Open-Source-Gedanke

Ubuntu for Phones im Hands-On: Das Henne-Ei-Problem

Abseits der großen Hersteller setzten auch andere Firmen auf den MWC um neue Geräte zu präsentieren. Wir haben uns das BQ Aquaris E4.5 und das Meizu MX4 einmal angeschaut. Das Besondere: Beide setzen auf Ubuntu for Phones.
Vom MWC in Barcelona berichtet Kaj-Sören Mossdorf

Ubuntu for Phones Ubuntu for Phones ausprobiert
Bild: teltarif.de / Kaj-Sören Mossdorf
Nicht nur große Hersteller wie Samsung, HTC oder Microsoft nutzen den Mobile World Congress in Barcelona zur Präsentation von neuen Geräten. Auch Canonical, die Firma hinter dem Desktop-Betriebssystem Ubuntu nutzt die Messe, um gemeinsam mit BQ und Meizu neue Geräte der Öffentlichkeit zu präsentieren. Beide Hersteller nutzen Canonicals Ubuntu-Version für Smartphones. Der spanische Herstelle BQ war dabei der Erste, der mit dem BQ Aquaris E4.5 Ubuntu ein Gerät mit dem Linux-Derivat vorgestellt hat. Bereits am Donnerstag bestätigte der chinesische Hersteller Meizu zudem Gerüchte, und veröffentlichte erste Details zum Meizu MX4 mit Ubuntu for Phones. Wir haben uns beide Geräte auf der Messe einmal angesehen.

BQ Aquaris E4.5 Ubuntu: Quad-Core-Prozessor und qHD-Bildschirm

BQ Aquaris E4.5

Das erste Ubuntu-Smartphone, kommt vom spanischen Hersteller BQ. Das Aquaris E4.5 ist ursprünglich als Android-Telefon auf den Markt gekommen und wird seit einiger Zeit immer wieder in geringen Margen und für wenige Stunden verkauft. Angetrieben wird das Dual-SIM-fähige Gerät von einer auf 1,3 GHz getakteten Quad-Core-CPU von MediaTek. Dem Prozessor steht 1-GB-Arbeits­speicher zur Seite. Fotos, die der Nutzer mit der 8-Mega­pixel-Kamera auf der Rückseite aufnimmt, finden auf dem 8 GB großen internen Speicher Platz. Dieser kann aber bei Bedarf durch eine microSD-Karte erweitert werden.

Ubuntu for Phones Ubuntu for Phones ausprobiert
Bild: teltarif.de / Kaj-Sören Mossdorf
Das 4,5 Zoll große Display löst mit 540 x 960 Pixel auf. Am Stand war das Display dabei aber auch unter Einstrahlung von Schein­werfern gut ablesbar und auch die Darstellung entsprach dem, was man von einem Gerät, das für 169 Euro verkauft wird, erwarten würde. Dasselbe gilt für das matte Plastik-Gehäuse des Gerätes. Zwar fühlt es sich angenehm an, kann aber mit dem Metall-Gehäuse des Meizu MX4 nicht mithalten.

In unserem kurzen Test erlaubte sich das Smartphone aber keine Denkpausen. Apps öffneten und schlossen sich - sobald wir uns für wenige Minuten mit der Bedienung vertraut gemacht hatten - anstandslos.

Meizu MX4: Irgendwie deplatziert

Das Meizu MX4, das erst vor kurzem vorgestellt wurde und im Laufe der nächsten Monate für weniger als 400 Euro auf den Markt kommen soll, fühlt sich etwas deplatziert an - dazu gleich mehr. Auch dieses Gerät ist ähnlich wie das Aquaris E4.5 ursprünglich ein Android-Gerät und wird von einem Octa-Core-Prozessor angetrieben, der auf vier starke und vier schwächere Kerne setzt. Die leistungs­stärkeren Kerne sind dabei auf 2,2 GHz, die schwächeren Kerne auf 1,7 GHz getaktet. Der CPU stehen dabei 2 GB Arbeits­speicher zur Seite. Das Display, dass von dem Aluminium-Gehäuse eingefasst ist, misst 5,36 Zoll und löst mit 1920 mal 1152 Pixel auf. Die Rückseite ist durch eine 20,7-Megapixel-Kamera, die auf einen Sensor von Sony setzt, geprägt. Sie schaut ein wenig aus der Gehäuse­rückseite heraus.

Während sich dieses Gerät damit nicht vor aktuellen Flaggschiff-Geräten verstecken muss, wirkt es momentan noch überpro­portioniert. Die Standard-Kamera-App von Ubuntu wird dem hochauf­lösenden Sensor des Meizu MX4 noch nicht gerecht - es fehlen die Einstellungen. Auch der leistungs­starke Chipsatz wirkt ähnlich überdimensioniert. Während dies freilich an den Android-Wurzeln des MX4 liegt, stellt sich momentan auf Grund des App-Angebotes noch die Frage, für wen dieses Gerät empfehlenswert ist.

Ein Ubuntu-Entwickler erzählte uns im Gespräch, dass das Smartphone so leistungsstark sei, dass es teilweise dazu genutzt werde, neue Software-Versionen zu kompilieren. Dem Entwickler zufolge ist die Vision für das Gerät die Folgende: Das Smartphone soll sich künftig, wenn es in eine Docking-Station gesteckt wird, als vollwertiger PC verhalten - es kommen Erinnerungen an die Kickstarter-Kampagne auf, in der das Ubuntu Edge finanziert werden sollte.

