Fusion

US-Gewerkschaft gegen Fusion von T-Mobile US und Sprint

Was in Europa vor etwa 50 bis 100 Jahren gelöst wurde, ist in den USA noch aktuell: Gewerk­schaften gelten für viele Unter­nehmen als "Teufels­werk" und werden bekämpft oder igno­riert.
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Die geplante Fusion der Telekom-Tochter T-Mobile US mit dem US-Mobil­funk­anbieter Sprint in den USA ist für die ameri­kani­sche Gewerk­schaft Commu­nica­tions Workers of America (CWA) "eine schlechte Nach­richt für Arbeit­nehmer und Verbrau­cher".

Die Deut­sche Telekom habe es versäumt, ihren Einfluss auf T-Mobile US zum Schutz der Arbeit­nehmer­rechte zu nutzen und habe auf die Bedenken der CWA und anderer Inter­essen­gruppen nicht reagiert. Die CWA sei "eine der ersten Orga­nisa­tionen" gewesen, die zur Fusion Bedenken geäu­ßert habe.

CWA-Präsi­dent Chris Shelton hatte vor zwei Kongress­ausschüssen über die Auswir­kungen der Fusion auf die Arbeit­nehmer ausge­sagt. Wer vor den Ausschüssen des ameri­kani­schen Kongresses geladen wird, muss sich - ähnlich wie bei Gericht - einem umfang­reichen "Verhör" stellen. Das Enga­gement der Gewerk­schaft erlaubte es den Arbeit­nehmern bei T-Mobile US gegen­über Kongress­mitglie­dern und der Aufsichts­behörden der Federal Commu­nica­tions Commis­sion (FCC) ihre Bedenken zu erläu­tern.

Markt­konzen­tration für Arbeit­nehmer von Nach­teil

Jody Calemine, oberster Rechts­berater (engl. "General Counsel") der Gewerk­schaft erklärt das so: „Die CWA sieht im geplanten Zusam­menschluss der Konkur­renten T-Mobile US und Sprint in den USA nach wie vor eine gefähr­liche Markt­konzen­tration, die sowohl für die Arbeit­nehmer als auch die Kunden von Nach­teil sein wird. Der Mutter­konzern Deut­sche Telekom hält sich bislang auffal­lend zurück und macht seinen Einfluss in einem der wich­tigsten Märkte für den Konzern nicht geltend. Ein großer Fehler."

Nachdem zunächst die Klage von zehn Bundes­staaten vorlag, haben inzwi­schen 13 Staaten und der District of Columbia eine Kartell­beschwerde unter­zeichnet, worin sie "Schäden für Arbeit­nehmer, Verbrau­cher und Commu­nities in ganz Amerika befürchten, die durch den Zusam­menschluss von T-Mobile/Sprint entstehen könnten". Diese Beschwerde solle die geplante Fusion von T-Mobile US und Sprint "blockieren". Gene­ralstaats­anwälte aus Hawaii, Massa­chusetts, Minne­sota und Nevada hätten sich der geän­derten Staats­klage ange­schlossen, die am vergan­genen Freitag Gegen­stand einer ersten Anhö­rung vor dem Bundes­gericht war.

Scheinen keine Freunde zu sein: T-Mobile US CEO John J. Legere (links) und Gewerkschaftsboss Christopher M. Shelton (Mitte) Scheinen keine Freunde zu sein: T-Mobile US CEO John J. Legere (links) und Gewerkschaftsboss Christopher M. Shelton (Mitte)
Foto: CWA USA / Agentur Sputnik
Debbie Goldman, Rese­arch and Tele­commu­nica­tions Policy Director bei der Gewerk­schaft CWA, erklärte dazu: “Die Dynamik gegen die geplante Fusion von T-Mobile/Sprint wächst, nachdem vier weitere Staaten erkannt haben, dass der Zusam­menschluss dieser beiden Unter­nehmen wett­bewerbs­widrig und schäd­lich für Arbeit­nehmer, Verbrau­cher und Commu­nities in ganz Amerika wäre. Diese 13 Staaten und der District of Columbia senden ein wich­tiges Signal an die Gutachter des US-Justiz­minis­teriums sowie an die Cali­fornia Public Utili­ties Commis­sion (CPUC), dass es ernst­hafte Wett­bewerbs- und Arbeits­markt­bedenken gibt, die mit dieser Fusion verbunden sind."

