Neues Gesetz zur WLAN-Störerhaftung ist unausgegoren
Gutachten: Provider können durch neues Gesetz zu Störerhaftung verunsichert werden
Bild: dpa
Die Bundesregierung möchte die umstrittenen Vorgaben im Telemediengesetz zur WLAN-Störerhaftung ändern und hat dazu bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser wird natürlich nicht nur von den Verbrauchern, sondern auch von der Industrie und den WLAN-Hotspot-Anbietern kritisch beäugt. Der Branchenverband eco hat heute ein Gutachten vorgelegt und kommt dabei zu einem durchwachsenen Ergebnis.
Der eco begrüßt grundsätzlich, dass sich die Regierungskoalition mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (2. TMGÄndG) des Problems annimmt, "umstrittene Haftungsfragen im Zusammenhang mit Anbietern von WLAN-Netzen gesetzlich zu regeln". Dies sei zu begrüßen, doch die Vorschriften hierzu seien teilweise noch "unausgegoren". Das heute vorgestellte Gutachten [Link entfernt] wurde von den Medienrechtsexperten Dr. Dieter Frey, Dr. Matthias Rudolph sowie Dr. Jan Oster angefertigt.
Zu was darf ein Host-Provider gesetzlich verpflichtet werden?
Gutachten: Provider können durch neues Gesetz zu Störerhaftung verunsichert werden
Bild: dpa
Wie andere Beobachter hat auch der eco in seinem Gutachten die geplante Neuregelung mit den geltenden EU-Vorschriften abgeglichen und kommt zu dem Ergebnis, dass die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Neuregelung gleich aufgrund mehrerer Gesichtspunkte gegen die EU-rechtlichen Vorgaben verstößt.
Obwohl der Gesetzentwurf einerseits Erleichterungen und Klarstellungen für die Betreiber von WLAN-Netzen schafft, also beispielsweise für Café-Besitzer, sieht das eco-Gutachten ein großes Problem wegen einer weiteren Vorschrift, die "im Windschatten von 'offenem WLAN' und von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet Gesetz werden soll": Die Verschärfung der Host-Providerhaftung.
Ein Host-Provider ist ein Diensteanbieter, der im Internet fremde Informationen speichert, der eco nennt als Beispiel klassische Web-Hoster wie Strato, die Web-Speicherplatz anbieten, aber auch Plattformen wie YouTube oder Dropbox, auf denen die Kunden Bilder, Videos oder Musik hochladen können. Momentan ist der Host-Provider rechtlich dazu verpflichtet, rechtswidrige Inhalte sofort von den Servern zu löschen, wenn er Kenntnis davon erlangt hat, andernfalls haftet er. Er ist aber momentan nicht verpflichtet, vorab sämtliche Inhalte zu kontrollieren, die sich auf den Servern befinden. Der eco rechnet vor, dass bei YouTube, wo im Dezember 2014 im Durchschnitt 300 Stunden Videomaterial pro Minute hochgeladen wurden, aufgrund der Datenmenge keine umfassenden Kontrollen mehr möglich sind.
Der Gesetzentwurf will nun dieses Haftungsgefüge umdrehen: Der Host-Provider soll haften, wenn es sich bei seinem Angebot um einen "gefahrgeneigten Dienst" handelt. Ein solcher "gefahrgeneigter Dienst soll laut dem Entwurf beispielsweise vorliegen, wenn "die Speicherung oder Verwendung der weit überwiegenden Zahl der gespeicherten Informationen rechtswidrig erfolgt." Wenn jemand YouTube beschuldigen würde, überwiegend rechtswidrige Inhalte zu speichern, müsste YouTube dann von sich aus das Gegenteil beweisen. Bei den Providern und Diensteanbietern würde laut dem eco eine "erhebliche Rechtsunsicherheit" entstehen.
Steckt die Musik- und Filmindustrie hiner dem Entwurf?
Der Verband konstatiert, dass das neue Gesetz nicht die "schwarzen Schafe" der Branche treffe, sondern ausschließlich seriöse Anbieter. Etablierte Geschäftsmodelle würden so kriminalisiert "und einem untragbaren Haftungsrisiko ausgesetzt." Unseriöse Anbieter seien schon jetzt kaum in Deutschland oder in der EU ansässig. In der deutschen Internet-Branche sei ein "systematisches und rechtliches Chaos" zu befürchten - und viele eigentlich seriöse Anbieter würden wohl ins Ausland abwandern.
Einen weiteren Seitenhieb kann sich der Verband nicht verkneifen: Die europäische Regelung würde von "rechtswidrigen Inhalten" sprechen, die gelöscht werden sollen. Der neue deutsche Entwurf konzentriere sich nach Wortlaut und Begründung aber sehr auf das Urheberrecht. Hier würde sich "der Verdacht der Klientelpolitik" aufdrängen.