Smartphones werden als Radiogeräte maßlos überschätzt
Nur 20 Prozent der Audioanwendungen auf Smartphones entfallen auf Live-Radio
Bild: teltarif.de / Michael Fuhr
Viele Hörfunkunternehmen sehen Smartphones als Radiogeräte der Zukunft und wünschen sich die Mobiltelefone als wichtigen Bestandteil bei Migrationsszenarien vom analogen zum digitalen Hörfunk. Eine aktuelle Untersuchung aus Großbritannien (RAJAR Midas Audio Survey) zeigt: Auf Smartphones spielt Radiohören zwar eine Rolle, zumeist über Streams, seltener auch, falls überhaupt noch eingebaut, über UKW. Allerdings machen Live-Radio gerade einmal 20 Prozent aller Audio-Inhalte aus, die über Mobiltelefone konsumiert werden.
In den USA wird nach Erhebungen des Marktforschungsinstituts Edison Research, die auf den Münchner Medientagen 2018 vorgestellt wurden, über digitale Endgeräte wie Smartphones oder Tablets sogar nur in 8 Prozent der Audio-Nutzungszeit Live-Radio gehört.
Benutzererfahrung suboptimal
Nur 20 Prozent der Audioanwendungen auf Smartphones entfallen auf Live-Radio
Bild: teltarif.de / Michael Fuhr
Der Radio-Futurologe James Cridland hat hierfür eine einfache Erklärung: Die Benutzererfahrung sei alles andere als optimal, sagt er in einem Beitrag des Magazins "Radioszene".
In der Tat muss man beim Radiokonsum per Smartphone immer erst eine App starten und den gewünschten Sender suchen, statt einfach den Einschaltknopf zu betätigen. Will der Nutzer nicht quäkenden Sound von den zumeist schlechten Lautsprechern des Smartphones, müsste er das Mobiltelefon per Bluetooth oder per Kabel mit der HiFi-Anlage oder drahtlos mit Bluetooth- oder Multiroom-Lautsprechern verbinden. Vielen ist das zu aufwendig. Wenn man einen UKW-Sender hört, würden zudem keine Logos angezeigt und es gebe nahezu keine Metadaten, betont Cribland.
App-Nachrichten via Katwarn und Co., seien zudem wesentlich effektiver, wenn es darum geht, eine unmittelbar bevorstehende Gefahr (wie Stürme oder Feuer) bekannt zu geben. "Radio mag hier einmal wichtig gewesen sein, aber inzwischen hat sich das Blatt gewendet", sagt Cribland.
Musikstreaming schlägt Live-Radio
Was beim Smartphone jedoch im Bereich Audio funktioniert, sind non-lineare Dienste wie Musikstreaming, Podcasts oder Audiotheken - also alles, wozu interaktives Handeln durch die Nutzer gefordert ist. Musikstreaming-Dienste wie Spotify oder Amazon Music gelten hierbei aber eher als Konkurrent des klassischen Radios.
Cribland spricht sich in seinem Plädoyer an die Industrie daher weiter für externe Hardware wie Kofferradios, Boomboxen, Kompaktanlagen oder HiFi-Tuner aus: "Wir sollten unsere Energie lieber darauf verwenden, unsere Hörer zu unterhalten, statt magische Einhörner zu jagen, deren Nutzen eher zweifelhaft ist."