Bei einer ersten Anhö­rung im Daniel Patrick Moynihan Federal Court­house in New York stellte U.S.-District-Richter Victor Marrero am Freitag fest, dass der Fall "tradi­tionelle kartell­recht­liche Fragen zur Markt­konzen­tration" aufwirft. Beide Seiten empfahlen einen Verhand­lungs­termin am 7. Oktober 2019, das Verhand­lungs­verfahren könnte zwei bis drei Wochen dauern, während alle Betei­ligten ihre Argu­mente austau­schen und dann eine Entschei­dung gefällt wird.

Gewerk­schaft wirft T-Mobile-US Verstöße gegen Gesetze vor

Die ameri­kani­sche Gewerk­schaft CWA wirft "T-Mobile USA unter der Leitung des CEOs John J. Legere seit Jahren Verstöße gegen US-Arbeits­gesetze vor". Insbe­sondere verhin­dere T-Mobile USA, dass sich ameri­kani­sche Ange­stellte in der CWA orga­nisieren und so für ihre Arbeit­nehmer­rechte eintreten könnten. Dabei werden sogar die harten Worte "Schi­kane" und "Einfluss­nahme" gebraucht, wie die "Befra­gung" von Mitar­beitern über ihre Gewerk­schafts­akti­vitäten, die Über­wachung von Mitar­beitern, die sich orga­nisieren sowie die Isolie­rung von Mitar­beitern aufgrund ihrer Gewerk­schafts­nähe. Gewerk­schafts­vertreter beklagen, dass Unter­nehmen wie T-Mobile US-Gewerk­schafts­mitglieder entlassen hätten. Diese Einschüch­terungs­versuche und Drohungen müssten sofort gestoppt werden.

CWA: Deut­sche Telekom soll eingreifen

Die ameri­kani­sche Gewerk­schaft, die sich nun in Pres­semit­teilungen in deut­scher Sprache an die deut­schen Medien wendet, fordern die Deut­sche Telekom und nament­lich ihren Vorstands­vorsit­zender Timo­theus Höttges auf, "aus seiner Deckung zu kommen und auf John J. Legere einwirken, dass die Gewerk­schafts­forde­rungen ernst genommen würden."

Denn anders als laut CWA von Höttges behauptet, sei die CWA nicht bloß „eine Stimme in einem Konzert“, sondern sieht sich als "entschei­dender Player", wenn es zur Fusion mit Sprint kommen solle. Um nicht 30000 Arbeits­plätze in den USA zu gefährden, fordert die Gewerk­schaft von T-Mobile US eine Arbeits­platz­garantie auszu­spre­chen. Zudem müsse die Deut­sche Telekom das Jahr­zehnt der ille­galen Akti­vitäten von T-Mobile in den USA beenden und sich verpflichten, "sich nicht einzu­mischen und die Rechte der US-Mitar­beiter am Arbeits­platz zu respek­tieren."

Die amerikanische Gewerkschaft CWA befürchtet durch die Fusion von T-Mobile und Sprint weniger Arbeitsplätze Die amerikanische Gewerkschaft CWA befürchtet durch die Fusion von T-Mobile und Sprint weniger Arbeitsplätze
Foto: CWA USA / Agentur Sputnik DE
Die Deut­sche Telekom berufe sich gerne auf ihre Unter­nehmens­werte,schreibt die CWA weiter. Sie sei ein verant­wortungs­bewusster Arbeit­geber, der sich an Gesetze halte und integer handle. Als Mehr­heits­aktionär von T-Mobile US sei es für die Deut­sche Telekom daher uner­läss­lich, "die Verant­wortung zu über­nehmen und das Verhalten ihrer Tochter T-Mobile US zu ändern."

