BR: "Auch DAB+ funkt grenzüberschreitend"
Die Zukunft der terrestrischen Radioübertragung wird kontrovers diskutiert. Die ARD-Anstalten setzen auf DAB+ als digitalen Nachfolge-Standard des analogen UKW-Rundfunks. Private Programmveranstalter kritisieren, dass DAB+ auch acht Jahre nach seinem Start noch nicht die Marktdurchdringung erreicht, die man sich erhofft hat. Der niedersächsische Landtag würde das Projekt DAB+ sogar am liebsten ganz beenden.
Für die Hörer ist DAB+ Fluch und Segen zugleich. So finden im terrestrischen Digitalradio Programme Platz, die aus Kapazitätsgründen ansonsten gar nicht oder nur örtlich stark begrenzt verbreitet werden könnten. Auf der anderen Seite kann es vielerorts passieren, dass über Jahrzehnte gewachsene Sendegebiete aus dem analogen Rundfunk nicht ins Digitalradio übernommen werden können.
BR-Sender Kreuzberg/Rhön
Foto: teltarif.de
Wir haben bereits über einige Beispiele berichtet, bei denen Hörfunkprogramme über DAB+ eine geringere technische Reichweite außerhalb ihres offiziellen Sendegebiets haben als beim UKW-Rundfunk. So ist SWR3 in Köln über DAB+ kaum, auf UKW dagegen als Ortssender zu empfangen, der Bayerische Rundfunk ist analog bis nach Nordhessen zu hören, digital aber nicht einmal bis nach Fulda, wenige Kilometer nördlich der hessisch-bayerischen Landesgrenze.
BR: "Darum strahlt der Kreuzberg auf UKW so weit nach Norden"
Der Bayerische Rundfunk nahm recht detailliert zum speziellen Problem, dass der Sender Kreuzberg/Rhön auf DAB+ nicht Richtung Norden sendet, Stellung. So sei die Rundstrahlung bei drei der fünf UKW-Frequenzen Anfang der 50er Jahre vor allem vorgesehen waren, weil es sich um einen grenznahen Standort nicht nur zu Hessen, sondern auch zur damaligen DDR handelt. Es sei politisch gewünscht gewesen, möglichst weit in die DDR einzustrahlen.
BR-Sender Alzenau (Hahnenkamm)
Foto: teltarif.de
Für die beiden später hinzugekommenen Frequenzen oberhalb von 100 MHz sei dies nicht mehr durchsetzbar gewesen, sodass mit verminderter Leistung nach Norden gesendet werden müsse. Ähnlich sei die Situation bei DAB+, zumal der in Bayern für das landesweite Sendernetz genutzte Kanal 11D aus Gründen einer effizienten Frequenznutzung auch in Nordrhein-Westfalen eingesetzt werden müsse.
Würden die Sender in Nordbayern und im südöstlichen Nordrhein-Westfalen mit Rundstrahlung arbeiten, so könne es zu gegenseitigen Störungen kommen. Daher werde Richtung Norden vom Kreuzberg/Rhön nur mit 500 Watt gesendet, Richtung Süden und Osten hingegen mit 10 kW.
Höhere Frequenz sorgt für stärkere Dämpfung
Der BR räumte ein, dass auch eine Rundstrahlung - anders als auf UKW - kein durchgehender Empfang bis in den Raum Fulda möglich wäre. Kurz hinter der Landesgrenze gebe es auf der Autobahn A7 keine direkte Sicht zum Sender, sodass es zu Aussetzern beim digitalen Signal käme, zumal dieses etwa auf der doppelten Frequenz als der UKW-Rundfunk ausgestrahlt werde. Hier sei die Dämpfung an einem Hindernis (in diesem Fall ist das ein Berg) doppelt bis viermal so groß wie auf UKW.
Allerdings gebe es auch Beispiele, wo der Bayerische Rundfunk auch über DAB+ weit über die bayerischen Landesgrenzen hinaus zu empfangen sei - etwa im Rhein-Main-Gebiet und entlang der Grenze nach Baden-Württemberg. Fulda und Osthessen sei daher ein Sonderfall, der sich nicht als generelles Argument eigne, mittel- bis langfristig auf einem Umstieg von UKW auf DAB+ zu verzichten.
Der BR-Sender Kreuzberg/Rhön strahlt kaum nach Norden
Quelle: empfangsprognose.de
BR nennt Beispiele für Overspill
In der Tat betreibt der Bayerische Rundfunk auf dem Hahnenkamm bei Alzenau eine DAB+-Sendeanlage, die auch in weiten Teilen des hessischen Rhein-Main-Gebiets zu empfangen ist. In Ulm wird der Senderstandort des Südwestrundfunks mitgenutzt, der naturgemäß auch in Baden-Württemberg und nicht nur in Bayern zu empfangen ist. Der BR gab allerdings auch zu bedenken, dass es "verständlicherweise das vorrangige Ziel des Bayerischen Rundfunks" sei, den Empfang innerhalb des Freistaats zu verbessern.
Innerhalb von Bayern ist der BR in der Tat sehr bemüht, um die DAB+-Abdeckung weiter zu verbessern. So sollen zahlreiche geplante Füllsender in den kommenden Jahren dafür sorgen, dass sich der Empfang innerhalb von Gebäuden weiter verbessert und weiße Flecken weitgehend verschwinden. Hier bleibt es abzuwarten, ob die anderen Landesrundfunkanstalten der ARD ähnlich umfangreiche Sendernetze planen.
Über die Sender Pfaffenberg und Alzenau ist der BR auch im Rhein-Main-Gebiet zu hören
Quelle: empfangsprognose.de
Interessen der Hörer sollten im Vordergrund stehen
Bei den weiteren Planungen für eine digitale Radiozukunft sollten in jedem Fall vor allem auch die Interessen der Hörer im Vordergrund stehen - auch unabhängig davon, ob der Bayerische Rundfunk für Fulda, der Südwestrundfunk für Köln oder der Hessische Rundfunk für Siegen einen Versorgungsauftrag hat. Schließlich werden über DVB-T2 auch Dritte Programme über Senderstandorte fernab des regulären Sendegebiets der jeweiligen Rundfunkanstalt verbreitet.
Sonderfälle wie die Einstrahlung des Bayerischen Rundfunks auf UKW bis nach Nordhessen wird man - schon aus Gründen der Frequenzökonomie - im digitalen Zeitalter nicht mehr umsetzen können. Zumindest zusammenhängende Wirtschaftsräume oder Pendlerstrecken sollten aber abgedeckt werden, sodass die Hörer nicht kurz nach der jeweiligen Landesgrenze auf ihren Stammsender verzichten oder auf Streaming ausweichen müssen. Denn das Streaming ist ja genau der Verbreitungsweg, dem die Rundfunkanstalten mit DAB+ Paroli bieten wollen.
In Niedersachsen haben sich Linke und Piraten für DAB+ eingesetzt. Mehr zu dem Thema lesen Sie in einer weiteren Meldung.