Digitalradio

DAB+: Heftige Kritik an Ver­zöge­rungs­taktik in NRW

NRW tut sich schwer bei DAB+. Auf der einen Seite stehen neue, innovative Veranstalter, die gerne digital auf Sendung gehen wollen. Auf der anderen Seite steht der Schutz der UKW-Lokalsender vor zu viel digitaler Konkurrenz. Das führt zu einer Verzögerungstaktik.
Von

Mit DAB+ Radios kann man bislang keine regionalen Privatsender in NRW hören Mit DAB+ Radios kann man bislang keine regionalen Privatsender in NRW hören
Foto: Hama
Das Düsseldorfer DAB+-Ballungsraumprojekt Mehr! Radio [Link entfernt] könnte starten. Die Lizenz liegt vor und genug Frequenzen sind da. Mehr! Radio plant den DAB+-Plattformbetrieb in der Landeshauptstadt mit einem eigenen und zugelieferten Programmen. Darum hat der Veranstalter die Landesanstalt für Medien (LfM) aufgefordert, sich von der Bundesnetzagentur (BNetzA) eine Frequenz zuteilen zu lassen. Das dauert in der Regel nur wenige Wochen. Aber seit einem halben Jahr weigert sich die LfM, das zu tun, und hat es vorerst auch nicht vor, wie sie mitteilte. "Das ist eine Missachtung des einstimmigen Mandats der Medienkommission", so Mehr! Radio in einer Pressemitteilung.

Nordrhein-Westfalen tut sich schwer beim Thema DAB+. Auf der einen Seite stehen neue, innovative Veranstalter, die gerne im bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland digital auf Sendung gehen wollen. Auf der anderen Seite steht der Schutz der UKW-Lokalsender vor zu viel digitaler Konkurrenz. Hier einen Konsens zu finden fällt der Medienanstalt offenbar schwer.

Mehr! Radio sieht Grundrecht zum Rundfunkzugang verletzt

Mit DAB+ Radios kann man bislang keine regionalen Privatsender in NRW hören Mit DAB+ Radios kann man bislang keine regionalen Privatsender in NRW hören
Foto: Hama
Bei einer vorzeitigen Ausschreibung für einen Ballungsraum-Multiplex im Großraum Düsseldorf befürchte die LfM, dass der ebenfalls geplante landesweite Privatradio-Multiplex "für weitere Plattformbetreiber und Inhalteanbieter erheblich an Attraktivität verlieren könnte." So begründet die LfM ihre Entscheidung, nicht eher lokale Kapazitäten in Ballungsräumen auszuschreiben, bevor das Gesamtkonzept für alle DAB+-Angebote in NRW steht. Außerdem glaube die LfM, dass ansonsten der Lokalfunk schlechtere Möglichkeiten hätte, NRW-weit auf DAB+ zu senden. Dabei habe die LfM nach eigenen Angaben auch wirtschaftliche Aspekte im Auge.

"Diese Entscheidung aufgrund von reinen Prognosen und Vermutungen steht der LfM nicht zu", sagt Richard Zyla, Geschäftsführer von Mehr! Radio. "Wir sehen unseren chancengleichen Zugang verletzt und unser Grundrecht auf Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz eingeschränkt", so Zyla weiter.

Es sei nicht Aufgabe einer Medienbehörde, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf bestehende Anbieter zu berücksichtigen. Dies urteilte schon das Sächsische Oberverwaltungsgericht 2006 in einem ähnlichen Fall. Außerdem müssten Bewertungen der Behörde erkenntnisgestützt sein und dürfen nicht auf Prognosen beruhen.

Call-of-Interest, Gutachten und wieder Call-of-Interest

Nach den Plänen der LfM würde nach der Sommerpause gerade einmal der Grundstein für ein Konzept ab 2022 vorliegen. Später könnten Gespräche mit allen Beteiligten folgen. Und auch danach weiß die LfM offenbar nicht, wie es genau weitergeht. Dazu heißt es von der Medienanstalt: "Die Ergebnisse […] könnten dann in einem Antrag auf Zuordnung […] münden". Zuvor soll es aber einen erneuten Call-of-Interest unter potenziellen Programmveranstaltern geben. Der letzte datiert aus dem Jahr 2015.

Auch liege der LfM das Gutachten der Beratungsfirma Goldmedia bereits seit April vor. Dieses hatte die LfM als Entscheidungshilfe für die Digitalisierung des Hörfunks in Auftrag gegeben. Veröffentlicht ist es allerdings immer noch nicht. Die LfM will es erst noch kommentieren. "Wozu?", fragt Richard Zyla. "Spricht das Gutachten nicht für sich, so dass es noch einer Ergänzung bedarf?"

Inzwischen hat die LfM zu einer Informationsveranstaltung zur Zukunft des Hörfunks in Nordrhein-Westfalen eingeladen. Termin ist der 25. September. Dann sollen auch die Ergebisse des Gutachtens vorgestellt werden.

Radiovielfalt und Digitalisierung lassen also in NRW weiter auf sich warten. Und das, obwohl viele Anbieter in den Startlöchern stehen. Während andere Bundesländer und Staaten immer mehr Frequenzen für sich beanspruchen, geht es im größten Bundesland nur in Zeitlupe voran. "Das ist hochriskant. Es besteht die Gefahr, dass für NRW nur Frequenzreste übrigbleiben. Damit gingen wertvolle Ressourcen für immer verloren, die den Menschen in Nordrhein-Westfalen gehören. Was jetzt (nicht) passiert, verhindert engagierte Startups, viele neue spannende Radiosender und Investitionen", so Mehr! Radio.

Mehr zum Thema DAB+