T-Mobile-Sprint-Fusion: 30 000 Arbeitsplätze bedroht?
Der Präsident der amerikanischen Telekommunikationsgewerkschaft Communications Workers of America (CWA), Chris Shelton ist fest überzeugt, dass die vom amerikanischen Justizministerium (DoJ) genehmigte T-Mobile/Sprint-Fusion "schädlich für Arbeitnehmer und Verbraucher" bleibt. Sie sei "wettbewerbsfeindlich und werde 30.000 Arbeitsplätze vernichten."
Die Auflage eines Verkaufs von Boostmobile und die Bereitstellung von Frequenzen an den US-Anbieter Dish rette diese Arbeitsplätze nicht und behebe auch nicht "den grundlegenden, wettbewerbsfeindlichen Charakter des Zusammenschlusses". Im Gegenteil: T-Mobile bekomme durch diese "Veräußerungsvereinbarung" seinen größten Kunden, nämlich die Firma Dish und keinen neuen Wettbewerber.
Klage schwebt im Raum
Bekanntlich ist die Fusion noch nicht komplett durch. Dreizehn Bundesstaaten und der "District of Columbia" (wo die Hauptstadt Washington liegt) hatten die Bedenken der CWA und anderer Fusionsgegner übernommen und gegen die Fusion geklagt.
Nun ist die Frage, ob diese "staatliche Klage" fortgesetzt wird. "Die Generalstaatsanwälte tun, was das Justizministerium nicht tun wird: Arbeitnehmer und Verbraucher vor Arbeitsplatzverlusten und höheren Preisen schützen, die sich aus dieser Fusion ergeben werden“, sieht sich Shelton siegessicher.
Offizielle und tatsächliche Gründe
Offiziell ist die CWA gegen den Deal, weil die Veräußerung des Service-Providers/Discounters "Boostmobile" und seiner Kunden den Verlust von Sprint als vierten Netzbetreiber nicht ersetzen könne. Während die angekündigte Vereinbarung zwischen der T-Mobile und Dish den Verkauf von Sprint-Prepaid-Kunden (Boostmobile), Mobilfunkmasten und Netzwerkausrüstung sowie eine Großhandelsvereinbarung (Wholesale) mit T-Mobile umfasse, gleiche sie den Verlust von Sprint als vierten Netzbetreiber nicht aus.
Sprint hat derzeit 32,8 Millionen Postpaid-Abonnenten und etwa 12,5 Millionen Großhandels-Kunden, die von "Service-Providern" betreut werden. Diese würden nicht durch den Verkauf von Prepaid-Kunden an Dish ersetzt.
Scheinen weiter keine besten Freunde zu sein: T-Mobile US CEO John J. Legere (links) und Gewerkschaftsboss Christopher M. Shelton (Mitte)
Foto: CWA USA / Agentur Sputnik
Dish werde lediglich ein Mobile Virtual Network Operator (MVNO, in Deutschland als "Service-Provider" bezeichnet) und damit kein echter Netzbetreiber. Daher bleibe Dish von T-Mobile abhängig - der Deal schaffe einen neuen großen Kunden für T-Mobile, aber keinen echten Wettbewerber.
Das Justizministeriums und die Regulierungs- und Frequenzaufsichtsbehörde (Federal Communications Commission FCC) nähmen die schädlichen Auswirkungen auf die Arbeitnehmer und ihre Arbeitsplätze nicht ernst. Das werde diese Arbeitsplätze nicht retten. Die wirtschaftliche Analyse der CWA zeige, dass die Fusion aufgrund der Schließung sich überschneidender Mobilfunkgeschäfte und der Überschneidung von Arbeitsplätzen in den Verwaltungen zum Verlust von 30.000 Arbeitsplätzen führen werde. Die Veräußerung des Disounters "Boost Mobile" werde diese Arbeitsplätze nicht retten.
Discounter oder MVNOs arbeiten in der Regel mit geringen Margen und betreiben oft keine eigenen Läden. Darüber hinaus werde es negative Auswirkungen auf die Löhne in der gesamten Mobilfunk-Industrie geben, wie eine detaillierte Studie des Economic Policy Institute und des Roosevelt Institute zeige.
Dish: Schillernder Anbieter?
