Bundesverfassungsgericht

Karlsruhe setzt höhere Hürden für polizeilichen Zugriff auf Handys

Beschlagnahmung von Handy und Computer in Zukunft schwieriger
Von AFP / Thorsten Neuhetzki

Private E-Mails und Handy-Verbindungsdaten sind durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung besonders geschützt. In begründeten Fällen darf die Polizei aber dennoch solche Daten beschlagnahmen, heißt es in einem heute in Karlsruhe verkündeten Urteil des Bundesverfassungsgerichts (Az: zwei BvR 2099/04). Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) begrüßte die Entscheidung. Sie schaffe "Rechtssicherheit in einer für die Strafverfolgungsbehörden wesentlichen Frage", erklärte sie in Berlin. Zustimmung kam auch von FDP und Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Mit dem Urteil gab das Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde einer Richterin aus Heidelberg statt. Ihr war vorgeworfen worden, im Zusammenhang mit einem von ihr erlassenen Haftbefehl Dienstgeheimnisse an die Presse verraten zu haben. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung waren deshalb ihr Computer mitsamt den dort gespeicherten E-Mails sowie die Verbindungsnachweise ihres Handys beschlagnahmt worden waren.

In ihrer Verfassungsbeschwerde machte die Richterin geltend, die Polizei habe das Fernmeldegeheimnis verletzt. Im März 2005 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Beschlagnahme eines Handys und der dort gespeicherten Daten das Fernmeldegeheimnis zumindest "berührt". Die Beschlagnahme sei daher nur bei Ermittlungen zu "Straftaten von erheblicher Bedeutung" erlaubt. Nach dem Gesetz sind dies beispielsweise Hochverrat, Mord oder schwerer Raub.

BVG betont "besondere Schutzwürdigkeit" der Telekommunikationsdaten

Auch in seinem neuen Urteil betont das Bundesverfassungsgericht die "besondere Schutzwürdigkeit" der Telekommunikationsdaten, setzt die Schwelle allerdings tiefer an: Das Fernmeldegeheimnis schütze nur vor dem Zugriff während der technischen Übermittlung von Gesprächen und Daten. Es ende daher, sobald das Gespräch beendet oder eine elektronische Nachricht angekommen sei. Das Fernmeldegeheimnis werde aber durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gegebenenfalls auch den Schutz der Wohnung ergänzt, erklärten die Karlsruher Richter.

Im Ergebnis ist daher nach dem neuen Urteil die Beschlagnahme gespeicherter E-Mails und Verbindungsdaten auch schon bei weniger schweren Straftaten zulässig. Damit bleibe den Ermittlern "ein wichtiges Instrument der Strafverfolgung" erhalten, erklärte die Gewerkschaft der Polizei in Berlin. Das Bundesverfassungsgericht erklärte zur Begründung seiner neuen Rechtsprechung, dass eine Beschlagnahme im Gegensatz zu einer Telefonüberwachung nicht heimlich geschehe; die Betroffenen könnten sich daher bereits unmittelbar wehren.

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei bei einer solchen Beschlagnahme aber besonders zu beachten, betonten die Verfassungsrichter. Voraussetzung sei daher, dass der Zugriff in jedem konkreten Einzelfall in einem angemessenen Verhältnis zu dem bestehenden Verdacht stehe. Sie müssten für die Ermittlungen geeignet sein und auch einen ausreichenden Beweiserfolg versprechen, bertonte das Bundesverfassungsgericht. Der Umfang der beschlagnahmten Daten sei auf das Notwendige zu begrenzen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen, erklärte in Berlin, das Gericht stoppe damit die ständige Erweiterung staatlicher Eingriffsbefugnisse in die Bürgerrechte.

Im konkreten Fall waren die Voraussetzungen nach Überzeugung des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllt: Fast fünf Monate nach der mutmaßlichen Tat sei die Beschlagnahme des Computers nicht mehr besonders erfolgversprechend gewesen. Angesichts einer Vielzahl möglicher Informanten sei zudem der Tatverdacht nur "äußerst gering" gewesen.