Digitale Zukunft

Tim Höttges: Was zur Hölle ist in unserer Gesellschaft los?

Mehr Toleranz, mehr Mut und weniger Ängste vor der digitalen Zukunft forderte Telekom Chef Tim Höttges zur Eröffnung der Messe DMEXCO in Köln.
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Eine bewegende Grundsatzrede hielt Tim Höttges bei der DMEXCO. Eine bewegende Grundsatzrede hielt Tim Höttges bei der DMEXCO.
Foto: Picture Alliance / dpa
Normalerweise halten sich Unternehmenschefs aus der aktuellen Tagespolitik heraus. Manchmal ist es aber auch notwendig und bemerkenswert - je nachdem von welchem Standpunkt man es betrachtet - wenn der Chef eines großen in Deutschland beheimateten Telekommunikationsunternehmen sich zu Wort meldet.

Gelegenheit dazu gab es bei der Messe DMEXCO, eine Leitmesse der digitalen Welt, wo sich die Entscheidungsträger des digitalen Business einschließlich Marketing und Innovation in Köln in diesen Tagen treffen. Auch teltarif.de ist vor Ort.

Take Care - pass gut auf

Eine bewegende Grundsatzrede hielt Tim Höttges bei der DMEXCO. Eine bewegende Grundsatzrede hielt Tim Höttges bei der DMEXCO.
Foto: Picture Alliance / dpa
Das diesjährige Motto der Messe lautet: "Take C.A.R.E. – Curiosity – Action – Responsibility – Experience” und lieferte Stoff für die "Keynote" (ein wichtiger Schlüssel-Beitrag, der die Grundlage zur Diskussion liefert) von Telekom Chef Timotheus Höttges. Er griff die aktuelle Diskussion auf, worin es um die Ängste großer Teile der Bevölkerung geht, vom Leben "abgehängt" zu werden. Höttges redete seinen Kollegen in anderen Unternehmen ins Gewissen, mehr gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. "Was zur Hölle ist in unserer Gesellschaft los?", fragte er und hatte die aktuellen Vorfälle, beispielsweise in Sachsen oder Sachsen-Anhalt im Blick.

Obwohl die deutsche Wirtschaft super läuft und es in der deutschen Gesellschaft viel Wohlstand gibt, hat Höttges bemerkt, dass viele Menschen Angst haben, zurückzubleiben. "Die Digitalisierung treibt die Leute vor sich her, viele sind von der Situation überfordert ". Und weiter: "Die Leute haben Angst, dass ihre Jobs von Robotern übernommen werden." Höttges vermisst den notwendigen Optimismus in die Zukunft. Nur mit diesem Optimismus könnten Veränderungen angeschoben werden und das fehle in Deutschland und Europa total. Ohne Optimismus werden die Leute "nostalgisch und aggressiv" (Früher war alles besser, wir wollen nichts Neues, sondern die "gute Alte Zeit" zurück.) Viele Themen müssen europäisch gedacht werden: Klimawandel, Demografie oder Urbanisierung: Für Höttges sind das die Herausforderungen für die nächste Generation. Er beobachtet aktuell einen Werteverlust in der Gesellschaft. Begriffe wie "Gutmensch" oder "Feminist" seien schon fast zu Beleidigungen umgedeutet worden. Höttges möchte einen neuen Blick auf Deutschland und auf Europa, denn "wir sind keine Insel."

Optimieren, optimieren, optimieren

Unternehmen müssten sich neuen Technologien öffnen, sich hinterfragen und "optimieren, optimieren, optimieren". Höttges fordert hier einen "digitalen Optimismus". Europa bräuchte die besten Netzwerke, eine neue Gründermentalität und eine Haltung, die beides erlaubt: Europäische Werte und digitalen Fortschritt.

Sinn und Zweck der Existenz?

Firmen müssten sich daher die Frage stellen, was denn eigentlich der Sinn und Zweck ihrer Existenz sei. Die Telekom definiert das für sich folgendermaßen: Eine Lösung könnte sein, die Menschen besser auf die Reise in die schöne, neue digitale Welt mitzunehmen. Das gilt auch Mitarbeiter in Unternehmen. Höttges hat bereits einen "passiven Widerstand gegen die Digitalisierung" bemerkt. "Firmen müssen Aufwand treiben, um ihre Mitarbeiter mit neuen Technologien vertraut zu machen."

Bei der Telekom beispielsweise können Mitarbeiter Fragen stellen, beispielsweise "Was ist Blockchain?". Darauf antworten dann Kollegen. Den eigenen Kollegen wird eher vertraut, die Leute lassen sich so besser informieren.

Und dann wird er philosophisch: „Wenn man nicht ethisch ist, werden die Millenials (Leute, die nach 2000 geboren sind) die Produkte nicht kaufen. Davon bin ich überzeugt.“

Nun mag man das als "Marketing-Sprech" abtun, aber Höttges meint es ernst: "Entscheidend ist, dass die Firmen auch leben, was sie sich auf die Fahnen geschrieben haben - und sich nicht nur in Ankündigungen ergehen. In politisch unruhigen Zeiten müssten Unternehmen zudem auch eine politische Positionierung haben. Die Telekom stellt sich mit ihrem internationalen Claim "Life is for sharing" (sinngemäß übersetzt: Das Leben ist zum gegenseitigen Teilen) zum Beispiel klar gegen Rassismus und Trennungstendenzen."

Position beziehen

Firmen sollen gerade in politisch komplizierten Zeiten politische Haltung beweisen. "Sie müssen ihren Zweck definieren und ihre Kunden zum aktiven Mitmachen anregen." Lange gepflegte Begriffe wie Corporate Social Responsibilty (CSR) seien tot. "Unternehmen müssen andere Wege finden, um ein nachhaltiges Business zu schaffen."

Ein Punkt könne jeder für sich alleine in Angriff nehmen: "Wir als Personen müssen glücklich bleiben. Denn wenn wir frustriert sind, werden wir die Leute nie motivieren."

Manchmal hängt die Zukunft von einfach lösbaren Problemen ab.

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