Abgelenkt

Mammut-Verfahren um SMS-Betrug geplatzt

Ein Prozess um einen Millionen-Betrug mit Hunderttausenden Geschädigten, die mit angeblichen Flirt-SMS abgezockt wurden, ist wegen des Fehlverhaltens zweier Richter geplatzt.
Von Marie-Anne Winter

Ein Angeklagter sitzt am 17. September 2009 im Kieler Landgericht (Schleswig-Holstein. Ein Angeklagter sitzt am 17. September 2009 im Kieler Landgericht (Schleswig-Holstein.
Bild: dpa
Mit dem Boom der SMS kam auch der SMS-Betrug - es dauerte nicht lange, bis windige Geschäftemacher aus der Sehnsucht nach einem Flirt-Partner ein lukratives Geschäftsmodell machten und ahnungslose Mobilfunk-Kunden mit teuren Premium-SMS abzockten. Im Jahr 2009 begann ein spektakulärer Prozess vor dem Kieler Landgericht, bei dem den damals insgesamt 206 Beschuldigten Ein Angeklagter sitzt am 17. September 2009 im Kieler Landgericht (Schleswig-Holstein. Ein Angeklagter sitzt am 17. September 2009 im Kieler Landgericht (Schleswig-Holstein.
Bild: dpa
gewerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen wurde. Insgesamt 700 000 Geschädigten wurden teure Chat-SMS mit angeblichen Flirtpartnern berechnet, während sie tatsächlich mit bezahlten Animateuren chatteten, die sich hinter gefälschten Profilen versteckten. Die Opfer sollen insgesamt um 46 Millionen Euro betrogen worden sein.

Jetzt ist dieser seit fast sieben Jahren andauernde Prozess um den mutmaßlichen Millionen-Betrug mit Flirt-SMS wegen des Fehlverhaltens von zwei Richtern geplatzt. Die Hauptverhandlung wurde ausgesetzt, nachdem das Landgericht Ablehnungsgesuche gegen einen Schöffen und einen Berufsrichter für begründet erklärt habe.

Uneingeschränktes Interesse

Wie der NDR berichtet, hätten die Angeklagten geltend gemacht, dass die beiden Richter während einer Zeugenbefragung längere Zeit in Unterlagen geblättert hätten, die nichts mit dem Verfahren zu tun hatten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hingegen fordere, dass sich ein Richter einer Zeugenvernehmung mit "uneingeschränktem Interesse" zu widmen habe. Bereits eine nur wenige Sekunden dauernde Befassung mit privaten Dingen sei laut BGH mit der genannten Anforderung nicht vereinbar.

Die beiden abgelehnten Richter dürfen nach dieser Entscheidung der Strafkammer nicht mehr weiter an dem Verfahren mitwirken. Und weil Richter in einer laufenden Verhandlung aber nicht ausgetauscht werden dürfen, kann die Verhandlung nicht fortgesetzt werden. Auch die Aussagen von mehr als 100 Zeugen können nicht mehr verwertet werden. Das Verfahren müsste also wieder völlig neu aufgerollt werden. Allerdings könnte die Strafkammer auch prüfen, ob das Verfahren eingestellt werden kann. Das müsste sie bei der Staatsanwaltschaft beantragen, die darüber zu entscheiden hätte. Derzeit ist aber noch ein Parallelverfahren anhängig, das noch nicht begonnen hat, weil zunächst das Urteil im jetzt geplatzten Prozess abgewartet werden sollte.

Das nun gescheiterte Verfahren mit drei Berufsrichtern und zwei Staatsanwälten gilt als sehr aufwendig -die bisher aufgelaufenen Kosten werden auf anderthalb Millionen Euro geschätzt.

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