Geteiltes Netz

Editorial: Steigerung auf 900

Die Telekom führt LTE 900 mit lediglich einem Frequenzblock ein. Was bringt dieses, zumal LTE 800 bereits mit zwei Blöcken in Betrieb ist? Und welche weiteren Netz­ausbau­maßnahmen sind erforderlich?
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LTE-Sendemast von Vodafone LTE-Sendemast von Vodafone
Bild: Vodafone, Montage: teltarif.de
Auf erstaunlich viel Resonanz ist unsere Meldung gestoßen, dass die Deutsche Telekom quasi flächendeckend (das heißt mit derselben Abdeckung wie derzeit GSM) LTE auf 900 MHz einführen will. Denn dadurch, dass die Telekom bereits LTE auf 800 MHz betreibt, ist durch die zusätzliche Nutzung von LTE 900 an sich keine große Performance-Steigerung zu erwarten. Zu den 10-MHz-LTE-800 kommen jetzt 5-MHz-LTE-900 hinzu. Die Zellkapazität wächst somit um etwa 50 Prozent.

Andere Maßnahmen - zum Beispiel die Teilung einer überlasteten Zelle oder die Einführung von Massive MIMO versprechen hingegen jeweils 100 bis 300 Prozent zusätzliche Kapazität. Doch bedeutet die Zellteilung auf jeden Fall erhebliche Investitionen am betroffenen Standort, und Massive MIMO steckt noch in den Kinder­schuhen. Auf dem letzten Mobile World Congress haben die Ausrüster überhaupt erstmalig Massive-MIMO-Lösungen für das bei uns übliche FDD-Zugangs­verfahren vorgestellt, bei dem Upstream und Downstream auf verschiedenen Frequenzen übertragen werden, damit gleich­zeitiges Senden und Empfangen möglich ist.

Von daher ist die Entscheidung der Telekom zum LTE-900-Ausbau definitiv sinnvoll. Sie bringt 50 Prozent mehr LTE-Kapazität bei den tiefen, besonders langreich­weitigen Frequenzen, und das bei zu im Vergleich zu anderen Maßnahmen überschaubaren Kosten. Die Telekom hat es beim LTE-900-Ausbau auch am einfachsten, weil sie bei der letzten Frequenzauktion gleich drei Blöcke im 900-MHz-Band gesichert hat. Damit blieben für Vodafone und Telefónica nur jeweils zwei Blöcke in diesem Bereich. Da alle drei Netzbetreiber je zwei 900er-Blöcke für den Weiterbetrieb von GSM benötigen, hat nur die Telekom nun einen 900er-Block frei, um LTE 900 einzusetzen.

Sanfter Wechsel

LTE-Sendemast von Vodafone LTE-Sendemast von Vodafone
Bild: Vodafone, Montage: teltarif.de
Mittelfristig will die Telekom die für LTE bei 900 MHz zur Verfügung stehenden Frequenz­ressourcen noch erhöhen. Dazu wird sie - anders als jetzt geschehen - aber nicht gleich einen weiteren ganzen 5-MHz-Block von GSM zu LTE umwidmen. Stattdessen plant sie den Parallel­betrieb von GSM und LTE im selben Frequenzband. Dazu wird sie ihr Netz auf Single RAN upgraden, bei dem alle Netz­standards, also GSM/2G, UMTS/3G, LTE/4G und künftig 5G, von denselben Servern codiert und decodiert werden. Gerade ältere Basis­stationen sind hingegen heute noch oft so aufgebaut, dass die moderne 4G-Technik neben älterer 3G-Technik und noch älterer 2G-Technik steht. In diesem Fall ist eine Doppel­nutzung einer Frequenz, zum Beispiel für 2G und 4G, natürlich nicht oder nur mit starken Hindernissen möglich.

Eine weitere Voraussetzung für den Parallel­betrieb ist, dass letztendlich sowohl GSM als auch LTE die Frequenz­blöcke in Subbänder unterteilen. Bei GSM sind diese 0,2 MHz breit, bei LTE sogar nur 0,015 MHz, wobei bei LTE allerdings immer Einheiten von 12 Subbändern, entsprechend 0,18 MHz, zusammen­gefasst werden. Somit ist es zum Beispiel möglich, einen Frequenzblock mit 5 MHz in 3 MHz für LTE (von denen dann 15 * 0,18 MHz = 2,7 MHz effektiv genutzt werden) und 2 MHz für GSM zu teilen. Das Teilungs­verhältnis kann in unter­schiedlichen Regionen sogar unter­schiedlich gewählt werden. Benachbarte Basis­stationen, die sich stark gegenseitig stören, werden hingegen in der Regel dieselbe Aufteilung eines Frequenz­blocks verwenden.

Mittelfristig wollen alle Mobilfunk-Ausrüster ihre Single-RAN- und Cloud-RAN-Lösungen so weiter­entwickeln, dass die Frequenz­aufteilung sogar dynamisch je nach Last im Netz erfolgen kann. Werden viele GSM-Sprachkanäle benötigt, muss LTE entsprechend Ressourcen freigeben. Geht der GSM-Bedarf wieder zurück, werden die Teilbänder wieder dem LTE-Pool zugeschlagen, was entsprechend schnellere Downloads ermöglicht.

In Summe profitieren am Ende hoffentlich alle Kunden: Die einen, weil ihre alten GSM-Endgeräte noch über einen langen Zeitraum funktionieren, die anderen, weil LTE schneller wird. Somit wird die begrenzte Ressource Mobilfunk­frequenzen optimal genutzt. Nur: Mit Single RAN ist es nicht getan. Wo die Nutzerdichte hoch ist und die Netze regelmäßig überlasten, führt am Ausbau des Netzes, also der Ergänzung weiterer Basis­stationen oder zumindest dem Aufstellen zusätzlicher Antennen an bestehenden Standorten, kein Weg vorbei. Freilich ist die Telekom gerade beim Netzausbau in Deutschland schon seit Jahren führend. Mit der Einführung von LTE-900 und Single RAN arbeitet sie daran, ihren Vorsprung zu halten oder sogar noch auszubauen. Andere Netzbetreiber müssen hingegen endlich mal ihre Problemstellen nachhaltig angehen.

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