Bedenken

CDU-CSU-Abgeordnete: Frequenz­ver­gabe aussetzen?

Neun Abgeordnete der CDU/CSU haben BNetzA-Chef Homann einen Brief geschrieben: Er soll sicher­stellen, dass 5G flächendeckend gebaut werden muss, sonst bliebe das Land weit zurück.
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Neun wichtige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben Bedenken, ob der 5G-Ausbau bis in die Fläche vorstoßen wird. Neun wichtige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben Bedenken, ob der 5G-Ausbau bis in die Fläche vorstoßen wird.
Foto: Picture Alliance / dpa
Am 24. Juni hat der Beirat zum anstehenden Frequenz­ver­gabe­ver­fahren der Bundes­netz­agentur Stellung bezogen. Daraufhin hat die Bundes­netz­agentur ihr Eckpunktepapier vorgestellt.

Diese Vorschläge der Bundesnetzagentur haben bei neun CDU/CSU-Abgeordneten im Deutschen Bundestag gewaltige Bedenken hervorgerufen. In einem ausführlichen Schreiben an den Präsidenten der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, das in Kopie auch an die zuständigen Minister ging (und teltarif.de im Original vorliegt) betonen die Abgeordneten, dass sie die Netzagentur dabei unterstützen, den Mobilfunkstandort Deutschland im Sinne einer flächendeckenden Versorgung mit Mobilfunkdienstleistungen fördern zu wollen. Allerdings haben die Abgeordneten auch große Bedenken und äußern die in ihrem Brief recht deutlich:

Laut Bundesnetzagentur solle es keine Verpflichtung zum Ausbau eines 5G-Netzes geben. Die angegebenen Verpflichtungen sollen - nach Meinung der Netzagentur - bis auf kleinere Ausnahmen auch mit 4G (LTE) erfüllbar sein. Die Abgeordneten sehen das ganz anders: Nur echtes 5G biete die notwendigen niedrigen Latenzen und genügend Kapazitäten, um viele Geräte auf einmal mit schnellen Daten beliefern zu können.

Sieben magere Jahre?

Neun wichtige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben Bedenken, ob der 5G-Ausbau bis in die Fläche vorstoßen wird. Neun wichtige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion haben Bedenken, ob der 5G-Ausbau bis in die Fläche vorstoßen wird.
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Durch den Verzicht auf die Ausbauverpflichtung würde die Bundesregierung für "mindestens sieben Jahre" auf ein "verbindliches Signal zum Ausbau" verzichten. Dadurch sehen die Abgeordneten die Gefahr, dass die Schere zwischen städtischen Ballungsgebieten und ländlichen Räumen weiter auseinander gehe und das Ziel "gleichwertiger Lebensverhältnisse" nicht erreicht würde. 98 Prozent der Haushalte mit Netz zu versorgen reiche bei weitem nicht aus.

Autonomes Fahren ohne Netz?

Das Papier der Bundesnetzagentur verstehen die Abgeordneten so, dass für das autonome Fahren gar kein 5G notwendig sei. Deshalb denke die Agentur, dass auch gar keine volle Flächendeckung notwendig sei. Die Kommunikation von Fahrzeug-zu-Fahrzeug oder vom Kfz-zur-Straße könne "auch so" funktionieren. Damit würden die Kosten für den Aufbau und die netztechnische Anbindung von Ampeln oder Straßenschildern bei den Straßenbauträgern wie Bund, Ländern und Gemeinden landen. Das halten die Abgeordneten für inakzeptabel.

Entlang der Eisenbahnstrecken werden die vom Papier angepeilten 50 MBit/s, die sich alle Reisenden in einem vorbeifahrenden Zug teilen müssten, als "nicht ausreichend" kritisiert.

Ländliche Regionen: Ein Netz statt drei Netze

In ihren Überlegungen ginge die Bundesnetzagentur von drei parallel aufgebauten Netzen aus, was volkswirtschaftlich absolut unrealistisch sei. Die Abgeordneten fordern einen gemeinsamen Netzausbau, angefangen von gemeinsamen Sendetürmen, über gemeinsame Sendertechnik bis - als ultima ratio - zum National Roaming. Sie haben die Netzausbaukosten auf etwa 60 Milliarden Euro geschätzt - wenn jeder Netzbetreiber für sich alleine bauen müsste. Die Ersparnis durch den gemeinsamen Ausbau könnte bei 12 Milliarden Euro oder 20 bis 40 Prozent weniger liegen.

Wer meldet sich zu Wort?

Schaut man sich die Liste der Unterzeichner an, wird es interessant: Unter den neun Abgeordneten sind unter anderem der Vorsitzende des Beirats der Bundesnetzagentur (BNetzA), Dr. Joachim Pfeiffer, die Unions-Fraktions-Vize-Chefs Ulrich Lange und Nadine Schön, sowie sechs weitere Unions-Abgeordnete, deren Wort bei diesem Thema ziemliches Gewicht hat.

Der Beirats-Vorsitzende und seine KollegInnen formulieren, man halte eine Dienstanbieterverpflichtung für eine prüfenswerte Option, „um einen funktionsfähigen Wettbewerb auf dem Endnutzermarkt für Mobilfunkdienstleistungen zu erhalten“. Dies stelle vor dem Hintergrund, dass es aktuell nur noch drei Netzbetreiber auf dem Mobilfunkmarkt gebe, „ein wesentliches Wettbewerbselement“ dar. Diensteanbieter seien insbesondere notwendig, um das Risiko von Wettbewerbseinschränkungen zu minimieren.

