Studie

Der Preis der Handy-Schnäppchen

Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in asiatischen Fabriken
Von Björn Brodersen

Über ein günstiges Handy-Schnäppchen freut sich normalerweise jeder. Die Kehrseite der Medaille sind jedoch die Arbeitsbedingungen der Handy-Hersteller. Die niederländische Organisation Stichting Onderzoeg Multinationale Ondernemingen (Somo) hat jetzt in einer groß angelegten Studie [Link entfernt] die tatsächlichen Bedingungen für die Arbeiter in Handy-Fabriken in China, Indien, Thailand und auf den Philippinen mit den eigenen Verpflichtungen der fünf größten Produzenten verglichen. In der Untersuchung, deren Ergebnisse jetzt in einer Zusammenfassung online zu lesen sind, kommen die Hersteller Nokia, Motorola, Samsung, Sony Ericsson und LG nicht gut weg. Den Autoren der Studie zufolge müssen die Angestellten einiger Zulieferer unter geradezu menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten.

Die Mängelliste reiche von fehlender Schutzkleidung und mangelnder Entlüftung für Arbeiter, die mit giftigen Substanzen hantieren, über exzessive Arbeitszeiten von bis zu zwölf Stunden pro Tag und fehlenden Pausen bis hin zu Dumping-Löhnen von umgerechnet 9 Cent pro Stunde. Als Negativbeispiele nannten die Studienautoren den chinesischen Zulieferer Hivac Startech, der für Motorola Acryl-Linsen für Handys produziert, chinesische Fabriken der Firma Giant Wireless, die ebenfalls für Motorola und - Angaben von Arbeitern zufolge wohl auch für Siemens - Einzelteile herstellen, und das thailändische Unternehmen Namiki und LTEC, mit denen Nokia zusammenarbeitet.

Hungerlöhne und Vergiftungserscheinungen

Zum Beispiel habe Giant Wireless in chinesischen den vorherigen Stundenlohn von 9 Cent erst nach Protesten erhöht. Im August dieses Jahres verdiente ein Angestellter dort nach Verrechnen der Überstunden durchschnittlich umgerechnet 33 Cent pro Stunde. Bei Hivac Startech hätten dagegen Arbeiter, die ohne ausreichende Schutzkleidung eine n-Hexan-haltige Lösung einsetzten, mit akuten Vergiftungssymptomen in eine Klinik eingeliefert werden müssen.

Die beschriebenen Fälle sollen keine Ausnahmeerscheinungen sein, sondern ein strukturelles Problem der gesamten Mobilfunkindustrie widerspiegeln, sagte der Co-Autor der Studie, Joseph Wilde, gegenüber der Berliner Zeitung. Durch den Preisdruck in der Branche und die daraus entstehenden "komplexen Lieferketten" hätten selbst Großunternehmen wie Nokia und Motorola den Überblick bei ihren Zulieferern längst verloren. Außerdem unternähmen die Handy-Hersteller zu wenig, um dafür zu sorgen, dass konzerneigene Arbeits- und Umwelt-Standards auch bei ihren Zulieferern eingehalten würden.

Nokia geht Vorwürfen nach

Gegenüber teltarif.de sagte Nokia-Unternehmenssprecherin Kristina Bohlmann, der Hersteller begrüße generell solche Studien, allerdings weise der Somo-Bericht Fehler auf. Nokia habe sich in dieser Woche mit den im Bericht genannten Unternehmen wie etwa Namiki und LTEC in Verbindung gesetzt, um die Vorwürfe zu überprüfen. Diese beiden Zulieferer hätten allerdings beispielsweise Beweise vorweisen können, dass die geforderten Mindeststandards eingehalten werden.

"Wir sind sehr bemüht, dass auch in den so genannten Emerging Markets gewisse Standards eingeführt werden. Bei uns wird der Code of Conduct sehr hoch aufgehängt, in dem jeder Mitarbeiter nicht nur auf Pflichten sondern auch auf seine Rechte hingewiesen wird", sagte Bohlmann. Alle Zulieferer von Nokia müssten einen 80 Punkte umfassenden Kriterienkatalog erfüllen.