Ubuntu for Phones: Nicht nur Microsoft setzt auf universelle Apps

Ubuntu for Phones BQ Aquaris E4.5 läuft mit dem Linux-Derivat
Bild: teltarif.de / Kaj-Sören Mossdorf
Ähnlich wie auch Microsoft versucht Canonical Entwickler vor allem dadurch für das System zu begeistern, dass Applikationen nicht speziell für das System entwickelt werden müssen. Während der Entwicklung einer Desktop-App kann diese mit Hilfe der Software-Umgebung auch gleich für Smartphones mitgeschrieben werden. Dabei müssen sie sich nicht einmal Gedanken um die Oberfläche machen. Mit so genannten "Scopes" bietet Ubuntu for Phones eine weitere Möglichkeit an. Hierbei handelt es sich nicht um eigene Apps, sondern um vorgefertigte Karten, die Entwickler mit Inhalten füllen könnten. Anstelle einer eigenen Anwendung, könnten Nachrichten­seiten also ihre News hier anzeigen. Ubuntu for Phones unterstützt dabei ausdrücklich auch Anwendungen, die mit der Hilfe von HTML5 entwickelt wurden. Diese Applikationen nutzen dabei die Darstellungs-Technik des Internet-Browsers des Systems, der auf dieselbe Engine setzt wie Google Chrome. Diese unterstützt moderne Webstandards und ist somit sehr flexibel einsetzbar.

Aber zurück zum System: Dieses lässt sich nach einer kurzen Eingewöhnungs­zeit sehr intuitiv bedienen. Wischt der Nutzer von links in den Bildschirm herein, öffnete er eine Seiten­leiste in der er seine favorisierten Apps platzieren kann. Ein wisch von rechts öffnet eine Übersicht mit den zuletzt geöffneten Apps. Streicht der Nutzer von unten nach oben über eine dieser Karten, wird die App geschlossen. Einen traditionellen Homescreen - wie man ihn beispielsweise von Android kennt - gibt es dabei nicht. Stattdessen hat der Nutzer Zugriff auf die oben erwähnten Scopes, zum Beispiel den Nachrichten-Scope oder den Today-Scope, der Einträge aus dem Kalender für den jeweiligen Tag anzeigt.

Wer also sollte ein Ubuntu-Phone kaufen?

Sollte man also das Android-Gerät links liegen lassen und ein Ubuntu-Phone kaufen? Die Frage ist als Open-Source-Enthusiast ein zweischneidiges Schwert. Einerseits freut es, ein weiteres System auf dem Markt begrüßen zu dürfen, dass durch den Open-Source-Gedanken geprägt ist, andererseits stellt sich die Frage wie es sich entwickeln wird. Derzeit leidet Ubuntu for Phones unter dem gleichen Problem wie viele junge Systeme: Es fehlen die Apps. Auf die Frage, ob es Überlegungen gäbe, Android-Apps auf den Geräten zum Laufen zu bringen - ähnlich wie es Jolla tut - antwortete uns der Entwickler, dass es zwar Überlegungen gegeben hätte, man sich aber wegen der - verständ­licherweise - fehlenden Unterstützung durch Google und absehbarer Konflikte dagegen entschieden habe.

Abseits dessen geht Canonical noch einen anderen Weg und bietet Firmen an, Apps durch die Entwickler­gemeinde schreiben zu lassen - kostenlos. Dazu ist aber der Zugang zu den entsprechenden APIs notwendig. Während sich einige Unternehmen, wie beispielsweise Evernote gerne dazu bereit erklären, wollen andere lieber ihre eigene App, verweigern die Entwicklung aber derzeit auf Grund geringer Nutzer­zahlen.

Neben fehlenden Anwendungen wirkt Ubuntu for Phones zudem an einigen Stellen noch sehr frisch. Der Entwickler gab uns gegenüber selbst zu, dass beispielsweise der Tab-Wechsel im Browser momentan noch sehr kompliziert sei, versprach aber Besserung und baldige Updates. Auch die Tatsache, dass sich die Beschreibungs­texte der Einstellungen der Kamera-App nicht mit dem Gerät mitdrehten, zeigt, dass das System noch Zeit braucht.

Zusammenfassend lässt sich damit am Ende sagen: Canonical und die Entwickler­gemeinde haben definitiv eine Vision für das Betriebssystem (auch eine Version für Tablets, die beispielsweise auch Split-Screen-Fähigkeiten bietet, existiert). Als nächstes muss das Unternehmen zusammen mit seinen derzeitigen und künftigen Partnern (wer das sein wird, wurde uns nicht verraten) dafür sorgen, dass das System nicht nur für technik­begeisterte Nutzer interessant ist. Damit steht das Unternehmen aber wie viele andere Firmen vor dem berühmten Henne-Ei-Problem: Benutzer wollen Apps, Apps wollen Benutzer. Das Konzept von Ubuntu for Phones kann begeistern und ist definitiv im Auge zu behalten - besonders wenn erste Geräte auf den Markt kommen, die Smartphone und Desktop vereinigen. Das kann aber nur dann gelingen, wenn das System Unterstützer findet.

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