über UMTS
8) VoIP in ausgewählten Situationen (Satellitenbüro)


Zu 3)
Selbst das POP3-Protokoll lässt es (bei entsprechender Programmierung) zu, daß nur die ersten meinetwegen 5 KB (oder nur das Subjekt) von jeder Nachricht geladen wird (Siehe Netscape Communicator). Braucht man dann noch den Rest der Mail, kann man entweder via Handy (teuer) oder WLAN (billiger, aber nicht immer verfügbar) den Rest downloaden.

Es kommt bestimmt auch niemand auf die Idee mit einem LKW seine Oma auf der großzügigen Ladefläche zum Bahnhof zu bringen (= Telefonieren im WLAN) und mit dem Sportwagen die 40t Kartoffelernte von München nach Hamburg zu fahren (=Abrufen von 10 Megabyte via GPRS). Ersteres ruckelt ein wenig, und der Oma kann schlecht werden. Letzteres wäre etwas teuer. Aber ob die Kartoffeln im LKW auf dem Weg nach Hamburg etwas durchgeschüttelt werden (oder einige verloren gehen), dafür aber preisgünstig transportiert sind wäre zu verschmerzen; ggf. können die fehlenden Kartoffeln mit der nächsten Ladung mitgeschickt werden. Und den Sprit um die Oma mit 200 Sachen zum nahegelegenen Bahnhof fahren, damit sie den Zug noch erwischt, kann man auch bei den heutigen Spritpreise finanziell verkraften.


Martin Schröder