Gigabit

1 GBit/s für Privatkunden bei der Telekom: Eine Einschätzung

Erstmals nutzt die Telekom ihre etwa 700 000 Glasfaserleitungen wirklich so, wie es die Glasfaser verdient hat: Es gibt einen Gigabit-Anschluss. Doch wie gut ist das Angebot? Und wer kann es buchen?
Von der IFA in Berlin berichtet Thorsten Neuhetzki

Telekom-Chef Niek Jan van Damme Telekom-Chef Niek Jan van Damme
Foto: teltarif.de / Henning Gajek
2011 hat die Deutsche Telekom ihr erstes echtes Glasfaser-Ausbauprojekt für abgeschlossen erklärt: In Hennigsdorf bei Berlin wurde die Glasfaserleitung im Kern der Kleinstadt bis in die Wohnungen der Einwohner verlegt. 5800 Haushalte konnten damit echte Glasfaser-Leitungen bekommen. Und damit gab es in dem Ort erstmals Anschlüsse mit bis zu 200 MBit/s während es in der Hauptstadt Berlin ein paar Kilometer weiter "nur" VDSL mit bis zu 50 MBit/s gibt und gab. An beidem hat sich über Jahre hinweg nichts geändert. Denn weder hat die Telekom in Berlin mittlerweile VDSL Vectoring in der Fläche aktiviert oder Glasfaser ausgebaut, noch hat sie bei den Glasfaseranschlüssen in Hennigsdorf im buchbaren Speed nachgelegt. Bis zur IFA 2017 in Berlin.

Am Freitag hat die Telekom erstmals - abseits eines Pilotprojektes in Chemnitz - Anschlüsse mit 1 GBit/s für Privatkunden auf den Markt gebracht. Mit 1000 MBit/s im Downstream und 500 MBit/s im Upstream können die Kunden im Internet surfen. Allerdings: Der Anschluss ist mitnichten ein Schnäppchen und schon gar nicht für alle verfügbar. Obwohl die Telekom seit 2010 an ihrem Glasfasernetz baut, können nach jüngsten Aussagen des Anbieters gerade mal 700 000 Haushalte versorgt.

Knapp 120 Euro für 1 GBit/s

Telekom-Chef Niek Jan van Damme Telekom-Chef Niek Jan van Damme
Foto: teltarif.de / Henning Gajek
Der scheidende Telekom-Deutschland-Chef Niek Jan van Damme bezeichnete den jetzt eingeführten Tarif als einen Test. Dabei geht es darum, ob die Kunden bereit sind, einen deutlich höheren Preis zu zahlen, wenn sie deutlich mehr Bandbreite nutzen können und ob sie die Anschlüsse am Ende wirklich nutzen. Apropos Preis: Ein Schnäppchen ist das Gigabit nicht: 119,95 Euro verlangt die Telekom monatlich.

Einem muss man aber widersprechen: Telekom-Chef Niek Jan van Damme hatte am Freitag bei der Vorstellung des neuen Anschlusses den Eindruck erweckt, die Telekom sei der erste Anbieter mit einem solchen Anschluss. 1&1 biete solche Anschlüsse an, aber nur für Gewerbekunden, Vodafone habe für Bayern Gigabit-Leitungen angekündigt, aber bisher nicht geliefert und auch bei Unitymedia gebe es bisher nur eine Pilotprojekt-Ankündigung, so van Damme. "Wir sind heute da mit 1 GBit/s", so der Telekom-Chef. Was er nicht erwähnte: Zahlreiche andere Anbieter in Deutschland bieten schon lange Gigabit-Leitungen an - auch für Privatkunden.

