Rückblick

Quam heute vor 10 Jahren abgeschaltet: Geplatzter UMTS-Traum

Gute Ideen, geniale Handbücher - aber organisatorisches Chaos
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So nahte also der 15. November 2002. Zu einer denkwürdigen "Abschaltparty" versammelten sich eine Handvoll Freaks in der "Cafédrale", einem zur gemütlichen Kneipe umgebauten ehemaligen Kirchturm in Ludwigshafen am Rhein. Pünktlich um 23 Uhr meldeten sich alle eingeschalteten Quam-Handys mit einer Kurznachricht. Die besagte, dass alle Nutzer eine Nachricht auf ihrer Quam-Mailbox hätten. Neugierig wurde diese abgefragt: In einer Sprachnachricht erinnerte das "Quam-Team" seine Kunden, dass sie noch eine Stunde über Quam telefonieren könnten. Kurz vor 24 Uhr traf eine weitere Nachricht ein, worin sich das Quam-Team von seinen Kunden verabschiedete. Ab 24 Uhr verloren dann die SIM-Karten nach und nach das Netz. Wenn man sofort sein Handy aus und wieder einschaltete, ging nichts mehr. Einige SIM-Karten sollen noch drei oder mehr Tage im Netz geblieben sein.

Eine Notiz am Rande: Die "Group 3G Deutschland" wurde im Sommer 2002 in "Quam GmbH" umbenannt. Da zeitgleich die Vertriebseinstellung anstand, wurde der neue Name nicht mehr groß kommuniziert.

Unattraktives Wechselangebot zu T-Mobile und verlorene Lizenz

Skisprung-Star Sven Hannawald als Werbeträger für Quam Skisprung-Star Sven Hannawald als Werbeträger für Quam
Bild: dpa
Alle Quam-Kunden wurden hingegen eingeladen, zum Netzbetreiber Telekom/T-Mobile (D1) zu wechseln. Da die Telekom am Werbevertrag mit dem von Quam gebuchten Skisprung-Star Sven Hannawald interessiert war, hatte sie für ehemalige Quam-Kunden eine Sonderhotline eingerichtet, die den Kunden einen Wechsel schmackhaft machen sollte. Die vorgeschlagenen Tarife waren jedoch ziemlich unattraktiv, nur wenige Kunden nahmen das Angebot an. Immerhin kannte die Hotline in etwa das Nutzungsverhalten der ehemaligen Quam-Kunden: Prepaid-Kunden, die die Quam-Abschaltung mit einem kurz zuvor aufgeladenen 100-Euro-Gutschein erlebt hatten (bei Quam gab es das!), erhielten beim Wechsel zu Xtra von T-Mobile einen kostenlosen 15-Euro-Auflade-Gutschein dazu.

Zwar hatte Quam seinen Netzbetrieb eingestellt, das Unternehmen blieb aber noch eine ganze Weile in Betrieb. Zum einen, um Freischaltcodes für Prepaid-SIM-Lock-Bundles auszugeben, Prepaid-Restguthaben auszuzahlen oder Geräte-Garantiefragen und andere Dinge während der Abwicklung des Unternehmens zu klären. Und zum zweiten, weil man die vage Hoffnung hegte, die hohen UMTS-Lizenzkosten irgendwie ersetzt zu bekommen - oder die teure Lizenz weiter verkaufen zu können.

Doch Quam hatte kein Glück, denn die Ausschreibung war glasklar: Wer eine Lizenz ersteigert hatte, hätte bis Ende 2003 einen Versorgungsgrad von 25 Prozent erreichen müssen. Die Bundesnetzagentur prüfte und kassierte nach Prüfung im Jahre 2004 unter dem Aktenzeichen "13 A2969/07" Lizenz und Frequenzen. Das Oberverwaltungsgericht Münster wies die Klage auf Erstattung der rund 8,5 Milliarden Euro im Jahr 2009 ab und ließ auch keine Revision zu. Die zurückgegebenen UMTS-Frequenzen wurden 2010 neu vergeben. Um Quam wurde es still und stiller. Nach dem 1. April 2003 wurden die Abwicklungsaktivitäten von der OpCo Services in München an gleicher Stelle übernommen.

Comeback der Telefónica in Deutschland

Ein Mobilfunk-Shop von Quam Ein Mobilfunk-Shop von Quam
Bild: dpa
Der vierte deutsche Netzbetreiber "VIAG Interkom" landete bekanntlich bei der britischen o2 PLC, welche wiederum von der spanischen Telefónica erworben wurde, die sich damit nach dem teuren Quam-Intermezzo auf dem deutschen Markt zurückmeldete.

Nachdem Discounter wie simyo und später Blau den Markt erschütterten, schaute alles gespannt auf VIAG Interkom/o2: Würde man dort auch einen Discounter starten? In den Jahren 2005 und 2006 brodelte die Gerüchteküche gewaltig, doch bislang blieb der Name Quam, der weiterhin der Telefónica gehört, in der Schublade.

Das Abenteuer Quam dürfte die spanische Telefónica viel Geld gekostet haben; wieviel genau, wurde nie verraten. Ihr damaliger Partner, die finnische Sonera, kam durch die hohen Lizenzkosten ins Rutschen und war nur durch eine Fusion mit der schwedischen Telia zu retten. Im finnischen Parlament gab es hitzige Debatten, eine Staatskrise konnte mit knapper Not abgewendet werden. Aber die rund 4 Milliarden Euro Lizenzanteile mussten abgeschrieben werden, Deutschland lehnte jegliche Kompensation ab.

Der Name Quam ist aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verschwunden - ob er eines Tages wieder auftauchen wird? Auch die Marke otelo wurde kürzlich - wenn auch etwas halbherzig - von Vodafone wiederbelebt. Von daher wäre es durchaus denkbar, dass auch der Name Quam eines Tages wieder auftauchen könnte (die Domain quam.de ist noch aktiv). Hoffentlich dann mit mehr Erfolg.

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