Brandbeschleuniger

SpaceX: Schon wieder führt Sauerstoff zur Explosion

Ein Raketenteststand in McGregor wurde schwer beschädigt, weil eine Sauerstoffleitung leckte. Das weist erstaunliche Parallelen zu einem früheren Unfall auf.
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Eine Rakete der privaten Raumfahrtfirma SpaceX Eine Rakete der privaten Raumfahrtfirma SpaceX
Bild: dpa
Die ambitionierte Raketenfirma "SpaceX" des erfolgreichen seriellen Gründers Elon Musk (PayPal, Tesla Motors, SpaceX, The Boring Company) hat dieses Jahr viele ihre Ziele erreicht: So wurden bis jetzt 16 Starts mit der Falcon 9 durchgeführt - mehr, als in den beiden vergangenen Jahren zusammengenommen - und dabei bereits 37 Kommunikations­satelliten ins All gebracht. Anders als in den beiden vergangenen Jahren gab es auch keine Explosionen der Rakete bei den abschließenden Tests (wie 2016) oder im Flug selber (wie 2015). Zudem gelang es SpaceX dieses Jahr bereits 13 mal, die Unterstufe der Rakete wieder zu landen. Auch das entspricht einer Erfolgsrate von 100 Prozent, denn bei den drei Flügen ohne Landung der Erststufe hatte man die Landung aufgrund des anspruchsvollen Flugprofils (schwere Nutzlast, hohes Orbit) gar nicht erst versucht, weil die Treibstoff­reserven ohnehin nicht gereicht hätten. Schließlich wurden drei der 16 Starts mit einer bereits vorher geflogenen Unterstufe durchgeführt, auch bei diesen Starts gelang jeweils die (erneute) Landung dieser Unterstufe.

Für das Ende des Jahres oder den Beginn des nächsten Jahres steht auch der lange angekündigte Erstflug der Falcon Heavy an, der derzeit stärksten Rakete weltweit. Für die Falcon Heavy werden drei Falcon-9-Unterstufen gebündelt und beim Start gleichzeitig gezündet. Die mittlere dieser drei Stufen reduziert dann aber den Schub, so dass ihr Treibstoffvorrat länger hält als bei den beiden Außenstufen. SpaceX plant, zum Jungfernflug der Falcon Heavy zwei bereits geflogene Unterstufen einzusetzen, und diese erneut an Land zu landen. Die Mittelstufe zwischen diesen ist im Vergleich zu den normalen Falcon-9-Unterstufen weiterentwickelt und wurde folglich auch neu produziert.

Eine Rakete der privaten Raumfahrtfirma SpaceX Eine Rakete der privaten Raumfahrtfirma SpaceX
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Auch der Start der ersten beiden von SpaceX gebauten Prototypen für die geplante Konstellation von 4425 Internet-Satelliten steht in den kommenden Monaten bevor. Damit steigt SpaceX nach dem Geschäft mit Weltraumraketen auch in das Geschäft mit Satelliten ein. Die Konstellation soll quasi überall auf der Welt schnellen Internetzugang ermöglichen. Obwohl die Signale vom Nutzer bis zum Satelliten, dann zurück zur Kontrollstation auf der Erde, von dort zum angesprochenen Server und dann wieder den ganzen Weg zurück, also erneut über den Satelliten, laufen müssen, soll die Ping-Zeit lediglich 25 Millisekunden betragen. Möglich ist dieses, weil die Satelliten in lediglich 1120 bis 1275 Kilometer Höhe fliegen. In 25 Millisekunden legt das Licht etwa 7500 Kilometer zurück.

Explosion eines Teststands

Bei ihren ambitionierten Plänen musste SpaceX jüngst dennoch erneut einen Rückschlag hinnehmen: Auf einem Teststand gab es eine schwere Explosion. Die Reparatur der Schäden wird mehrere Wochen dauern. Anders als anfangs von den meisten Medien gemeldet, darunter auch vielen deutschen Medien, hat jedoch wohl nicht das zu testende Triebwerk die Explosion ausgelöst, sondern ein Sauerstoffleck auf dem Teststand selber, wie zwei Quellen neueren Datums berichten: 1: "not a failure of an engine but rather of the associated test stand Ground Support Equipment (GSE)", 2: "A leak may have occurred around the test stand and caused the fire to brake out."

Der Unfall wirft erneut ein Licht auf die Gefahren von Sauerstoff, der schon für viele schwere Unfälle in der Raumfahrt verantwortlich war. Der berühmteste davon dürfte die Mond-Mission Apollo 13 sein, auf der ein Sauerstofftank explodierte und die drei Astronauten nur knapp mit dem Leben davon kamen, insbesondere, weil sie die Mondlandefähre als "Rettungsschiff" benutzen konnten. An Bord von Apollo 1 verbrannten sogar drei Astronauten bei einer Übung auf der Erde, weil an Bord des Testraumschiffs eine Atmosphäre aus 100 Prozent Sauerstoff (statt 20 Prozent Sauerstoff wie bei normaler Luft) verwendet wurde. Ein Kurzschluss in einem Kabel reichte und in der reinen Sauerstoff­atmosphäre breitete sich das Feuer rasend schnell aus.

