Norwegen

Umstieg auf DAB+ in Norwegen ein Erfolg - oder doch nicht?

Norwegen hatte im Dezember 2017 die nationale analoge Radioübertragung zugunsten von DAB+ beendet. Das Ergebnis überrascht nicht: Die Umstellung ist ein Erfolg oder Misserfolg, je nachdem, aus welcher Sichtweise man es betrachtet.
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Norwegen hat UKW zugunsten von DAB+ abgeschaltet. Norwegen hat UKW zugunsten von DAB+ abgeschaltet.
Bild: Screenshot Digitalradio Norge/Michael Fuhr
Was passiert, wenn ein Land den analogen UKW-Hörfunk einstellt? Diese Frage kann als erstes Norwegen beantworten. Das skandinavische Land hatte im Dezember 2017 die nationale analoge Radioübertragung zugunsten von DAB+ beendet. Das Ergebnis überrascht nicht: Die Umstellung ist ein Erfolg oder Misserfolg, je nachdem, aus welcher Sichtweise man es betrachtet.

Einseitige Berichterstattung mit schwedischem Ursprung

In den vergangenen Tagen machten beispielsweise Meldungen in der Süddeutschen Zeitung oder der taz die Runde, wonach 56 Prozent der Norweger mit der Umstellung auf DAB+ unzufrieden seien und es erhebliche Reichweitenverluste gäbe. Der Ursprung dieser Meldungen kam allerdings nicht aus Norwegen selbst, sondern aus Schweden. Hier steht man einer Umstellung von UKW auf DAB+ sehr skeptisch gegenüber, der Ausbau von DAB+ wurde gestoppt, statt dessen wurden neue UKW-Lizenzen vergeben. Über Korrespondenten gelangten diese Negativ-Berichte über das Nachbarland Norwegen auch in deutsche Medien, ein völlig einseitiges Bild wurde vermittelt.

Neue Programme sorgen für steigende Reichweiten

Die reinen Fakten sprechen eine andere Sprache. Die öffentlich-rechtlichen und privaten Radioveranstalter sowie die Verantwortlichen bei Digitalradio Norwegen ziehen vielmehr eine positive Bilanz nach dem Umstieg von UKW auf DAB+: Große Reichweitengewinne erzielen Programmangebote, die es vorher auf UKW nicht gab, meldet die norwegische Kommunikationsbehörde in ihrer jüngsten Übersicht.

Doch nicht jeder freut sich darüber: So sank der Marktanteil der fünf traditionellen Programmangebote (NRK-Kanäle P1, P2 und P3, P4 und Radio Norway) von 60,2 auf 42,1 Prozent. Dagegen konnten die neuen auf DAB+ verfügbaren öffentlich-rechtlichen und privaten Programmangebote ihren Marktanteil von 26,4 auf 36 Prozent erhöhen (neue NRK Programme, private Prorgamme der P4-Gruppe und Bauer Media, zum Beispiel NRK P1 +, P7 Clip und Radio Rock).

Die nationale Vielfalt ist durch DAB+ von fünf auf 31 Sender angewachsen. Der Netzausbau sei laut der Betreiber hervorragend: Die öffentlich-rechtlichen Programme erreichen inzwischen 99,7 Prozent der Bevölkerung, die der privaten Anbieter 92,8 Prozent. Das mobile DAB+-Netz ist besser ausgebaut als das ehemalige UKW-Netz, bestätigt die norwegische Kommunikations­behörde. 86 Prozent der Bevölkerung nutzen heute digitale Verbreitungswege, die große Mehrheit von über 78 Prozent hört täglich Radio über DAB+, meldet Digitalradio Norwegen.

Norwegen hat UKW zugunsten von DAB+ abgeschaltet. Norwegen hat UKW zugunsten von DAB+ abgeschaltet.
Bild: Screenshot Digitalradio Norge/Michael Fuhr
Alleine seit Mitte September 2017 wurden 620 000 DAB+-Radios in Norwegen verkauft, wie Digitalradio Norwegen mitteilt. 150 000 davon fallen in die Kategorie Autoradios oder Auto-Adapter zum Nachrüsten. Doch erst 64 Prozent der Autofahrer, die regelmäßig Radio hören, nutzen ein DAB+-Autoradio. Insgesamt hat nur fast jedes zweite Autoradio in Norwegen DAB+-Empfang. Die Nachfrage nach digitalen Adaptern sei aber ungebrochen und es sei davon auszugehen, dass der Anteil von Autos mit digitalem Radioempfang in 2018 weiter stark wachsen wird.

In einigen Regionen konnte DAB+ UKW vollständig ersetzen

Insgesamt stehen jetzt fast 5,4 Millionen DAB+-Radios in norwegischen Haushalten, 85 Prozent haben ein oder mehrere DAB+-Geräte. Die Zahlen zeigen auch, dass die Verbreitung von DAB+ weiter wächst, je länger die UKW-Abschaltung zurück liegt. In Nordland, der ersten Region der digitalen Umstellung vor gut einem Jahr, besitzen inzwischen 91 Prozent der Haushalte ein oder mehrere DAB+ Radios.

Trotz erster Bedenken konnten vor allem die privaten Radiostationen von der UKW-Abschaltung profitieren. Mit einem Umsatz von 369 Millionen Kronen (umgerechnet über 42 Millionen Euro, Quelle: Department of Advertising and Media Statistics) wuchs der Radio-Werbemarkt im zweiten Quartal 2017 um 1,2 Prozentpunkte, während die Werbeeinnahmen bei Tageszeitungen (-16,2 Prozentpunkte) und Fernsehen (-3,3 Prozentpunkte) zurückgingen.

Auswirkungen einer UKW-Abschaltung auf dem deutschen Markt

Was besagen die Zahlen aus Norwegen übertragen auf andere Märkte wie Deutschland? Zunächst: Radiohörer scheinen loyaler zu sein als mancher Kritiker des Digitalradios es vermutet. Fast alle würden sich im Falle einer UKW-Abschaltung neue Hardware zulegen. Dass viele Bürger darüber "not amused" sind, dürfte aber ebenso klar sein. Ansonsten sollte man bedenken, dass die Norweger ein überdurchschnittlich hohes Einkommen haben und eher dazu bereit sind den Radiobestand auszutauschen als Bürger in ärmeren Staaten. Und: bei einem UKW-Ausstieg erst in zehn oder 15 Jahren könnte sich wieder ein völlig anderes Bild zeigen. Etwa, wenn neue Gadgets wie Smart Speaker oder andere vernetzte Audio-Technik dem Radio den Rang ablaufen.

Und auch die Grundangst der deutschen Privatsender scheint nicht unbegründet: Sie fürchten durch DAB+ Reichweiten­verluste und wettern damit zum Teil vehement gegen den Umstieg zu DAB+ und vor allem eine UKW-Abschaltung. Die Reichweiten aus Norwegen zeigen aber auch, dass sie diese Verluste mit attraktiven digitalen Ablegern - Zweit- oder Drittprogrammen mit anderen Formaten - wettmachen könnten, bei insgesamt sinkenden Verbreitungskosten. Ein Fakt, der in den Köpfen vieler deutscher Kommerzfunker noch nicht angekommen ist.

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