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Netzausbau: Französisches Modell in Deutschland nicht möglich?

Die von den Netzbetreibern favorisierte französische Lösung könnte aus juristischen Gründen in Deutschland nicht möglich sein.
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Rund 300 Gäste bei der Feierstunde des VATM Rund 300 Gäste bei der Feierstunde des VATM
Foto: VATM
Unterschiedliche Standpunkte vertraten Vertreter von Politik und Regulierung bei der Feierstunde des VATM gegenüber den VATM-Mitgliedern und Netzbetreibern zur künftigen 5G-Frequenzvergabe und Regulierung

Koalition: 5G Auktion auf den Weg bringen

Der digitalpolitische Sprecher der CDU, Thomas Jarzombek (MdB), kündigte beim VATM in Berlin an, dass die 5G-Auktion im Mai auf den Weg gebracht werde. Ein Förderprogramm für den Ausbau mit einem Volumen von 10 Milliarden Euro sei ebenfalls in Vorbereitung. Man wolle Gas geben und eine neue Fördersystematik anwenden. Jarzombek kritisierte, dass der scheidende Staatssekretär Machnig bis zuletzt noch ablehnende Briefe geschrieben habe.

Für seinen SPD-Kollegen Jens Zimmermann MdB (SPD) sei der Ausbau ein Marathon, es gehe um die bestmögliche Zeit. Das Volumen von 10 bis 12 Milliarden Euro, sei nicht alleine eine Frage des öffentlichen Geldes, denn in der letzten Legislaturperiode seien von den 4 Milliarden nur etwa 100 Millionen abgerufen worden. Rund 300 Gäste bei der Feierstunde des VATM Rund 300 Gäste bei der Feierstunde des VATM
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Homann: Weniger Regulierung, mehr Schiedsrichter

Für den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, sei der größte Erfolg der Liberalisierung „die Firmen, die hier sitzen“. Homann könnte sich vorstellen, sich aus der Regulierung der Glasfaser in Zukunft etwas zurückzuziehen und eine reine Schiedsrichter-Funktion einzunehmen. Die Idee könnte ein Katalog zu kommerziellen Bedingungen für Glasfaser sein. Regulierungsferien – so Homann – seien auch für die Telekom nicht ideal, denn „irgendwann sind die Ferien rum“.

Auf die Forderung nach einem möglichst unbehinderten Zugang für MVNOs und Serviceprovider zu den 5G-Netzen antwortete Homann, er könne sich durchaus „Service-Provider“ für Fest- und Funknetze vorstellen. Die Teilnehmer der Diskussionsrunde von links: Martin Witt (1&1,VATM), Iris Plöger (BDI), Jochen Homann (BNetzA), Hannes Ametsreiter (Vodafone), Thomas Jarzombek (MdB,CDU), Jens Zimmermann (MdB,SPD), Jürgen Grützner (VATM)
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Frequenzen müssen gerichtsfest vergeben werden

Homann möchte die Frequenzen möglichst schnell unters Volk bringen – das müsse aber gerichtsfest sein, denn es gebe mehr als drei Bewerber. Damit erteilte er indirekt der Idee des französischen Modells eine Absage. „Infrastruktur müsse da sein“, sie sei „im Voraus zu bauen“, so Homann. Die deutsche Kabel(fernseh)landschaft durch Glasfaser zu ergänzen, sei nicht das Ziel, so Homann in einer ungewohnt deutlichen Replik auf die Glasfaserinitiativen von Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter.

Eigene 5G Netze von und für die Industrie?

Für Thomas Jarzombek sollte die Hohe des Auktionserlöses nicht das Ziel sein, sondern Verbesserung des Ausbaus.

Jarzombek wies auf die Bedenken der Industrie hinsichtlich mangelnder regionaler Netzabdeckung durch die drei Netzbetreiber für schnelle Industrienetze hin. Es müsse möglich sein, dass die Industrie sich eigene lokale Netze aufbaue, sprich es müsse Frequenzen für ein industrielles „Multi Operator Core Sharing“ geben (mehrere Netzbetreiber teilen sich eine Netzinfrastruktur oder Teile davon).

Vodafone: Nichts von den 400 MHz wegnehmen

Eigene Industrienetze findet der CEO von Vodafone Deutschland, Hannes Ametsreiter, nicht so gut. Wenn 100 MHz Bandbreite alleine für regionale Anbieter reserviert werde, verschlechtere dies das Gesamtnetz, weil insgesamt nur 400 MHz zur Verfügung stünden.

