Themenspezial: Verbraucher & Service Zero Rating

StreamOn: Gründe gegen ein Verbot

StreamOn sei der Einstieg ins Zwei-Klassen-Internet, behaupten Befürworter der Netzneutralität. Das Angebot der Telekom solle verboten werden. Doch Torsten J. Gerpott hält die Argumentation der StreamOn-Gegner nicht für stichhaltig.
Von Marc Hankmann

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Um StreamOn ist eine heftige Debatte entbrannt. Die Gegner des Zero Ratings fordern ein Verbot solcher Angebote. Ver­braucher­schützer und Politiker laufen Sturm gegen die - aus ihrer Sicht - Ver­letzung der Netz­neutrali­tät. StreamOn sei der Anfang des Zwei-Klassen-Internets. Professor Dr. Torsten J. Gerpott, In­haber des Lehr­stuhls für Unter­nehmens- und Techno­lo­gie­planung mit dem Schwer­punkt Tele­kommuni­kations­wirt­schaft an der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen, geht davon aus, dass StreamOn im April 2018, ein Jahr nach dessen Start, zwischen einer und 1,5 Millionen Kunden haben werde. Das entspräche sechs Prozent der Telekom-Kunden. Nicht gerade viel für so viel Wirbel.

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Den Argumenten der StreamOn-Gegner kann Gerpott nicht viel abgewinnen. So wird etwa kritisiert, dass StreamOn die Freiheit der Verbraucher bei der Wahl von Anwendungen einschränke, weil sie quasi dazu gedrängt würden, ihre Auswahl auf die Content-Partner des Zero-Rating-Angebots zu beschränken. Die Attraktivität von Zero Rating ist logischerweise umso größer, je kleiner das Inklusivvolumen des jeweiligen Mobilfunktarifs ausfällt.

Im Schnitt verbraucht ein Telekom-Mobilfunkkunde laut Gerpott im Monat 1,4 GB. StreamOn wird aber erst bei Tarifen ab 3 GB Datenvolumen angeboten. Das heißt, die Kunden verbrauchen durchschnittlich nicht so viel, wie ihnen zur Verfügung steht. Ergo drängt es sie auch nicht zum Zero Rating. Das Gegenteil ist für Gerpott der Fall: Dank StreamOn bleibt den Telekom-Kunden mehr Datenvolumen übrig, das sie für andere Anwendungen nutzen können.

Kein Eingriff in die Privatsphäre

Porträt Torsten J. Gerpott Professor Dr. Torsten J. Gerpott setzt den Argumenten der StreamOn-Gegner etwas entgegen
Torsten J. Gerpott
Die Begrenzung der Empfangsgeschwindigkeit für Filme auf 1,7 MBit/s, die von Kritikern als Ver­kehrs­management­praxis und damit als Verstoß gegen die Netzneutralität angesehen wird, vergleicht TK-Experte Gerpott mit dem Angebot an Internetanschlüssen mit unterschiedlichen Maximalgeschwindigkeiten. Das Angebot an 16-, 32-, 64-MBit/s-Anschlüssen usw. stellt keineswegs ein unerlaubtes Verkehrsmanagement dar, denn der Verbraucher hat die Wahl. So sieht es Gerpott auch bei StreamOn: Der Telekom-Kunde kann sich dafür oder dagegen entscheiden. Selbst die Begrenzung kann er aufheben, wenn er sich damit einverstanden erklärt, das durch das Streaming eines Films verursachte Datenvolumen auf sein Inklusivvolumen anrechnen zu lassen.

Des Weiteren werfen Kritiker der Telekom vor, eine sogenannte "Deep Packet Inspection" vorzunehmen, um die Daten herauszufiltern, die auf das Inklusivvolumen angerechnet bzw. nicht angerechnet werden. Eine Analyse des eigentlichen Contents sei ein Eingriff in die Privatsphäre der Nutzer. Den Bedingungen für die Teilnahme von Content-Partnern an StreamOn entnimmt Gerpott jedoch, dass zur Unterscheidung der Daten lediglich Steuerungsinformationen ausgelesen werden, was erlaubt ist.

Ebenso kann der TK-Experte keine unverhältnismäßig hohen Hürden für die Teilnahme von Content-Partnern an StreamOn erkennen. Dem vorgebrachten Argument, nicht deutschsprachige Content-Anbieter könnten wegen der Sprachbarriere nicht teilnehmen, setzt Gerpott entgegen, dass es wenig Sinn ergebe, wenn ein Unternehmen ohne jegliche deutschen Sprachkenntnisse im deutschen Markt Fuß fassen will. Aber: Die Haftungssumme von bis zu 50 000 Euro bei Verstößen hält Gerpott für zu hoch. Um sehr kleinen Content-Anbietern die Teilnahme an StreamOn zu erleichtern, hält er eine Begrenzung auf 5000 Euro für zweckmäßig.

Streaming auf Zweitgerät erlauben

Das ist nicht der einzige Punkt, an dem Gerpott Spielraum für Verbesserungen von StreamOn sieht. So können die Nutzer derzeit zum Beispiel keine Inhalte der StreamOn-Partner auf ein anderes Gerät streamen, was laut Gerpott ein Verstoß gegen die Netzneutralitätsrichtlinien des Gremiums Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (GEREK) sei. Auch ein Sonderkündigungsrecht für Kunden, die wegen StreamOn den Tarif bzw. sogar den Mobilfunkanbieter wechseln, für den Fall, dass die Telekom ihr Zero-Rating-Angebot einstellen müsste, würde nach Ansicht des TK-Experten die Attraktivität erhöhen.

Insgesamt hält Gerpott die gleichfalls viel kritisierte Entscheidung der Bundesnetzagentur für richtig, StreamOn nicht gänzlich zu verbieten. Er plädiert dafür, zunächst den Markt entscheiden zu lassen und beispielsweise etwaige Beschwerden von Verbrauchern oder Unternehmern abzuwarten, bevor der Gesetzgeber die Regulierungskeule schwingt. Dabei verweist der TK-Experte auf Länder wie Schweden oder die Niederlande, in denen Zero Rating zuerst grundsätzlich verboten war, die aber inzwischen dazu übergegangen sind, Zero-Rating-Angebote von Fall zu Fall zu entscheiden, was selten zu Verboten führe, sagt Gerpott.

Für das konkurrierende Angebot Vodafone Pass fordern Verbraucherschützer mittlerweile ein Verbot. Unterdessen ist auch bekannt geworden, dass die Telekom Widerspruch gegen die Stream-On-Entscheidung bei der BNetzA eingelegt hat.

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