Telekom-Chef Höttges sieht wenig Vorteile im echten Glasfaser-Netz
Eine Telekom-Mitarbeiterin hört dem Vortrag ihres Chefs Tim Höttges zu
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Es ist mehr als eine Einstellungsfrage, es ist schon fast ein Glaubenskrieg zwischen zwei Netztechnologien,
die auf den ersten Blick ähnlich scheinen, aber dennoch zwei komplett unterschiedliche Ausrichtungen haben:
Wird das schnelle Internet in Deutschland über VDSL und VDSL Vectoring realisiert oder baut man direkt
echte Glasfasernetze (FTTH/FTTB)? Telekom-Chef Tim Höttges hat dazu eine konkrete Vorstellung, und die heißt Vectoring.
Anders sehen das viele alternative Netzbetreiber, die am liebsten sofort das ganze Land mit Glasfaserleitungen
bis zum Haus und ins Büro versorgen wollen. Sie sehen sich durch ein mögliches VDSL-Monopol im
Nahbereich der Vermittlungsstellen bedroht und halten Vectoring für eine
Brückentechnologie, während die Telekom mittelfristig ebenfalls
1-GBit/s-Leitungen verspricht - über die vorhandene Kupferleitung.
Eine Telekom-Mitarbeiterin hört dem Vortrag ihres Chefs Tim Höttges zu
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Vor Journalisten und dem Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff, versprach Höttges in dieser Woche in Magdeburg, dass 100 MBit/s per Vectoring nur der erste Schritt sei. Schon bald ermögliche die Technik 250 MBit/s im Downstream und mit dem nächsten technischen Schritt G.fast komme man noch einen Schritt näher zum Kunden mit der Glasfaserleitung und könne 500 MBit/s liefern. Kommt dann noch Bonding zum Einsatz, so werde auch die Telekom 1 GBit/s erreichen, ohne Glasfaser bis ins Haus zu verlegen. "Wieso ist das eine schlechte Technologie?", fragte Höttges in die Runde. In Sachsen-Anhalt will die Telekom 95 Prozent aller Kunden bis Ende 2018 erreichen.
Höttges: "Glasfaser muss durch jedes Rosenbeet"
Höttges gab auch zu bedenken, dass sie bei FTTH "durch jedes Rosenbeet" graben müsse. Das dauere lange. "Wir gehen mit VDSL Vectoring jetzt erst einmal in die Straßen der Kunden." Für VDSL Vectoring will die Telekom im ländlichen Bereich auch auf eine neue Technologie bei den Kabelverzweigern (Kvz) setzen. Hier muss der Kasten am Straßenrand zwar weiterhin mit einem Glasfaserkabel und Strom versorgt werden, doch er muss nicht mehr ausgetauscht werden, was Kosten und Genehmigungsverfahren spart (wir berichteten).
Alternativanbieter wollen Filetstücke nicht hergeben
Tim Höttges
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Ganz anders sehen das die alternativen Netzbetreiber, die in den Ausbau echter Glasfasernetze
investieren. Ein Teil dieser Anbieter traf sich ebenfalls in dieser Woche in Berlin auf der Jahrestagung
des Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko). Die Tagung stand sehr unter
dem Eindruck des Entwurfs der Regulierungsentscheidung der Bundesnetzagentur vom Montag.
Er ermöglicht der Telekom, noch mehr Vectoring einzusetzen als bisher - und zwar in den Bereichen, die als die Filetstücke gelten. Es geht dabei um einen Bereich direkt um die 7904 Vermittlungsstellen (auch Hvt) in Deutschland. Hier würden die Alternativanbieter gerne direkt echtes Glasfaser bis zum Kunden ausbauen, sehen diese Investments jetzt aber gefährdet.
Weiterer Preisverfall befürchtet
Der Entwurf lässt zwar regulatorisch den Ausbau echter Glasfasernetze durch Alternativanbieter weiterhin zu, auch wenn die Telekom VDSL Vectoring ausbaut und hier exklusive Ausbaurechte hat, doch sehen die Netzbetreiber die Gefahr, dass sich der Ausbau nicht mehr rechnet. "Wir gehen davon aus, dass die Telekom für ihre Vectoring-Angebote die Tarife senken wird, um den Kabelnetzbetreibern Marktanteile abzunehmen", sagte der Geschäftsführer der htp, Karsten Schmidt, in einem Gespräch mit Journalisten. Das wiederum reduziere die Möglichkeiten von FTTB/FTTH-Anbietern, für höhere Datenraten mehr Geld zu verlangen, wenn die Kunden über die Telekom schon 100 MBit/s im Downstream für 30 bis 40 Euro monatlich bekommen. Ohne die zahlreichen Kunden in den dicht besiedelten Hvt-Nahbereichen wiederum könne aber auch eine Mischkalkulation für den Glasfaserausbau in weniger attraktiven Gebieten nicht aufgehen.
Dennoch appellierten die Netzbetreiber, dass Glasfasernetze wichtig sind für die Zukunft der Netze. Zwar sei auch mit anderen Technologien ein hoher Downstream möglich, doch der Upstream sei oftmals niedrig. Nur mit echten Glasfaserleitungen seien langfristig hohe symmetrische Datenraten möglich. Nachhaltige Leitungen und Technologien seien wichtig für Deutschland, sagt auch Franz Reinhard Habbel, Sprecher für politische Grundsatzfragen beim Deutschen Städte- und Gemeindebund.
Forderungen, kein neues Monopol zuzulassen
Zahlreiche Breko-Mitglieder setzen auf die Glasfaserleitungen
Foto: teltarif.de / Thorsten Neuhetzki
Auch Karl-Heinz Neumann, langjähriger
Direktor und Geschäftsführer der WIK GmbH und Geschäftsführer der WIK-Consult GmbH und heutiger
stellvertretender Vorsitzender des Breko-Beirates, sieht den Entwurf der Bundesnetzagentur kritisch. Man könne nicht fünf Millionen Haushalte
in ein neues VDSL-Monopol überführen, um eine Million Haushalte mit schnellem Internet versorgen zu
können. Der Antrag der Telekom hätte abgelehnt werden müssen und für die
im Nahbereich unterversorgten Haushalte hätte eine andere Lösung gefunden werden müssen. Zuvor hatte
schon EU-Kommissar Günther Oettinger in einem Grußwort davon gesprochen, dass niemand neue Monopole wolle.
htp-Chef Karsten Schmidt gab darüber hinaus zu bedenken, dass die Wettbewerber einen Teil ihrer VDSL-Kunden, die sie aus dem Hvt heraus versorgen, dem Entwurf zufolge abgeben müssten. "Man entzieht uns damit nicht nur Cashflow, weil wir statt der TAL ein deutlich teureres Bitstream-Produkt einkaufen müssten." Er bezeichnete den Vorgang darüber hinaus als Enteignung.
Die Wettbewerber der Telekom wollen übrigens dennoch nicht den Kopf in den Sand stecken. Sie haben Investments von mehr als 2,3 Milliarden Euro angekündigt, um der Telekom den Nahbereich für VDSL Vectoring nicht kampflos zu überlassen und auch um Glasfasernetze zu bauen.