Editorial: Weg mit dem Laufzeit-Irrsinn
"Babylon Berlin" lief als Zugpferd zuerst auf Sky
Bild: dpa
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat ein wichtiges Urteil gegen
den Abosender Sky errungen: Demnach darf Sky sich nicht vorbehalten,
das Programm quasi beliebig zu ändern, ohne den Kunden das Recht
einzuräumen, wegen des Wegfalls bestimmter Programminhalte (zum
Beispiel der Übertragung der Spiele der Fußball-Bundesliga oder
von Formel-1-Rennen) zu kündigen. Eine noch weitergehende Klage
des vzbv wurde hingegen abgelehnt: Diese wollte den Kunden auch das
Recht einräumen, nach der Programmänderung statt der Kündigung die
"Fortsetzung des Vertrags zu den vereinbarten Bedingungen" zu verlangen.
Wenn Sky dann nicht liefern kann, weil sie beim
Milliardenpoker um die Übertragungsrechte für Fußball oder Formel 1
ausgestiegen sind, wäre Sky gegenüber den Kunden schadensersatzpflichtig.
Im Zweifelsfall müsste dann Sky nicht nur die Kunden aus dem Vertrag
lassen, sondern ihnen auch noch den Aufpreis erstatten, den ihnen der
Bezug dieser Inhalte bei der Konkurrenz kostet.
Bezüglich dieser sehr weitgehenden Forderung nach quasi Unveränderbarkeit der Programminhalte hatten aber die Richter des Landgerichts München meines Erachtens zu Recht ein Einsehen mit den Problemen eines Fernsehanbieters: Sky kann unmöglich voraussagen, was bestimmte Übertragungsrechte in ein oder zwei Jahren kosten werden, und folglich auch für die Übertragung bestimmter Inhalte nicht garantieren. Es muss also möglich sein, dass Sky die Inhalte ändert. Aber ebenso muss es dann möglich sein, dass die Kunden aussteigen, weil ihnen das geänderte Programm nicht mehr gefällt. Wenn im Sportkanal plötzlich Schwimmen statt Formel 1 läuft, interessiert das halt nicht jeden.
Angesichts der Unsicherheit bei den Übertragungsrechten und der Volatilität des Zuschauerinteresses ist es aus Kundensicht aber generell sehr fragwürdig, dass Sky auf langlaufenden Verträgen besteht. Dahinter dürfte aber sicher Kalkül stecken: In "guten" Monaten mit spannendem Bundesliga-Titelkampf schreibt Sky viele neue Verträge mit Kunden, die dann in langweiligeren Zeiten trotzdem weiter zahlen müssen.
Weniger Laufzeit ist mehr Freiheit
"Babylon Berlin" lief als Zugpferd zuerst auf Sky
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Dabei machen es die Internet-TV-Anbieter wie Netflix oder Maxdome vor,
dass TV-Inhalte auch mit monatlicher Laufzeit verkauft werden können.
So müssen diese Anbieter immer wieder erneut beweisen, dass sie gute,
von den Kunden auch gern gesehene Inhalte produzieren. Sky konnte hier
bisher in längeren Zyklen denken. Das Münchner Urteil verschärft daher
die Konkurrenzsituation für Sky.
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, sowohl Sky als auch der vzbv haben Berufung jeweils wegen der Forderungen eingelegt, mit denen sie unterlegen waren. Bis ein Urteil des Bundesgerichtshofs vorliegt, vergehen wahrscheinlich noch Jahre. Bis dahin haben Verbraucher wenig Handhabe, denn auf eigene Faust parallel zum vzbv zu klagen ist zwar möglich, bedeutet dann aber auch eigenes Kostenrisiko. Besser ist, die Kunden stimmen schon heute mit den Füßen ab und verzichten auf Programmpakete mit langer Laufzeit. Im Web wirbt Sky schon mit "Ab sofort: 12 statt 24 Monate Laufzeit". Mal sehen, ob die Laufzeit demnächst sogar auf einen Monat sinkt.