Luxus?

Ist das Handy ein Luxus-Gut?

Sozialamt lässt Handys von Asylbewerbern polizeilich beschlagnahmen
Von Frank Rebenstock

Ungeachtet der gesunkenen Geräte- und Verbindungspreise, günstiger Pre-Paid-Angebote bis hin zur Gratisabgabe mit grundgebührenfreien Verträgen, hält sich in mancher Berliner Amtsstube die Vorstellung, Mobiltelefonie sei ein unerhörtes Luxusgut. Im Sozialamt des Bezirks Wedding macht man mit solcher Haltung Politik gegen Asylbewerber: Wehe dem "Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylBLG)", dessen Handy klingelt, wenn gerade eine Amtsperson in der Nähe ist. Es dauert dann nicht lange, und die ins Haus gerufene Polizei beschlagnahmt das "wertvolle" Stück.

Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen ist Paragraph 7a des AsylBLG, wonach Vermögen vorrangig zur Deckung des Lebensunterhaltes eingesetzt werden muss. Im Gesetz ist hierbei auch die Ausübung von obrigkeitlichem Zwang vorgesehen. Ein volljähriger Leistungsempfänger nach AsylBLG erhält jedoch neben einer Chipkarte zum Einkauf von Lebensmitteln mit einem Betrag von monatlich 310 bis 360 Mark auch ein "Taschengeld" von 80 Mark in Bar. Hiervon lässt sich durchaus ein billiges Handy erwerben und bei sparsamer Verwendung sind da auch die Gesprächskosten drin. Zum Vergleich: Ein bundesdeutscher Sozialhilfeempfänger bekommt derzeit monatlich 547 Mark ausgezahlt, wahlweise bar oder per Überweisung. Niemand käme hier auf die Idee, ein Handy zu beschlagnahmen. Vorausgesetzt natürlich, es liegen sonst keine Hinweise vor, die auf betrügerisches Verhalten schließen lassen könnten.

Die im Wedding eingezogenen Mobiltelefone werden vorerst bei der Polizei im Panzerschrank gelagert. Bei beschlagnahmten Autos gibt es ein geordnetes Verfahren, sie werden baldmöglichst von Amts wegen zur Versteigerung gebracht. Im Umgang mit den Mobiltelefonen offenbaren die Zuständigen im Weddinger Sozialamt jedoch Ahnungslosigkeit: Eine Versteigerung "unter Wert" würde im Zweifelsfalle statt Einnahmen die Bezirkskasse mit den Kosten des Auktionators belasten. Also geschieht derzeit noch nichts, jedoch auch nichts seitens der Betroffenen: Gegen die Bescheide über die Beschlagnahme wurde noch in keinem Fall Widerspruch eingelegt.

Im Zusammenhang mit der Fusion der Berliner Bezirke bleibt zu hoffen, dass sich Wedding der liberaleren Haltung der beiden anderen Fusionsbezirke Tiergarten und Mitte anschließt. In Mitte beispielsweise sieht man im Besitz eines Handys bei einem Asylbewerber keinen Anhaltspunkt für unzulässiges Vermögen. Es wird, so wurde uns auf Nachfrage bestätigt, sogar erwogen, die beschlagnahmten Handys ihren Eigentümern zurückzugeben.