Die im Gespräch befindlichen Frequenzen um 3,5 GHz hätten den Vorteil von viel Kapazität, den entscheidenden Nachteil, dass etwa viermal so viele Stationen notwendig werden. Ametsreiter plädierte für eine Kombination aus 700 MHz und 3,5 GHz.

Ametsreiter bemängelte, dass im Koalitionsvertrag manche Freiheiten enthalten seien, die klarer formuliert werden sollten. Es gäbe noch Hindernisse, Investitionen ins Land zu bringen. Man solle einen Zielkorridor erstellen, die Industrie ins Boot holen, einen runden Tisch bilden. Es solle keine Zuteilung und kein Netz zweiter Klasse geben.

Industrie ohne Glasfaser nicht lebensfähig

Man könne mit 5G schnell durch sein, die Industrie würde sich „zu Coverage committen“ (sprich: "Gebt uns die Frequenzen einfach so und dafür bauen wir besser aus"). Ein besserer Netzausbau werde am Ende auch dazu führen, dass die Bürger den Politikern auf die Schulter klopfen.

Ametsreiter beschwor die Teilnehmer, die Industrie könne ohne Glasfaser nicht überleben. Eine Geschwindigkeit von 100 MBit/s sei zu wenig. Die Deutsche Telekom baue Glasfaser parallel, das sei nicht gut. Für Ametsreiter sind 1 Gigabit pro Sekunde die Unterkante, Glasfaser müsse auch auf dem Land gebaut werden. Alle Kabel-Netzbetreiber (gemeint sind bisherige Kabel­fern­seh­netz­be­treiber) könnten heute schon 60 bis 70 Prozent der Haushalte erreichen. Im Gespräch: Markus Haas (CEO Telefonica-o2, Mitte), Matthias Kurth (Ex-Präsident BNetzA, rechts) Im Gespräch: Markus Haas (CEO Telefónica-o2, Mitte), Matthias Kurth (Ex-Präsident BNetzA, rechts)
Foto: VATM

Haas (o2) freut sich über intensivere Nutzung

Markus Haas, CEO der deutschen Telefónica habe früher neidisch auf südliche Länder geschaut, wo mobile Telefone seit Anfang an viel intensiver genutzt werden. „Heute haben wir es geschafft und ein fantastisches Wachstum hingelegt. Die Relevanz der Industrie war noch nie so groß wie heute.“

Retrospektiv fand Haas, dass die Geschichte zu 80 Prozent gut gelaufen sei, aber es habe zu viele Wahlgeschenke gegeben. Am Anfang wurde in seiner Branche fast nichts reguliert - jetzt werde alles reguliert, wie beispielsweise die Roaming-Tarif-Richtlinien. Haas fand, die Regulierung solle Kurs halten.

Als Megathemen der nächsten 10 Jahre sieht Haas eine gesunde Mischung aus Kabel und Wireless (Funk). Man solle unbedingt nach Frankreich schauen, wo sich Regierung und Industrie auf einen Pakt zum besseren Netzausbau (unter Verzicht auf teure Ausschreibungen) verständigt haben.

Kurth: Regulierer ist Schiedsrichter

Der ehemalige Präsident der Regulierungsebehörde/Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, erinnerte daran, dass der Regulierer immer ein Schiedsrichter ist, der rechtsstaatlich fundiert entscheiden muss. Im Übrigen wollte Kurth damals vor Gericht zu 80 bis 90 Prozent gewinnen. Da sei sein Spielraum eng gewesen. Insgesamt glaube er, im Wesentlichen alles richtig gemacht zu haben.

Aber nicht alles konnte der Regulierer wissen, so Kurth: „Wer hätte WhatsApp vorher gesehen?“ Bei der UMTS-Versteigerung, die kurz vor seiner Amtszeit über die Bühne ging, musste er selbst staunen: „ Wir haben das nicht verlangt – wir waren selbst überrascht.“

Matthias Kurth bekannte, dass das Fernseh-Kabel zu spät in den Wettbewerb gebracht worden sei. „Heute haben wir mit Joined dominance ein Luxus-Problem“. Eine Forderung nach "Null Funklöchern" hält Kurth für nicht realistisch.

Vor den 300 Gästen hat die CDU-Generalsekretärin und ehemalige saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer die Bedeutung der Glasfaser für die digitale Zukunft Deutschlands betont: Glasfaser ist wie der Bau der Eisenbahn vor über 100 Jahren.

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