Editorial: "Recht auf Vergessenwerden" faktisch ausgehebelt
Was bringt das "Recht auf Vergessenwerden"?
(c) dpa
Gut fünf Jahre ist es her, da hat der EuGH in einem viel beachteten
Datenschutz-Urteil das "Recht auf Vergessenwerden"
festgeschrieben:
Man hat als Betroffener ein Recht darauf, dass einem im Internet
Jugendsünden wie betrunkene Partybilder oder eine Privatinsolvenz
nicht jahrzehntelang nachhängen. Irgendwann muss Schluss sein mit dem
Internet-Pranger.
Dieses wegweisende Urteil hat der EuGH in erneuten Verfahren nun stark eingeschränkt. Zum einen weist der EuGH erneut darauf hin, dass zwischen dem berechtigten Informationsinteresse der Allgemeinheit und dem Schutzinteresse des einzelnen abgewogen werden müsse. Und zum anderen beschränkt der EuGH das "Recht auf Vergessenwerden" auf die innerhalb der EU gelegenen Landesversionen von Google.
Außerhalb der EU können Inhalte angezeigt werden
Was bringt das "Recht auf Vergessenwerden"?
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Inhalte, die aufgrund des "Rechts auf Vergessenwerden" also
in Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal usw. blockiert werden
müssen, können von Google also weiterhin in den USA, Kanada,
allen südamerikanischen, asiatischen, afrikanischen und noch weiteren
Ländern angezeigt
werden. Zwar spricht der EuGH davon, dass Google verhindern muss, dass
Nutzer aus der EU auf diese anderen Landesversionen zugreifen und meint
damit wohl Geoblocking. Nur: Mit VPNs und Proxy-Servern lässt sich
Geoblocking bekanntermaßen leicht umgehen. Und selbst, wenn Google
alle bekannten VPNs, öffentlichen Proxies und TOR-Exit-Server ausfiltert:
Es reicht, einen Freund in einem Nicht-EU-Land zu fragen, dass dieser
kurz eine Google-Suche macht und einem die Ergebnisse schickt, um das
Geoblocking wirksam zu umgehen.
Oder künftig halt selber mal schnell nach London zu fliegen, um die
entsprechenden Abfragen im Flughafen-WLAN durchzuführen. Danach kann man
auch direkt wieder zurückfliegen.
Wenn man Google also nur zum Vergessen innerhalb der EU verpflichtet, dann kann man es faktisch auch gleich sein lassen. Die Inhalte sind in unserer globalisierten Welt dann nämlich trotzdem verfügbar.
An der Quelle löschen ist ebenfalls eine Illusion
Auch die Ansicht des Datenschutzexperten der Piratenpartei, Patrick Breyer, illegale Inhalte möglichst direkt an der Quelle zu löschen statt in den Suchmaschinen, ist wenig zielführend: Es gibt inzwischen tausende an Top-Level-Domains wie ".de", ".info", ".shop" aber eben auch ".adult", ".wtf" ("What the F***"), ".xxx". ".hiv" oder gar ".rip" ("Rest in Piece" - "Ruhe in Frieden"). Diese Domains sitzen alle bei unterschiedlichen Registraren, viele davon auch in Jurisdiktionen, die sich europäischen Werten wie Schutz vor Beleidigung und Hetze eher weniger verpflichtet fühlen. Dorthin eine Löschanfrage zu schicken ist genauso erfolgversprechend, wie diese gleich in der berühmten "Ablage rund" zu versenken.
In der Realität angekommen?
Positiv an dem Urteil ist, dass der EuGH damit faktisch in der Realität angekommen ist. Inhalte im Internet lassen sich eh nicht kontrollieren. Was im regulären Internet verbannt wurde, taucht sowieso mit Priorität in den Tauschbörsen und im Darknet wieder auf. Löschersuchen können also auch nach hinten losgehen.