Landwirtschaft

Technik erobert den Stall: Kühe tragen jetzt Fitnesstracker

Der Fort­schritt verän­dert nicht nur Indus­trie-Arbeits­plätze. Längst haben auch Bauern die Vorzüge von Robo­tern und digi­taler Technik erkannt. Tier­schützer bewerten die Entwick­lung positiv, sehen aber auch Risiken.
Von dpa /

Ein Futterautomat fährt durch den Kuhstall von Landwirt Ochse. Ein Futterautomat fährt durch den Kuhstall von Landwirt Ochse.
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Fressen oder lieber melken lassen? Die Kuh im Stall von Hartmut Ochse scheint unschlüssig. Als der Melkro­boter aber frei wird, stapft sie eilig zur Maschine. Doch die verwei­gert das Melken - die Kuh war erst kürz­lich dort. "Zu oft ist nicht gut für die Euter­gesund­heit", sagt der 54-jährige Land­wirt. Strich­listen über die Besuche der Kühe am Melkro­boter muss er nicht führen. Das über­nimmt der Computer - wie viele andere Tätig­keiten im Stall.

Rund 200 Holstein-Rinder besitzt Ochse. Sein Stall im nord­hessi­schen Fran­kenberg gehört laut dem Bauern­verband zu den modernsten in Hessen. Füttern, Gänge reinigen, die Gesund­heit der Tiere und die Milch­qualität über­wachen - das machen Maschinen. Selbst die Strei­chel­einheiten werden durch einen Sensor gesteuert: Sobald eine Kuh an eine Säule mit zwei rotie­renden Bürsten tritt, startet die Massage. Ein Futterautomat fährt durch den Kuhstall von Landwirt Ochse. Ein Futterautomat fährt durch den Kuhstall von Landwirt Ochse.
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Dank Technik: Wenige Menschen versorgen 200 Tiere

Früher sei das ein Anbin­destall - dabei wurden Kühe fixiert - mit 20 Tieren und einer Melk­maschine gewesen, erin­nert sich Ochses Ehefrau Susanne. 32 Jahre ist das her. Ochse über­nahm den Hof von seinen Eltern und setzte auf moderne Technik. Dank Robo­tern, Compu­tern und Sensoren kann sich die Familie mit einem Sohn und einem Auszu­bildenden allein um 200 Tiere kümmern.

Der Fort­schritt ermög­licht, was früher Science-Fiction war: Die Gesund­heit der Tiere wird unter anderem anhand der Kaube­wegungen über­wacht. Denn Kühe sind Wieder­käuer. Kaut eine Kuh weniger oder mehr als sonst, kann das auf Verdau­ungs­probleme hinweisen. "Es gibt dann einen Alarm­bericht, in dem die Kuh steht", sagt Ochse. Er kann dann das Tier in Augen­schein nehmen und beispiels­weise Futter mit Mine­ralstoff ergänzen. Ausge­wertet werden die Daten am Computer, aber selbst Handy und Tablet lassen sich mitt­lerweile als Arbeits­gerät für Land­wirte verwenden.

Eine Quelle der Daten sind die Hals­bänder der Kühe, die nicht nur optisch an Fitnes­stra­cker erin­nert, mit denen Sportler ihre Schritt­zahl messen. "Letzt­endlich ist das nichts anderes", sagt Ochse. Die Bewe­gungs­muster der Kühe lassen auch Hinweise auf die Brunst zu: So wird eine Kuh auto­matisch am Melkro­boter aussor­tiert, wenn sie paarungs­bereit ist. "Wir müssen nicht mehr hinter den Tieren herlaufen."

Technik setzte sich zunächst zöger­lich durch

Auch das Futter kommt aus der Maschine. "Man muss nur die Futter­küche füllen", erklärt der Land­wirt. Das bedeutet: Mais, Gras, Heu, Stroh und eine Ganz­pflan­zensi­lage - konser­viertes Grün­futter­mittel - werden in einen abge­trennten Bereich des Stalls gelegt. Die Art des Futters muss Ochse am Computer fest­legen, den Rest macht die Maschine: Mit einem Greifarm werden die Zutaten geholt und in einem Behälter gemischt. Dieser fährt zu den Kühen und versorgt sie.

Dabei stieß der Fort­schritt im Stall anfangs durchaus auf Skepsis: Die ersten Melkro­boter beispiels­weise kamen laut dem Hessi­schen Bauern­verband vor 20 Jahren auf. "Damit hat man sich zunächst sehr schwer getan, in den ersten fünf bis zehn Jahren gab es viel­leicht zehn Roboter in Hessen", schätzt Bernd Weber, Spre­cher des Bauern­verbands. Mitt­lerweile habe sich die Anzahl deut­lich erhöht.

Heute seien die Bauern in Sachen Digi­tali­sierung gut aufge­stellt: "Wir brau­chen uns nicht zu verste­cken, speziell in der Milch­tier­haltung", sagt Weber. Die Entwick­lung hat auch Schat­tenseiten: "Damit sind enorme Inves­titionen verbunden, das geht oft in die Millionen", sagt er. Bis die Betriebe solche Beträge erwirt­schaftet hätten, vergingen Jahre. Und Land­wirte bräuchten zur Kalku­lation verläss­liche Rahmen­bedin­gungen. "Doch genau da hapert es", sagt Weber mit Blick auf die Debatte um das Tier­wohl­logo. Auch schnelles Internet auf dem Land sei wichtig für die neue Technik. Eine Kuh lässt sich von einer automatischen Bürste massieren. Eine Kuh lässt sich von einer automatischen Bürste massieren.
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Tiere gehen entspannt mit der Technik um

Land­wirt Ochse betont, dass es seinen Tieren gut geht. Der entspannte Umgang der Kühe mit der Technik bestä­tigt das. Auch Tier­schützer können dem tech­nischen Fort­schritt im Stall etwas abge­winnen, sehen aber Risiken. "Es gibt Erfin­dungen, die für die Tiere von Vorteil sind", sagt Frigga Wirths, Fach­refe­rentin für Tiere in der Land­wirt­schaft beim Deut­schen Tier­schutz­bund. Dazu gehöre der Melkro­boter, der es den Kühen über­lasse, zum Melken zu gehen. Melkt der Mensch, über­trage sich Stress schnell aufs Tier.

Auch Maschinen, die den Boden sauber hielten, und die Gesund­heits­kontrolle über Bewe­gungs­messungen seien sinn­voll. "Es gibt viele nette Sachen, die im Inter­esse der Tiere sind", erklärt Wirths. Die Technik dürfe aber nicht die Betreuung durch den Menschen ersetzen. "Die Gefahr, die ich sehe, ist: Die Tier­halter sind nicht mehr im Stall, sondern sitzen am Computer und verlieren den Blick fürs Tier."

Hartmut Ochse ist vom Fort­schritt über­zeugt: "Die Technik, die es gibt, sollte man auch verwenden." Sie erleich­tere einem Land­wirt auf jeden Fall die Arbeit. Aller­dings lässt sich nicht jede Tätig­keit auto­mati­sieren. Die Pflege der Boxen, in denen die Kühe stehen, ist beispiels­weise immer noch Hand­arbeit. Kuhmist-Schippen muss man eben auch als High-Tech-Land­wirt.

Smart­phone und Tablet sind heute auch auf vielen Äckern nicht mehr wegzu­denken. Einige Land­wirte im Südwesten setzen neuer­dings zudem auf Drohnen und Daten aus dem All.

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