Uneinigkeit

Justizministerium: Vorratsdatenspeicherung ist grundrechtswidrig

Keine Umsetzung der EU-Richtlinie wegen Streit in der Koalition
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Petitionsausschuss des Bundestages Petitionsausschuss des Bundestages
Bild: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann
Das Bundes­justiz­ministerium (BMJ) hält die Vorrats­daten­speicher­ung für grund­rechts­widrig. Dies bestätigte ein Staats­sekretär während einer Sitzung des Petitions­aus­schusses. Die ent­sprechende EU-Richtlinie wird also weiterhin nicht Gesetz in Deutschland.

Die Bestätigung für diese Einschätzung teilte der Parlamentarische Staatssekretär Max Stadler (FDP) während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses unter Vorsitz von Kersten Steinke (Die Linke) mit. "Genauso wie die Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bin auch ich persönlich der Meinung, dass eine Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig ist", sagte Stadler. Das BMJ habe bereits ein "grundrechtsschonenderes Verfahren" vorgeschlagen.

Das Problem: Der "Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung" sei in dieser Frage noch nicht abgeschlossen. Davon profitieren die Bürger erst einmal: Denn solange sich die Bundesregierung nicht auf einen einheitlichen, grundrechtskonformen Gesetzesentwurf einigen können, kann die EU-Richtlinie nicht umgesetzt werden. Gerade aus dem Bundesinnenministeriums (BMI) gebe es eine ganze Reihe von Belegen im Bereich der Internetkriminalität und der Kinderpornografie dafür, dass Ermittlungen ins Leere gingen, weil die Provider die Internetadressen nicht mehr speichern würden. Trotzdem musste ein Vertreter des BMI während der Sitzung einräumen: "Es gibt keinen im engeren Sinne wissenschaftlichen Beleg für die Erforderlichkeit."

Erfolgreiche Petition: 65 656 Unterzeichner

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Bild: Deutscher Bundestag / Simone M. Neumann
Der Diskussion im Petitions­aus­schuss voraus­gegangen war eine beispiel­lose Mobilisierung der Bürger, die zur "erfolgreichsten" Petition an den Ausschuss geführt hat, wenn man die Anzahl der Unterzeichner als Kriterium betrachtet: Die von Kai-Uwe Steffens aus Winsen in Nieder­sachsen im Jahr 2011 gestartete Petition hatte insgesamt 65 656 Unter­stützer gefunden. Noch nie hatten so viele Personen eine Petition unterzeichnet.

In der Petition haben sich die Unterzeichner nicht nur gegen die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen, sondern zugleich die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine Aufhebung der Richtlinie und für ein europaweites Verbot der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen. Im Übrigen wird noch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) erwartet, ob die Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Sollte es eine Bestätigung der Richtlinie geben, sollte Deutschland nach der Auffassung von Kai-Uwe Steffens mit Verweis auf seine nationalen Besonderheiten eine Umsetzung ablehnen. Denn einen starken Eingriff in die Grundrechte hatte bereits das Bundesverfassungsgericht verworfen.

Weitere Vertreter anderer Parteien nahmen zum Thema Stellung: "Auch für uns ist die Frage 'Vorratsdatenspeicherung ja oder nein' die zentrale Bürgerrechtsfrage, vielleicht vergleichbar mit der Volkszählung", äußerte Konstantin von Notz, innen- und netzpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion. Jimmy Schulz (FDP) gab zu bedenken: "Für Schwerstkriminelle wäre es relativ einfach, eine Vorratsdatenspeicherung zu umgehen."

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