So vermarktet die HL-komm-Marke an! schon seit mindestens 2015 einen solchen Tarif in Leipzig. Auch die Stadtwerke Gronau, die Deutsche Glasfaser, Tele Columbus, und die Vereinigten Stadtwerke in Schleswig-Holstein bieten schon seit mehreren Monaten oder Jahren solche Datenraten an - zum Teil sogar für deutlich unter 100 Euro monatlich. Dass die Telekom diese Geschwindigkeitsstufe - wenn auch nicht direkt aber doch suggestiv - für sich proklamiert ist daher zumindest zweifelhaft. Zumal die Telekom die vergangenen Jahre vor allem jene VDSL- und VDSL-Vectoring-Anschlüsse, die den echten Glasfaserausbau ausbremsen, als Glasfaseranschlüsse bezeichnet und den Begriff FTTH vermieden hat. Nun sollen die Kunden plötzlich wieder verstehen, das Glasfaseranschluss nicht gleich Glasfaseranschluss ist - denn das Gigabit bis zu Hause gibt es natürlich nur, wenn die Glasfaserleitung bis zum Kunden nach Hause verlegt wurde.

Wenig hilfreich ist da auch, dass van Damme auf der gleichen Pressekonferenz am vergangenen Freitag erneut sagte "Auch Vectoring ist Glasfaser". Denn es ist genau so viel oder wenig Glasfaser, wie bei einem normalen VDSL-Anschluss oder einem Kabel-Netz, über das Internet genutzt wird. Die letzten (mehrere hundert) Meter sind immer noch Kupferkabel, die zwar immer leistungsfähiger gemacht werden, aber wohl nie das Level einer echten Glasfaserleitung erreichen werden.

700 000 Kunden können den Gigabit-Anschluss buchen

Fairerweise muss man aber auch sagen, dass die Telekom mit 700 000 Haushalten zwar einerseits auf das Bundesgebiet gesehen wenige Haushalte erreicht. Bei einer Gesamt-FTTB/FTTH-Reichweite von etwa 2,4 Millionen Haushalte in ganz Deutschland bei allen Anbietern dürfte die Telekom aber schon den Löwenanteil verbuchen. NetCologne hat nach Angaben des TK-Experten Torsten J. Gerpott eine Reichweite von 470 000 Haushalten.

Der Schritt der Telekom, jetzt doch ein Gigabit-Produkt für Privatkunden einzuführen, kommt überraschend. Schließlich hält die Telekom nicht nur seit Jahren an ihrem FTTH-Ausbau mit angezogener Handbremse fest, sondern auch an dem beschriebenen Tarifschema mit maximal 200 MBit/s im Downstream. Noch im März sagte Telekom-Regulierungschef Wolfgang Kopf, dass für die Masse der Kunden ein 100 MBit/s-Tarif ausreiche. Nun gilt es abzuwarten, ob und wie die vergleichsweise wenigen Kunden, die einen Anschluss bekommen können, den neuen Highspeed-Tarif annehmen.

FTTH im Neubau als Quasi-Monopol

Noch gibt es übrigens keinen Dritt-Anbieter, der die FTTH-Leitungen der Telekom einkauft und unter eigenem Namen mit eigenen Produkten weiterverkauft. Anders als VDSL ist die echte Glasfaser-Leitung der Telekom nicht reguliert und die Telekom setzt alles daran, dass das auch so bleibt. Die Telekom bietet hier zwar Open-Access-Vorleistungen an, den Wettbewerbern sind die Kosten aber zu hoch, die die Telekom für die Vorleistung aufruft. Ein Problem ist das für alle Haushalte, die in einem Neubau mit Telekom-FTTH wohnen. Denn dort gibt es auch keine Kupferleitung mehr, die die Provider einkaufen könnten. Die Folge ist, dass der Bewohner einer solchen Wohnung auf einer Quasi-Monopol-Leitung sitzt und als Alternative mit Glück noch die Monopol-Infrastruktur TV-Kabel als Alternative hat. Solche Oligopole wird es künftig häufiger geben. Bislang galt das auch für viele lokale FTTH-Anbieter. Mit M-net und NetCologne gibt es nun aber schon zwei große Anbieter, die ihre Leitungen beispielsweise auch über die preisaggressive 1&1 vermarkten lassen.

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