re:publica: Empörte Netz-Community will nach NSA-Überwachung radikal Widerstand leisten
Die re:publica in Berlin
Bild: re:publica
Militante Töne auf der Netzkonferenz re:publica: Kampf
gegen kriminelle Geheimdienste, Sabotage, radikale Aktionen sind
Stichworte auf dem ersten Tag des Treffens in Berlin. Die
Internet-Aktivisten fühlen sich angegriffen. Ihr Lebensraum im Netz
ist bedroht. Für seine Verteidigung ziehen manche der 6 000
Konferenzteilnehmer heute auch Aktionen am Rande der Legalität
in Betracht.
"Wir gehen mit Kommunikations-Guerilla in existierende Machtkörper hinein, um ihre Realität zu demaskieren", sagt Jean Peters von der Berliner Aktionsgruppe "Peng Collective" im Anschluss an einen Workshop unter dem Motto "Zeit für Sabotage!". Die Gruppe sprengte im Dezember vergangenen Jahres eine Veranstaltung des Mineralölkonzerns Shell, für deren Teilnahme sie sich unter falschem Namen erfolgreich im Internet beworben hatte. "Wir brauchen eine Art Greenpeace der digitalen Menschenrechte mit Leuten, die sich an Server anketten", sagt Peters. Vielen Menschen sei gar nicht bewusst, was alles möglich sei.
Die re:publica in Berlin
Bild: re:publica
In den USA haben das "The Yes Men" vorgemacht. Sie bekommen die Bühne
für den ersten Hauptauftritt der Konferenz und werben für Aktionen,
die nicht nur auf Facebook und Twitter Wellen schlagen, sondern in
die politische Realität eingreifen. Zu den Waffen der Aktivisten
gehören "Hoaxes", Fälschungen wie eine vermeintliche Pressekonferenz
der US-Handelskammer mit dem Ziel, deren ablehnende Haltung zum
Klimaschutz zu attackieren. Jetzt entwickeln sie eine Plattform für
die internationale Vernetzung zu gemeinsamen Aktionen, ein "Action
Switchboard".
Hauptgegner am ersten Tag der re:publica sind die "kriminell agierenden Geheimdienste, die uns einfach mal das Netz entrissen haben", wie es re:publica-Mitbegründer Markus Beckedahl formuliert. "Wir sind empört. Es ist unser Netz, lasst es uns gemeinsam zurück erkämpfen!"
Edward Snowden ist der große Held der re:publica
Der große Held der re:publica ist Edward Snowden mit seinen Enthüllungen zur Überwachungspraxis des US-Geheimdienstes NSA. "Alle Staaten spähen Bürger aus", sagt die britische Wikileaks-Aktivistin Sarah Harrison, die Snowden im vergangenen Jahr von Hongkong nach Moskau begleitet hat. "Was bei den USA anders ist, ist das riesige Ausmaß, mit der Fähigkeit, all die Informationen zu sehr niedrigen Kosten zu speichern."
Die Übermacht der staatlichen Gegenspieler wird realistisch betrachtet: Harrison lebt seit November 2013 in Berlin, weil sie in Großbritannien ihre Festnahme fürchtet. Eine überzeugende Antwort darauf gebe es noch nicht, sagt Konferenzteilnehmer Stephan Urbach. "Manchmal muss man sich einfach eingestehen, dass man gerade machtlos ist", sagt er. "Wir stehen vor einem Problem, dass wir in Europa gar nicht lösen können."
Der netzpolitische Aktivist und Journalist Markus Beckedahl
Bild: dpa
Orientierung gibt das Internet selbst, dezentral und umfassend
vernetzt. Der weißrussische Publizist Evgeny Morozov ruft die
Netzaktivisten auf, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Die
digitale Welt sei nicht vom übrigen Alltag getrennt: "Es ist nicht
möglich, und ich denke auch nicht erstrebenswert, eine Bewegung nur
auf digitalen Themen zu begründen." Aktivisten müssten sich besser
vernetzen, um gegen die Macht von Staaten und Unternehmen anzugehen.
In diesem Widerstand hofft die Konferenz auf digitale Technik. Verfügbare Werkzeuge wie die Anonymisierungstechnik Tor sind oft nicht einfach zu benutzen - daher schrecken viele auch vor dem Einsatz des Verschlüsselungsprogramms PGP zum Schutz von E-Mails und anderen vertraulichen Daten zurück. "Wenn ein Toaster eine Millionen Funktionen hätte, würde ich mir wohl nie einen Toast machen", sagt die US-Aktivistin Jillian York. Der in Berlin lebende US-Entwickler Jacob Appelbaum wirbt daher für die kreative Neugestaltung von Software: "Geheimdienste haben Angst vor einfach einsetzbaren, sicheren Kommunikationswerkzeugen."
David Hasselhoff will die digitale Freiheit retten
Vor 25 Jahren tanzte er auf der Mauer und sang von Freiheit - jetzt will David Hasselhoff die Freiheit im Internet verteidigen. "Massenhafte Überwachung ist ein bisschen beängstigend", sagte er auf der Internetkonferenz. "Wenn es um korrupte Regierungen oder Terroristen geht, natürlich, aber wenn es um Einzelpersonen geht, ist das absolut falsch."
Hasselhoff hat seine eigenen schmerzvollen Erfahrung gemacht. Vor einigen Jahren tauchte ein Video von dem Sänger im Vollrausch online auf. "Ich habe viele Tage damit verbracht, zu versuchen, das Video aus dem Netz zu bekommen", sagte er. Das Video stamme vom Computer seiner Tochter, der gehackt worden sei. Doch diese Gefahr bestehe jetzt für jeden, sie gehe von Geheimdiensten aus. "Sie können Ihre E-Mails lesen, sie können Ihre SMS lesen, sie können Ihre Fotos und ihre Adressbücher sehen, alles."
Die IT-Sicherheitsfirma F-Secure hatte Hasselhoff eingeladen. Sie will gemeinsam mit Hasselhoff ein Manifest für digitale Sicherheit auf den Weg bringen. Warum ausgerechnet der 80er-Jahre Star dafür der richtige Ansprechpartner ist, ließ F-Secure-Manager Mikko Hypponen auf der Bühne offen.