Exklusiv

"Nicht bei mir": Darum setzt die Telekom auf VDSL statt auf Glasfaser

Telekom-Chef Niek Jan von Damme erklärt im teltarif.de Interview, warum die Telekom an die Zukunft der Kupferleitungen glaubt, warum es keine 100prozentige LTE-Abdeckung geben wird und wie die All-IP-Umstellung voranschreitet.
Von Thorsten Neuhetzki

Telekom-Chef Niek Jan van Damme hat in einem Exklusiv-Interview mit teltarif.de über die strategische Ausrichtung der Telekom gesprochen. Dabei geht es um Themen wie den Glasfaserausbau und die anstehenden Kooperationen mit Wettbewerbsunternehmen sowie auf Seite 2 des Interviews um den LTE-Ausbau und die Pläne zu 5G.

teltarif.de: Herr van Damme, 2016 war bei der Telekom sicherlich ein Jahr, in dem es nicht langweilig wurde. Eines der Themen, dass Sie und die Branche in den vergangenen fast zwei Jahren bewegt hat, war der Antrag der Telekom auf Vectoring im Nahbereich. Sie haben uns bereits gesagt, dass die Diskussionen um diese Regulierungsentscheidung aus Ihrer Sicht viel zu lange gedauert haben und auch jetzt laufen noch Klagen gegen die Entscheidung. Ist das Thema für die Telekom zeitlich überhaupt noch interessant oder kommt VDSL Vectoring im Nahbereich zu spät?


Niek Jan van Damme: Vectoring ist nach wie vor für uns und vor allem für unsere Kunden interessant. Denn Stand heute haben wir noch viele Kunden, die auch die von uns aktuell im fraglichen Bereich ermöglichten 50 MBit/s noch nicht ganz ausnutzen. Wenn wird dann demnächst dort 100 MBit/s liefern können, profitieren die Kunden zum richtigen Zeitpunkt. Es aber wichtig, dass wir diese Leitungen dann auch bereitstellen können. Das wurde bislang durch die Diskussionen verzögert. Telekom-Chef Niek Jan van Damme (rechts) im Gespräch mit teltarif.de-Redakteur Thorsten Neuhetzki Telekom-Chef Niek Jan van Damme (rechts) im Gespräch mit teltarif.de-Redakteur Thorsten Neuhetzki
Foto: teltarif.de

Trotz dass Sie die Entscheidung vorliegen haben, bauen Sie aber noch nicht aus?


Niek Jan van Damme: Wir werden in diesem Jahr mit dem Ausbau beginnen. Dieser Ausbau muss ja auch geplant werden, das ist jedoch erst seit der Entscheidung durch die Bundesnetzagentur möglich. Wir werden bei VDSL Vectoring im Nahbereich in drei Tranchen ausbauen und den Ausbau so auch entzerren.

Eine der Fragen, die in dieser Regulierungsdebatte immer wieder aufkam, war die Frage, warum man in den dicht besiedelten Gebieten, um die es hier geht, nicht VDSL Vectoring überspringt und direkt Glasfaser bis zum Haus ausbaut.


Niek Jan van Damme: Das allerdings wäre deutlich teurer und ein deutlich höherer Aufwand. Es würde weit bis in die 2030er Jahre dauern. Es geht ja nicht nur um Großstädte und Ballungsgebiete, sondern auch Kleinstädte und Dörfer. Und viele Kunden sagen uns auch "Nicht bei mir", wenn es darum geht, dass wir ein neues Kabel in ihr Haus legen und dabei den Vorgarten umgraben müssen. Wenn wir Glasfaser bis zum Haus des Kunden verlegen würden, bräuchten wir nicht nur deutlich mehr Genehmigungen, sondern auch deutlich mehr Kapazitäten im Tiefbau, um die Leitungen zu verlegen. Die gibt es in Deutschland aber nicht. Vectoring ist also eine sehr gute Übergangslösung, auch weil wir viel schneller mehr Kunden versorgen können. Und es gilt: Wir bringen mit dem Vectoring-Ausbau das Glasfaserkabel näher zum Kunden.