Der Anbieter Dish und ihr Chef Charlie Ergen hätten keinen guten Leumund, sondern schon länger gegen Bundesvorschriften verstoßen, wie das Horten von erworbenen Frequenzen seit 2013. In den USA werden Frequenzen verkauft und gehören dann dem Käufer und können weiterverkauft oder vererbt werden. Dish habe die Anforderungen an seinen Netz-Ausbau nie erfüllt. Dish müsse bis März 2020 ausbauen, um mit wenig Kapital den Ausbau zu finanzieren. FCC und Bundesgerichte hätten festgestellt, dass Dish gegen die Frequenzauktionsregeln verstoßen habe, indem zwei von Dish kontrollierte Unternehmen gegründet und drei Milliarden US-Dollar an Krediten für kleine Unternehmen gefordert wurden.
Dish habe Mangel an Erfahrungen und Kapital und noch nie ein eigenes Mobilfunknetz aufgebaut oder betrieben, geschweige denn Prepaid-Karten verkauft. Es fehle erst Recht das Geld, um ein landesweites 5G-Netzes aufzubauen. Das Unternehmen sei somit zum Scheitern verurteilt.
Kurz formuliert: Dish sei ein "illusorischer Käufer" und kein echter vierter Wettbewerber. Wenn Dish scheitere oder später verkauft werde, sei der Schaden bereits entstanden. Kunden mit niedrigem Einkommen und die Arbeitnehmer würden den Preis bereits bezahlt haben.
Schlechte Vorbilder aus Europa?
Die Gewerkschaft ist sich sicher, dass es schwierig bis unmöglich sein werde, die Veräußerungsbedingungen durchzusetzen. Kürzlich hatte die Europäische Kommission erklärt, dass Telefónica Spanien bei seiner Fusion mit E-Plus vor fünf Jahren ähnliche Bedingungen nicht eingehalten habe. Dies sollte eine Warnung davor sein, was passieren könne, wenn sich die Regierung einmischt, um einen neuen Wettbewerber zu schaffen und dann das Ergebnis zu kontrollieren.
Ein weiterer europäischer Präzedenzfall sei ebenfalls bezeichnend: In Italien ist durch den Verkauf eines Service-Providers an Iliad Italia ("Free") ein Unternehmen entstanden, dessen Preisgestaltung nicht das notwendige Kapital für den Aufbau eines eigenen Netzes hergibt, was eigentlich Hauptziel der Veräußerung war.
Kartellrecht sei Strafverfolgung, aber keine Einladung an Regierungen, Königsmacher zu spielen.
Wieviele Arbeitsplätze trifft es wirklich?
Die Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen ist zweischneidig. Sicher werden durch die Zusammenlegung bestimmte Arbeitsplätze wegfallen und an anderen Stelle neu entstehen. Soweit aber absehbar, hätte Sprint alleine auf die Dauer ohne massive Investitionen in die veraltete Netztechnik nicht überleben können. Es hätte auch sein können, dass Sprint am Ende den Betrieb hätte einstellen müssen. Der Schaden wäre somit noch größer gewesen.
Frust über mangelnde Anerkennung
Der Frust der Gewerkschaften rührt insbesondere daher, dass sie einst dem Kauf des T-Mobile-Vorgängers Voicestream an die Deutsche Telekom zugestimmt hatten, weil sie sich aus Deutschland Hilfe bei der Anerkennung als Gewerkschaft im amerikanischen Unternehmen erhofften. Dies passierte nicht. T-Mobile-US-Chef John Legere, scheint Gewerkschaften in seinem Unternehmen offenbar durchweg abzulehnen.
Gewerkschaftsmitglieder, so die CWA, würden massiv unter Druck gesetzt, falls sie versuchten, im Unternehmen aktiv zu werden.
Eine Einschätzung
Aus deutscher Sicht ist schwer nachvollziehbar, warum T-Mobile US die Gewerkschaften nicht anerkennen will, vielleicht wäre die Fusion dann viel schneller realisiert worden? Im übrigen ähneln die Gründe der Fusion in der Tat dem o2-E-Plus Deal: Brachialer Wettbewerb drückte die Endkunden-Preise ins Bodenlose. Gleichzeitig erwarten die Kunden aber einen flächendeckenden, also immer dichter werdenden Netzausbau.
In den USA kommen das riesige Land und weite noch kaum versorgte Regionen dazu. Technischer Fortschritt macht permanent einen Komplettaustausch oder die Verstärkung vorhandener Netzkomponenten notwendig, was viel Geld kostet. Die Kunden möchten dafür möglichst nichts bezahlen. Das war am Ende nicht zu schaffen, nicht in Europa und in den USA ist es das auch nicht. Die Fusion, andere sprechen von "Konsolidierung" ist also unausweichlich.