Gefährlicher Sauerstoff

Sauerstoff selber ist zwar nicht brennbar, aber flüssiger oder auch konzentrierter gasförmiger Sauerstoff fördert die Verbrennung allen brennbaren Materials. Insbesondere brennen viele Metalle in Gegenwart von Flüssigsauerstoff, während sie an normaler Luft nur langsam oxidieren, also beispielsweise verrosten. Wenn poröses organisches Material Flüssigsauerstoff aufsaugt, entsteht sogar zündfähiger Brennstoff. Letztes Jahr war eine Falcon-9-Rakete während des Betankens für einen Test noch auf dem Startplatz explodiert. Bei der Suche nach der Ursache für diese "Anomalie" fand SpaceX heraus, dass unter bestimmten Bedingungen die mit Kohlenstofffasern verstärkten Helium-Drucktanks, die innerhalb des Sauerstofftanks untergebracht sind, wie eine Bombe detonieren können.

Seither nennt SpaceX eine Explosion eines solchen Helium-Drucktanks auch als Grund für die Explosion der Falcon-9-Rakete im vergangenen Jahr. Ich persönlich halte es aber für sehr unwahrscheinlich, dass der explodierende Drucktank tatsächlich der initale Auslöser des Desasters war. Denn SpaceX selber hatte angegeben, dass bereits zwei Sekunden vor der großen Explosion eine kleinere, leichte Verpuffung zu hören war. Wertet man die Videoaufzeichnung vom Unfall mit differenziellen Methoden aus, wo jeweils nur die Helligkeits-Unterschiede zwischen zwei Frames gezeigt werden, ist diese Verpuffung auch zu sehen, wenn auch sehr schwach. Sie muss also außerhalb der Rakete stattgefunden haben. Vor allem aber ist schon auf dem ersten Frame des Videos nach der Explosion, eine meterhohe und extrem heiße Explosionswolke zu sehen. Bei einer Explosion eines kleinen Tanks innerhalb des kalten Sauerstofftanks hätte man aber keine heißen Gase, sondern stattdessen kalten Sauerstoff herumspritzen sehen müssen.

Ich gehe daher weiterhin davon aus, dass, wie in meinem Artikel vor einem Jahr geschrieben, die erste Explosion außerhalb der Rakete stattfand, und zwar wahrscheinlich durch aus der Luft auskondensierten Sauerstoff, der sich an einer Leitung abgesetzt hatte, durch die unterkühlter Sauerstoff floss. Dieser Kondenssauerstoff wurde dann von der Isolation (PU-Schaum) aufgesaugt und es bildete sich ein detonationsfähiges Gemisch. Nach der Zündung, möglicherweise aufgrund eines Funkens nach einer kleinen atmosphärischen Entladung, flogen Teile der Rohrleitung wie Gewehrkugeln herum, rissen alle Tanks der Rakete auf und brachten auch den Helium-Behälter zur Explosion.

Verrückterweise könnte sich an dem Teststand in McGregor, Texas, erneut genau dasselbe Szenario abgespielt haben: Während der Vorbereitungen für den Test eines der Merlin-Triebwerke der neuesten Generation ("Block 5", die Version, mit der SpaceX auch Astronauten zur ISS befördern will) läuft unterkühlter Sauerstoff durch die Rohrleitungen. An einer Stelle, an der die Isolation an den Rohrleitungen durch die vielen bereits durchgeführten Tests und das entsprechend wiederholte Einfrieren und Wiederauftauen beschädigt ist, kommt die Umgebungsluft direkt an das kalte Rohr heran. Dort bildet sich Kondens­sauerstoff, genauso, wie sich Kondenswasser außen an einem Glas bildet, wenn man in dem Glas einen kalten Drink serviert. Isolationsmaterial neben der beschädigten Stelle saugt den Sauerstoff auf und so bildet sich erneut eine explosive Mischung. Unreinheiten im Material oder ein zufälliger Funken führen dann zur Zündung.

Über die Anomalie auf dem Teststand hat SpaceX bisher nur wenig Material herausgegeben. Insofern kann es auch sein, dass in den Rohrleitungen des Teststands eine "ganz normale" Undichtigkeit auftrat, durch die Sauerstoff austrat. Auch die Explosion der Falcon-9-Rakete letztes Jahr muss nicht unbedingt durch Kondens­sauerstoff erfolgt sein. Auch hier ist denkbar, dass direkt der zu betankende Sauerstoff durch ein Leck austrat und dann mit der Isolation des Rohrs die genannte brisante Mischung ergab. Für die Kondens­sauerstoff-Variante spricht allerdings, dass SpaceX die Sauerstoffrohre sicher regelmäßig mit harmlosen Gasen oder Flüssigkeiten einem stringenten Dichtigkeitstest unterzieht und Lecks daher eigentlich nicht auftreten sollten. Da bei der Explosion auch jeweils das Stück Rohr, an dem die Explosion auftrat, restlos zerstört worden sein dürfte, wird sich vielleicht auch nie klären lassen, ob Kondensation oder ein Leck oder sogar mal das eine und mal das andere die Ursachen waren.

Insgesamt wird die Explosion in McGregor SpaceX nicht weit zurückwerfen. Die aktuelle Falcon 9 "Block 4" ist nicht betroffen, die nächsten Starts können daher unverändert wie geplant durchgeführt werden. Egal, ob in McGregor am Schluss ein Sauerstoffleck oder Kondens­sauerstoff der Auslöser war: SpaceX wird den Fehler zum Anlass nehmen, das gesamte Sauerstoffsystem künftig regelmäßig besonders sorgfältig zu prüfen. Insbesondere vor den Flügen, auf denen Astronauten an Bord sein werden. Zahlenmäßig werden hingegen die Flüge überwiegen, mit denen SpaceX sein Satelliten-Internet aufbaut. Wir werden darüber weiter berichten.

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