Poltik

Single-Market-Package: EU-Parlament spricht sich für Beibehaltung des Wettbewerbs aus

Das EU-Parla­ment hat Teile des Single-Market-Package gestoppt. Während das kostenlose Roaming durch­gewunken wurde, wurden geplante Fest­netz­änderungen gestoppt. In Deutschland hätte das gravierende Änder­ungen bedeutet.
Von Thorsten Neuhetzki

Die Vorgaben der EU hätten beträchtliche Auswirkungen auf den deutschen Markt gehabt. Die Vorgaben der EU hätten beträchtliche Auswirkungen auf den deutschen Markt gehabt.
Foto: dpa
Das EU-Parlament hat wie berichtet gestern über die Zukunft der Telekommunikation in Deutschland entschieden. Über die Zukunft der Netzneutralität und das künftig kostenlose Roaming mit dem Handy innerhalb der EU haben wir bereits berichtet. Mehr oder weniger unbemerkt wurde aber auch noch ein anderes Thema behandelt, das für den deutschen Markt gravierende Änderungen bedeutet hätte und das im EU-Parlament gestoppt wurde. Der wesentlichste Punkt: Der Zugang zu Vorleistungsprodukten, die für den Breitbandausbau unverzichtbar sind, kann nicht erschwert oder verhindert werden. EU-Kommiassarin Neelie Kroes wollte den Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) durch Bitstrom-Angebote ersetzen. Das hätte den Schwenk von einem Infrastrukturausbau zu einem virtuellen Vorleistungsprodukt bedeutet, was vor allem seitens der Telekom-Wettbewerber als kritisch beäugt wurde.

"Mit seiner Entscheidung hat das EU-Parlament einer einseitigen Wettbewerbspolitik zugunsten einiger weniger Unternehmen eine deutliche Absage erteilt“, fasst VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner zusammen. Der VATM gilt als Lobbyverband der alternativen Festnetzanbieter. "Wir sind froh, dass unsere Argumente gehört und einige besonders kritische Regelungen im Single-Market-Paket ganz gestrichen wurden."

Auslandsgesprächspreise werden nicht zwangsangepasst

Die Vorgaben der EU hätten beträchtliche Auswirkungen auf den deutschen Markt gehabt. Die Vorgaben der EU hätten beträchtliche Auswirkungen auf den deutschen Markt gehabt.
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Ebenso erfreulich sei die vom Parlament vorgenommene Streichung des Kommissionsvorschlages einer Angleichung der Tarife für EU-weite Ferngespräche auf das Preisniveau nationaler Ferngespräche. Das EU-Parlament habe erkannt, dass es auf dem Markt für Fernverbindungen im Festnetz eine Vielzahl wettbewerblicher Korrektive gäbe und eine Endkundenpreisfestsetzung hierzu keine Alternative sein könne. Dazu gehöre in Deutschland unter anderem Call by Call, zu dem sich der nationale Regulierer, die Bundesnetzagentur, erst vor kurzem bekannt hatte.

Wichtig für die Wettbewerber in Deutschland sei zudem die Streichung des Vetos der Kommission durch Rechtsmittel. "Mit einer Stärkung des Vetorechts hätte die Kommission über einen ‘Generalschlüssel‘ verfügt. Sie hätte damit die Möglichkeit gehabt, trotz tatsächlich fehlender Vergleichbarkeit der nationalen Märkte sowie uneinheitlichen Investitionsgrundlagen vermehrt auf politisch motivierte regulatorische Maßnahmen sowie Anreize für Incumbents [die ehemaligen Monopolisten] zu setzen."

Kritik an kostenlosem Roaming

Doch der in der Branche für seine pointierten Aussagen bekannte Lobbyist kritisiert auch Entscheidungen des Parlaments. Dass die Nutzung fremder Mobilfunknetze im Ausland beitragspflichtig ist, sei für die Kunden eigentlich nachvollziehbar und unstrittig. "Ein Verbot, für eine unstrittig erbrachte Leistung ein Entgelt vom Kunden zu verlangen, ist eine schlechte Verbraucherschutzpolitik", argumentiert Grützner. Nun müssten andere dafür zahlen. Für den Breitbandausbau sei es enorm wichtig, dass die Kunden wissen, wofür sie bezahlen und die Nutzung eines Netzes auch einen Wert hat. "Leistung für 0 Euro" sende ein falsches psychologisches Signal an die Verbraucher.

Enttäuscht zeigt sich Grützner auch bei der nun getroffenen Abstimmung zum Thema Netzneutralität. Durch die heutige Abstimmung habe sich Europa einen Bärendienst erwiesen. Die Debatte sei insbesondere in den letzten Tagen zu emotional verlaufen und habe wichtige Aspekte des Marktes ausgeblendet. Zwar dürften Zugangsanbieter auch zukünftig Spezialdienste wie Video-on-Demand in höherer Qualität anbieten, solange diese die Verfügbarkeit oder Qualität der Internetzugangsdienste nicht beeinträchtigen, die anderen Unternehmen oder Diensten angeboten werden. "Netzneutralität und Netzwerkmanagement müssen kein Widerspruch sein, solange der Kunde über das Verhältnis von Qualität und Best-Effort entscheiden kann." Mit Abschluss der Lesung im Europäischen Parlament liegt der Ball nun bei den Mitgliedstaaten. Mit einer Einigung ist nach Einschätzung des VATM frühestens Ende 2014 zu rechnen.

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