Fernsehen

Medientage: Eigene EU-Plattform gegen Netflix und Co.

Am Sonntag ist Euro­pawahl, aber so etwas wie eine euro­päische vernetzte Öffent­lich­keit gibt es nicht. Die könnte aber eine Medi­enplatt­form schaffen, die auch als Ge­gengewicht zu den ameri­kani­schen Digi­talkon­zernen wie Netflix die Inhalte euro­päischer Medi­enhäuser bündelt.
Von den Medientagen Mitteldeutschland berichtet Marc Hankmann

WDR-Intendant Tom Buhrow (2.v.r.) will nicht den kommerziell ausgerichteten Algorithmen der amerikanisch gesteuerten Plattformen ausgeliefert sein WDR-Intendant Tom Buhrow (2.v.r.) will nicht den kommerziell ausgerichteten Algorithmen der amerikanisch gesteuerten Plattformen ausgeliefert sein
Medientage Mitteldeutschland
Die Moti­vation hinter dieser Idee macht Tom Buhrow für den öffent­lich-recht­lichen Rund­funk deut­lich: „Wir wollen nicht den kommer­ziell ausge­rich­teten Algo­rithmen der ameri­kanisch gesteu­erten Platt­formen ausge­liefert sein“, sagte der WDR-Inten­dant auf den Medi­entagen Mittel­deutsch­land in Leipzig. Eine EU-weite Medi­enplatt­form sei jedoch viel größer als der öffent­lich-recht­liche Rund­funk, so Buhrow weiter. „Es ist ein gesell­schaft­liches Projekt, das alle öffent­lichen Insti­tutionen und alle Quali­täts­medien umfasst.“ Wobei natür­lich die Frage ist, was unter Quali­täts­medien fällt und was nicht.

Ihren Ursprung könnte die EU-Medi­enplatt­form im "Aachener Vertrag" zwischen Deutsch­land und Frank­reich haben, in dem explizit eine digi­tale Platt­form sowie ein gemein­samer Kultur- und Medi­enraum gefor­dert werden. „Das könnte die Basis zur Entwick­lung einer euro­päischen Medi­enplatt­form sein, an der andere ando­cken könnten“, erklärte Johannes Selle. Der CDU-Poli­tiker ist im Ausschuss für Kultur und Medien des Deut­schen Bundes­tags tätig. Erste Gespräche unter Feder­führung des Staats­minis­teriums für Kultur und Medien liefen laut Selle bereits.

Inves­titionen sind nötig

WDR-Intendant Tom Buhrow (2.v.r.) will nicht den kommerziell ausgerichteten Algorithmen der amerikanisch gesteuerten Plattformen ausgeliefert sein WDR-Intendant Tom Buhrow (2.v.r.) will nicht den kommerziell ausgerichteten Algorithmen der amerikanisch gesteuerten Plattformen ausgeliefert sein
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Er machte auf den Medi­entagen jedoch auch deut­lich, dass man für eine solche Platt­form auch in Soft- und Hard­ware inves­tieren müsse, um nicht wieder von den Ameri­kanern abhängig zu sein. „Ich würde jedoch in Frage stellen, ob der tech­nolo­gische Vorsprung der USA einge­holt werden kann“, gab Professor Dr. Chris­toph Neuberger vom Institut für Kommu­nika­tions­wissen­schaft und Medi­enfor­schung der Ludwig-Maxi­milians-Univer­sität München zu bedenken.

Auch Rainer Robra, Chef der Staats­kanzlei Sachsen-Anhalt, äußerte Bedenken. „Face­book ist von unten gewachsen“, sagte Robra in Leipzig. „Es ist die Frage, ob so etwas auch von oben quasi diktiert werden kann.“

Kultur­kanal arte als Vorbild

Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, schlug vor, Bußgelder, die Google an die EU zahle, für den Aufbau einer eigenen Medienplattform zu verwenden Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, schlug vor, Bußgelder, die Google an die EU zahle, für den Aufbau einer eigenen Medienplattform zu verwenden
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Trotz der Bedenken stand für alle Disku­tanten auf den Medi­entagen Mittel­deutsch­land fest, dass es einer mode­rierten Medi­enplatt­form für den Diskurs euro­päischer Themen bedarf. „Das Geld ist in der EU da“, sagte Robra. Er regte zudem an, die Bußgelder, die zum Beispiel Google an die EU zahlen muss, für den Aufbau einer EU-Medi­enplatt­form zu verwenden. „Die bisher genannten Summen reichen nicht aus, um eine solche Platt­form zu finan­zieren“, ergänzte CDU-Poli­tiker Selle.

In diesem Zusam­menhang verwies die Gene­ralse­kretärin und Beauf­tragte für die euro­päische Entwick­lung des TV-Senders arte, Marysa­belle Cote, auf das Subsi­diari­täts­prinzip, das beim Kultur­kanal prak­tiziert wird. So wird etwa die Infra­struktur durch die EU kofi­nanziert. Ohnehin scheint das Konzept hinter arte näher an einer EU-Medi­enplatt­form zu sein als jede Absichts­erklä­rung, denn längst bietet der Sender in seiner Media­thek Inhalte in sechs verschie­denen Spra­chen an. „Ein Beitrag über Mehr­genera­tionen-Wohnen aus den Nieder­landen wurde zum Beispiel in Polen oft abge­rufen“, erzählte Cote in Leipzig, „weil dort genau das gleiche Thema disku­tiert wird.“ So schafft arte das, was die EU-Medi­enplatt­form etablieren soll: eine euro­päische Öffent­lich­keit – ohne ameri­kani­schen Einfluss.

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