Kurzgedichte

Lyrik braucht nur 160 Zeichen

Gedichte im SMS-Format erscheinen als Buch
Von Michael Hahn

"Spaß", "Liebe" und "Literatur" - dass SMS-Mitteilungen nicht nur zu Informationszwecken verschickt werden, ist längst klar. Welche Vielfalt allerdings täglich durch unsere Mobilfunknetze wandert, kann erahnen, wer einen Blick in die drei Neuerscheinungen des Uzzi-Verlages [Link entfernt] wirft. Die "Literatur auf kleinstem Raum" ist Ergebnis eines Wettbewerbes. Über 8 000 Beiträge gingen von Januar bis März diesen Jahres beim kleinen Düsseldorfer Verlag ein. Womit dieser unter Beweis gestellt hat: Lürik braucht nur 160 Zeichen.

Die Idee zum Wettbewerb hatte der Verlagsleiter selbst. Harald Müller (36) lebte in einer Fernbeziehung - per SMS blieb das Paar in Kontakt. "Da gab's immer Situationen, in denen es schwer war, emotionale Dinge so zu formulieren, dass sie auch ankommen." Und einmal beeindruckten ihn die Worte seiner Freundin derart, dass er sie einfach notieren musste - die Idee zum SMS-Buch war geboren. Der Schritt zum Wettbewerb war da eigentlich nur die logische Konsequenz. Müller wollte wissen, wer die Meister der SMS-Dichtkunst sind. Doch nicht jeder Teilnehmer kam mit dem begrenzten Platz zurecht: Einige Gedichte mutierten zum Fortsetzungsroman - keine Chance auf eine Platzierung. Andere Autoren griffen in die Trickkiste, um Zeichen zu sparen. Sie bauten Zahlen in ihre Texte ein: Aus "hart" wurde "h8" - und aus "meins" wurde "m1" - und schon war wertvoller Platz gewonnen. Kniffligste Kategorie war überraschenderweise der "Spaß". "Ich habe den Eindruck, dass es tatsächlich leichter ist, was besinnliches zu schreiben als was lustiges," sagt Müller. Weitere Erkenntnis: Klassisch-romantische Gedichte sind absolut im Trend.

Das SMS-Format ist offenbar für Gedichte bestens geeignet. Müller ist überzeugt: "Man konzentriert sich auf's Wesentliche - und das kann von Vorteil sein." Auch wenn man dann mal länger drüber nachdenken müsse. Den Verleger verblüfft, was mit wenigen Worten möglich ist. Sein persönlicher Favorit: Die Geschichte von Sascha Storz aus München. Hier spricht ein Sohn über seinen Vater - nur scheinbar schlichter Stoff. "Da steckt so viel drin," schwärmt Müller, "das braucht kein Zeichen mehr!" Und auch die dreiköpfige Jury war überzeugt. Erster Platz in der Kategorie "Literatur". Die Gedichte aller Preisträger sind im Internet veröffentlicht.

Am 1. Januar 2002 soll die zweite Runde starten. Die Themen will er noch nicht verraten, doch Müller hofft, dieses Mal mehr Preisgeld vergeben zu können. Magere 480 Mark gab es bei der ersten Auflage für die drei Sieger - Müller sucht nach Sponsoren. Doch einige Internet-Firmen hat er schon abblitzen lassen. Der Grund: Alle wollten Adressen und Telefonnummern der Teilnehmer für Werbezwecke nutzen und auch weitergeben. Doch das war mit Müller nicht zu machen - das ist vorbildlich. Und leider selten.