Wer ist die CWA?

Die Commu­nica­tions Workers of America (CWA) ist eine US-ameri­kani­sche Gewerk­schaft. Sie vertritt nach eigenen Angaben 700 000 Beschäf­tigte in den USA, Kanada und Puerto Rico. Gegründet wurde sie 1938 als "National Fede­ration of Tele­phone Workers", sie sei heute in mehr als 10000 Orten der USA anzu­treffen. CWA-Mitglieder arbeiten in den Berei­chen Tele­kommu­nika­tion und Infor­mati­onstech­nologie, Luft­fahrt­indus­trie, Nach­rich­tenme­dien, Rund­funk- und Kabel­fern­sehen, Bildung, Gesund­heits­wesen und im öffent­lichen Dienst, Straf­verfol­gung sowie in der Ferti­gung. Die CWA vertritt unter anderem die Inter­essen ameri­kani­scher Arbeit­nehmer der Unter­nehmen AT & T, Verizon, General Electric, New York Times, Wall Street Journal, United Airlines sowie American Airlines.

Eine Einschät­zung

Liest man sich quer durch das Netz, dann scheinen Gewerk­schaften in den USA für viele dortige Arbeit­geber oder Unter­nehmen ein "Werk des Teufels" zu sein, die man unbe­dingt aus den Unter­nehmen heraus­halten müsse, weil sie "nur für Ärger" sorgen würden. Das erin­nert uns hier­zulande an längst vergan­gene Zeiten vor 50 oder 100 Jahren. Was in Deutsch­land (zumin­dest in größeren Unter­nehmen) längst gelebte Praxis ist, wo sich Gewerk­schaften und Arbeit­geber in der Regel früher oder später auf mehr oder weniger vernünf­tige Lösungen einigen können, in den USA ist das offenbar noch Neuland.

Da die Deut­sche Telekom stark an der Fusion mit Sprint inter­essiert ist, sollten sie sich eigent­lich an allen Fronten und in allen Lagern "Verbün­dete" schaffen, um ihr Ziel zu errei­chen.

Fusion kommt oder kommt nicht?

Je nachdem, wem man glaubt - stünde die Fusion wegen oben genannter Bedenken kurz vor der endgül­tigen Ableh­nung. Andere Quellen sagen, sie stünde kurz vor der Geneh­migung. Nur müssten dafür aber Unter­nehmens­teile und Frequenz­pakete abge­spalten werden, um einen neuen vierten Anbieter zu ermög­lichen.

Wenn letz­teres stimmen sollte, stellt sich für den naiven Beob­achter die Frage, warum die Fusion über­haupt noch statt­finden soll. Nach allem was bekannt ist, ist das Netz von US-Sprint tech­nolo­gisch veraltet und in einem "schlechten" Zustand. Inter­essant könnten also eher die Kunden von Sprint für T-Mobile sein, die auf das bereits bestehende GSM/LTE/5G-Netz migriert werden dürften. Danach könnte die veral­tete Netz­technik von Sprint abge­schaltet und verschrottet werden.

Als Ziel der Fusion gilt ja, die teil­weise noch gar nicht oder nur schlecht ausge­bauten Gebiete mit modernem Mobil­funk zu versorgen. Das durch die Fusion einge­sparte Geld soll - so die Ankün­digungen - in den Netz­ausbau gesteckt werden.

Was die Arbeits­plätze anbe­trifft, wird es sicher Verschie­bungen geben. Mancher Arbeit­nehmer könnte in Regionen umbe­setzt werden, wo es bisher noch kaum Netz oder Ange­bote gab. Wenn das reibungslos funk­tionieren soll, müsste ein gutes Verhältnis zu den Gewerk­schaften eigent­lich selbst­verständ­lich sein. Hier könnte Präsi­dent Trump sein Land auch einmal "groß" machen und sich in Europa anschauen, wie so etwas richtig gemacht wird.

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