Ministerin Lambrecht will Vertragslaufzeiten begrenzen
Die Justiz- und Verbraucherministerin Christine Lambrecht plant ein Gesetz gegen Kostenfallen.
Fotos: Deutscher Bundestag-Achim Melde/Kautz15 - fotolia.com/teltarif.de, Montage: teltarif.de
Wer heute einen Mobilfunkvertrag abschließt, bindet sich für zwei Jahre (24 Monate) an seinen Anbieter und muss jeden Monat seine Grundgebühr und weitere aus dem Vertrag entstandene Kosten begleichen - ob man will oder nicht. Wer die Kündigungsfrist seines Vertrages "verschläft", üblicherweise drei Monate vor dem Ende der ersten 24 Monate, verlängert - ob er will oder nicht - um ein weiteres Jahr, wiederum mit 3 Monaten Vorlaufzeit.
Verträge bewusst abschließen
Die Justiz- und Verbraucherministerin Christine Lambrecht plant ein Gesetz gegen Kostenfallen.
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Wer nach ausführlichen Recherchen, beispielsweise mit dem Handytarif-Vergleich auf teltarif.de, bei vollem Bewusstsein im Laden seinen Vertrag unterschreibt oder im Internet bestellt, sollte damit eigentlich noch klar kommen. Viele Leute fühlen sich aber im Nachhinein "über den Tisch gezogen". Die Politik diskutiert schon länger, die Fristen zu verkürzen. Dabei soll es nicht nur um Handyverträge, Fitness-Studios oder Strom und andere längeren Abonnements gehen.
Weniger Kostenfallen
Offiziell sollen die Verbraucher in Zukunft viel einfacher aus möglichen Kostenfallen wieder herauskommen können. Dazu will das zuständige Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz die Mindestlaufzeit von Mobilfunk- und ähnlichen Verträgen kürzer befristen.
In dem geplanten "Gesetz gegen Kostenfallen" soll die Frist für Mobilfunkverträge von bisher 24 Monate auf ein Jahr reduziert werden. Wer seine fristgerechte Kündigung verpassen sollte, würde seinen Vertrag "automatisch" nur noch um drei Monate statt - wie derzeit - um ein Jahr verlängern.
Ministerin Christine Lambrecht (SPD) findet lange Vertragslaufzeiten und in den AGB versteckte automatische Ein-Jahres-Verlängerungen als "ärgerlich und teuer." Über solche Klauseln würden die Unternehmen ihre Kunden oft unbemerkt binden und an einem Wechsel zu günstigeren und attraktiveren Angeboten hindern. Mit dem Gesetz solle die Wahlfreiheit der Kunden gestärkt werden. Die Ministerin kritisierte gegenüber einer großen Boulevard-Zeitung "betrügerische Geschäftsmodelle, undurchsichtige Vertragsstrukturen und kalkulierte Kostenfallen", die immer noch an der Tagesordnung seien.
Nicht nur Mobilfunk betroffen
Neben dem Mobilfunk soll es Verträge betreffen, die "regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen" betreffen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nur noch Vertragslaufzeiten von bis zu einem Jahr angeboten werden dürfen.
Ähnliche Ideen hatte schon Lambrechts Vorgängerin Katarina Barley (SPD). Sie wollte ebenfalls die Befristung von Verträgen, härtere Regeln für Telefonwerbung, und die vereinfachte Durchsetzung von Verbraucheransprüchen, sowie eine angepasste Mängelhaftung beim Kauf gebrauchter Waren und die Senkung von Inkassokosten einführen.
Nach Angaben des Ministeriums sind bis auf die Regelung der Inkassokosten all diese Eckpunkte inzwischen in den Gesetzentwurf eingeflossen. Bei den Inkassokosten müsse noch nachgearbeitet werden, sagte ein Sprecher dazu.
Risiko Preissteigerung?
