Digitalradio

DAB+: Wie der NDR kostbare Frequenzen verschwendet

Während die meisten ARD-Anstalten Gleichwellennetze für die Verbreitung des digital-terrestrischen Radios DAB+ nutzen, setzt der NDR auf eine andere Lösung: Für fast jede Stadt oder Region ein anderer Kanal. Frequenzökonomisch und verbraucherfreundlich ist das nicht.
Von

Gleiches Ensemble, mehrere Kanäle: Der NDR überfordert DAB+-Hörer Gleiches Ensemble, mehrere Kanäle: Der NDR überfordert DAB+-Hörer
Quelle: Youtube, Screenshot: Michael Fuhr
Das terrestrische Digitalradio DAB+ sorgt für eine weit größere Programmvielfalt als das analoge UKW. Normalerweise sind auch genügend Frequenzen vorhanden, um mehrere Ensembles pro Bundesland zu verbreiten: Das sind bisher in der Regel ein Kanal für den "Bundesmux" (bundesweit auf Kanal 5C), ein bis drei Kanäle für öffentlich-rechtliche Ensembles der ARD-Anstalten, ein Kanal für landesweite Privatradios sowie mehrere Kanäle für private Lokal- und Regionalradios. In vielen Regionen halten sich die Privatradios aber noch zurück, sodass das Frequenzspektrum bei weitem nicht ausgereizt ist.

Großer Vorteil bei DAB+ sind Gleichwellennetze, in der Fachsprache Single Frequency Networks (SFNs). Hier sorgen mehrere Sender, die sich ergänzen, für eine stabile Empfangsqualität. Zudem können auf diese Art und Weise Frequenzressourcen eingespart werden. Fast alle ARD-Anstalten nutzen großflächige SFNs. Zumeist wird pro Bundesland nur ein Kanal zur landesweiten Verbreitung eines Ensembles genutzt, etwa der Kanal 11D für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) in Nordrhein-Westfalen oder der Kanal 7B für den Hessischen Rundfunk (hr).

NDR: Für fast jede Stadt oder Region ein eigener DAB+ Kanal

Gleiches Ensemble, mehrere Kanäle: Der NDR überfordert DAB+-Hörer Gleiches Ensemble, mehrere Kanäle: Der NDR überfordert DAB+-Hörer
Quelle: Youtube, Screenshot: Michael Fuhr
Einen anderen Weg hat der Norddeutsche Rundfunk (NDR) eingeschlagen: Zumeist nutzt der NDR im Sendegebiet jeweils eigene Frequenzen, um nur eine Stadt oder Region zu versorgen und verzichtet dabei weitgehend auf SFNs. Insgesamt verschwendet der NDR auf diese Art und Weise nun schon 15 (bald 17) Kanäle, um die vier Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Niedersachsen mit dem terrestrischen Digitalradio zu versorgen. Ein Ende ist nicht in Sicht: Bedarfsanmeldungen bei der Bundesnetzagentur signalisieren, dass der NDR weitere Frequenzen für die DAB+-Verbreitung beanspruchen will.

Vom NDR heißt es, dass man bewusst diese Struktur gewählt hat, weil Gleichwellennetze auf dem flachen Land nicht so gut funktionieren. Experten zweifeln diese Begründung jedoch an: So sorgen großflächige SFNs beispielsweise in Dänemark oder den Niederlanden, wo es ebenfalls keine oder kaum Berge gibt, für einwandfreie Empfangsergebnisse beim Digitalradio.

Digitalradiogeräte überfordert

Das Gegenteil ist der Fall: Viele Digitalradio-Geräte sind überfordert, wenn ein identisches DAB+-Ensemble auf unterschiedlichen Kanälen ausgestrahlt wird. Wer beispielsweise von Göttingen nach Hamburg über die A7 fährt und den NDR über DAB+ hören will, muss bei vielen Radios fünfmal den Suchlauf betätigen. Die wenigsten DAB+-Autoradios oder -Adapter verfügen über eine Funktion wie RDS beim UKW-Empfang und scannen im Hintergrund nach stärker einfallenden Kanälen. Oft wird zudem bei einem Suchlauf nicht der am stärksten einfallende Kanal gewählt, sondern derjenige, der als erster gefunden wird. Das Resultat sind häufige Ausssetzer und daher genervte Autofahrer.

Im Bereich zwischen Göttingen und Hildesheim zeigt sich ein weiterer Nachteil: Während sich beim Bundesmux die Sender Göttingen und Hildesheim (Sibbesse) im SFN ergänzen und ein aussetzerfreier Empfang möglich ist, sind im Bereich Northeim die NDR-Programme nur mit Störungen zu hören, da das NDR-Ensemble aus Göttingen und Hildesheim auf jeweils eigenen Frequenzen ausgestrahlt wird.

Böse Zungen behaupten, der NDR wolle sich mit seiner DAB+-Politik möglichst viele Kanäle sichern. Das Problem: Wird ein Kanal in einer Region eingesetzt, ist er häufig in einem Radius von fast 200 km nicht mehr nutzbar. Das könnte schnell zu einer Frequenzknappheit in den Nordländern und angrenzenden Bundesländern führen.

Der NDR sollte also darüber nachdenken, ob er künftig - auch im Sinne der Verbraucher - nicht wie alle anderen ARD-Anstalten seine digital-terrestrische Verbreitung doch auf landesweite Gleichwellennetze umstellt. Die bisherige Struktur würde nur Sinn ergeben, wenn der NDR auch seine NDR1-Regionalprogramme auf DAB+ verbreiten würde oder sein Netz für regionale Privatradios öffnet. Das ist im Moment aber nicht der Fall.

Warum bei zahlreichen neueren Autos der DAB+-Empfang schlechter ist als in älteren Fahrzeugen und warum diese Verschlechterung offenbar sogar gewollt ist, lesen Sie in unserem Artikel Programmierter Frustfaktor: DAB+-Empfang im Auto.

Mehr zum Thema DAB+