Das heißt aber auch, dass die Telekom in zehn Jahren erneut investieren muss, während die Ihre Wettbewerber schon Glasfaser beim Kunden liegen haben.


Niek Jan van Damme: Wir investieren ständig. Wir haben immer gesagt, dass wir die Glasfaserleitung in mehreren Schritten zum Kunden bringen wollen. Wir können mit Vectoring mehr Menschen in kürzerer Zeit erreichen, als es mit einer direkten Glasfaserleitung möglich wäre. Es wird auch noch weitere Geschwindigkeitsschritte bei Vectoring geben. Dass mit Super-Vectoring 250 MBit/s im Downstream möglich sein werden, ist schon bekannt, aber die Reise wird hier auch noch weitergehen. Unsere Möglichkeiten sind noch nicht ausgeschöpft.

Das klingt, als wenn Sie konkrete Pläne in der Schublade haben.


Niek Jan van Damme: Ich kann da im Detail noch nicht viel zu sagen, aber ja - wir arbeiten an Modellen, in denen die Kupferleitung ein Teil des Netzwerks bleibt. Im Labor erreichen wir dabei schon 1 GBit/s. Und vergessen Sie nicht den Technologiemix, den wir schon heute haben. Ab 2020 wird es 5G geben und 5G wird ein wichtiger Baustein sein beim Thema Breitbandversorgung. Aber wir haben ja auch durchaus bereits eigene FTTH-Anschlüsse und werden diese auch weiterhin ausbauen. Das ist vor allem im Neubau der Fall. 600 000 Haushalte haben wir hier, die sich anschließen können.

Sie bieten Kunden im Programm "Mehr Breitband für mich" an, dass sie sich einen eigenen Glasfaser-Anschluss bestellen können, aber die Kosten dafür komplett selbst tragen müssen. Gibt es hier erste Erfahrungswerte?


Niek Jan van Damme: Derzeit werden die ersten Anschlüsse aus diesem Programm geschaltet. Durchschnittskosten kann man hier nicht nennen, aber man sollte sich keine falschen Illusionen machen: Man ist hier schnell bei 10 000 Euro Anschlusskosten - auch in städtischen Gebieten.

Warum ist das so teuer?


Niek Jan van Damme: Sie müssen bedenken, welchen Aufwand ein solcher Anschluss bedeutet. Wir müssen vom Kabelverzweiger, an dem das Glasfaserkabel schon liegt, durch Straßen und Bürgersteige eine eigene Leitung verlegen. Hinzu kommen die Kosten für die Technik. Interessant kann das aber sein, wenn sich ein paar Nachbarn zusammentun und sich die Kosten teilen.

Die Telekom wird ja immer wieder dafür kritisiert, dass sie VDSL als Glasfaser bezeichnet und die Kunden im Ungewissen lässt, welche Anschlussform sie bekommen. Warum diese Strategie? Für den Kunden macht es ja einen Unterschied.


Niek Jan van Damme: Ich denke, den meisten Kunden ist die Technik hinter dem schnellen Anschluss ziemlich egal. Wichtig ist: Den Kunden verkaufen und schalten wir Anschlüsse, die bis zu 16, 50, 100 oder 200 MBit/s im Downstream bieten. Den Kunden sollte es am Ende nicht mehr interessieren müssen, ob er einen VDSL-Anschluss, Glasfaser bis in die Wohnung oder Mobilfunk nutzt, um die Geschwindigkeit an seinem Anschluss zu bekommen.

Da spielt die Router-Industrie aber noch nicht mit, da ist der Unterschied für den Kunden ja sehr wohl wichtig und auch zu spüren.


Niek Jan van Damme: Das ist sicherlich noch ein Weg, der zu bestreiten ist. Gleichwohl gibt es ja schon Router, die sowohl direkt an der Glasfaserleitung, aber auch über Kupfer angebunden werden können.

Auf der nächsten Seite dieses Interviews lesen Sie, wie der Status Quo der All-IP-Umstellung im Festnetz ist, was sich van Damme von den Kooperationen mit den Wettbewerbern verspricht und was bei LTE und 5G auf die Telekom und die Kunden zukommt.

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