Das geplante Gesetz würde das Geschäftsmodell der Branche ziemlich auf dem Kopf stellen. Mit den aktuell 24 Monaten Mindestlaufzeit kann der Anbieter mit zuverlässigen Einnahmen rechnen. Bei kürzeren Laufzeiten besteht die "Gefahr", dass die Verbraucher wesentlich öfter den Anbieter wechseln, sobald sie irgendwo ein vermeintlich oder tatsächlich günstigeres Angebot finden. Kritiker des Gesetzes befürchten deshalb Preiserhöhungen. Doch genau diesen Preiserhöhungen könnten die Kunden durch kürzere Kündigungsfristen geschickt ausweichen. Nicht von ungefähr setzen rund 50 Prozent des Marktes auf echte Prepaid-Angebote, wo schon heute kurzfristig (z.B. durch Nichtaufladung) ein Vertrag "beendet" oder "kostenfrei" gestellt werden kann.
Problemfall Fachhandel
Der Fachhandel mit Ladengeschäft oder im Internet erhält bei Vertragsabschluss vom Mobilfunkanbieter eine Provision, die bei kürzeren Laufzeiten wahrscheinlich geringer ausfallen dürfte. Viele Händler sehen ihre Existenz gefährdet.
Fachhändler haben es heute schon schwer, da sie sich als Puffer zwischen Verbrauchern und Anbietern fühlen und beispielsweise in Ballungszentren absurd hohe Ladenmieten zahlen und damit ein Haufen Kosten und wenig Einnahmen haben. Das führt zu einem extremen Druck auf das Personal in den Geschäften oder am Telefon, den Kunden unbedingt zu irgendwelchen Vertragsabschlüssen zu bewegen.
Aber genau dadurch entstand ja der wesentliche Grund für das Gesetz, weil sich betroffene Kunden lautstark bei Verbraucherschützern und der Politik beklagten.
Mehr Kundenorientierung?
Eine mögliche Lösung könnten "fairere" Geschäftsmodelle sein, die den Kunden (und den Händler) "belohnen": Je länger der Kunde beim gleichen Anbieter bleibt, desto günstiger kann es werden, ähnlich des steigenden Schadenfreiheitsrabatts bei der Autoversicherung.
Und mal ehrlich: Wer schon einmal den Anbieter gewechselt hat, weil das neue Angebot "günstiger" erschien, erinnert sich mit Grausen an die "Zitterpartie", ob der Wechsel mit Mitnahme der alten Rufnummer reibungslos funktioniert hat. Oder wurde eine neue Rufnummer gewählt, mit der Folge, dass wichtige Kontakte erst aufwendig über die neue Nummer informiert werden mussten und ausgerechnet Erbtante Auguste vergessen wurde?
Wann kommt das Gesetz?
Ein Sprecher des Justiz- und Verbraucherschutz-Ministeriums erklärte heute Morgen gegenüber teltarif, dass der Gesetzesentwurf gestern an die anderen Ministerien zu Abstimmung verschickt wurde. Sofern es dort keine größeren Einwände geben sollte, ist für den Herbst ein Kabinettsbeschluss vorgesehen, danach könnte das Gesetz in den Bundestag gehen und (frühestens) im Frühjahr/Sommer 2020 in Kraft treten. Es gilt dann zunächst nur für neue, d.h. nach dem Inkrafttreten abgeschlossene Verträge. Es bleibt den Anbietern natürlich freigestellt, auch bei Altverträgen die neuen kürzeren Fristen anzuerkennen.
Für die Branche sollte klar sein: Mehr Transparenz, mehr Kundenorientierung kann sich lohnen. Für den Kunden ist klar: Ich kann früher wechseln, wenn es mir zu bunt wird, muss es aber nicht, wenn mich mein Anbieter zufrieden stellt.
Was die Branche zu diesem Vorschlag der Ministerin sagt und wieso es für Verbraucher dadurch sogar teurer werden könnte, lesen Sie in einem weiteren Artikel.