BREKO unterstützt Diensteanbieter- und MVNO-Verpflichtung

Diese Auffassung teilt der Glasfaserverband BREKO ausdrücklich: Denn nur durch eine Diensteanbieter- und MVNO-Verpflichtung könne der Wettbewerb im Mobilfunk belebt und die Produkt- und Anbietervielfalt gesteigert werden. „Von einer Diensteanbieter- und MVNO-Verpflichtung werden Bürger und Unternehmen in Hinblick auf Auswahl, Preise, Qualität und innovative Produkte profitieren“, betonte BREKO-Geschäftsführer Dr. Stephan Albers in einer Stellungnahme. „Die Zulassung netzunabhängiger Diensteanbieter und MVNO erhöht auch die Wettbewerbsfähigkeit der alternativen Festnetzbetreiber, indem sie noch attraktivere Bündelprodukte aus Glasfaseranschluss und Mobilfunk anbieten und so weitere Mittel für einen beschleunigten Glasfaserausbau erzielen können.“

Der Glasfaserverband hält den von Pfeiffer und seinen KollegInnen angedachten „Prüfungsprozess“ mit entsprechender Anpassung der Rahmenbedingungen für sinnvoll, um ein klares Zeichen zugunsten von Vielfalt und Wettbewerb (auch) auf dem künftigen Mobilfunkmarkt zu setzen. „Wir würden uns freuen, wenn sich auch andere Parteien genauso deutlich zu Wort melden und sich mit ihrer Auffassung an den BNetzA-Beirat wenden“, sagt BREKO-Geschäftsführer Albers. Der Beirat wird auf seiner Sitzung am kommenden Montag (24. September) über die konkreten Vergabebedingungen und Auktionsregeln beraten; am 26. November sollen diese final beschlossen werden.

Derzeit keine Basis für 5G-Leitmarkt

Aufgrund ihrer Prüfung kommen die Parlamentarier zu dem Schluss, dass derzeit keine Basis für einen 5G-Leitmarkt bestehe. Wesentliche Teile des Koalitionsvertrages würden dadurch nicht erfüllt. Die Beiratsentscheidung für einen am Ende flächendeckenden 5G-Netzausbau, und sei es nur stufenweise, würde auch nicht erfüllt. Ohne einen geregelten Zwang zum 5G-Ausbau müsste man sich mit dem "Henne-Ei"-Problem herumschlagen, vereinfacht formuliert: "Es gibt doch gar keine Endgeräte" - "Es gibt doch noch gar kein Netz".

Frequenzvergabe lieber aussetzen?

Die Forderung der Parlamentarier gipfelt in dem Vorschlag, zu prüfen, ob "ein (kurzes) Aussetzen (der aktuellen Frequenzvergabe) nicht sinnvoller erscheint". Dafür führen die Neun ins Feld, dass die EU gerade den Kodex für elektronische Kommunikation neu verabschiedet hat, der jetzt in nationales Recht umgesetzt werden muss. Dieser Kodex biete die Möglichkeit, die Netzbetreiber zum (gemeinsamen) Netzausbau zu verpflichten.

Pflicht zum Netzausbau

Insbesondere fordern die Abgeordneten, dass Straßen und Schienen "verpflichtend" mit 5G und nicht nur alleine mit 4G ausgerüstet werden müssen. Latenz (auf der Straße) und hohe Bandbreite (auf der Schiene) sollen als klare Voraussetzung in der Lizenz stehen. Dazu soll die Netzagentur einen konkreten Zeitplan entwickeln, bis wann dieses Super-Netz Realität sein muss. Die Abgeordneten wollen die Pflicht zur 5G-Versorgung von der Bundesautobahn bis hinunter auf die Gemeindestraße durchsetzen.

Die Zeit drängt

Da die Geschichte eilig ist, haben die Abgeordneten neben Kanzleramtsminister Braun auch den Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer, den Wirtschaftsminister Peter Altmaier, die Landwirtschaftsministerin Julia Glöckner und die Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung Dorothee Bär auf den Verteiler gesetzt. Eine Antwort liegt offenbar noch nicht vor, wie teltarif.de aus informierten Kreisen erfuhr.

Eine Einschätzung

Die Bedenken der Abgeordneten sind nachvollziehbar. Momentan sieht es so aus, als ob 5G nur ein "nice to have" sein könnte und "irgendwann einmal" kommen wird, weil es 4G (LTE) ja eigentlich auch tut. Es ist nun mal sehr schwierig, eigenwirtschaftlich ein bundesweit flächendeckendes neues Netz hinzuzaubern. Lässt man - wie von vielen Spielern gewünscht - stärkeren Wettbewerb zu, findet der erfahrungsgemäß nur über den Preis statt. Dann kann wahrscheinlich nicht mehr ausreichend gebaut werden, weil die Netzbetreiber oder Investoren "Angst" bekommen, ihr Geld niemals wiederzusehen.

Reicht es, den drei Netzbetreibern freie Hand zu geben: "Wenn ihr alles ausbaut, halten wir Euch die Konkurrenz vom Hals"? Wie lange würde das dauern und was passiert danach? Insider vermuten, dass zwischen Netzbetreibern und dem Minister ein Deal beschlossen wurde: "Ihr baut etwas mehr als ursprünglich geplant aus und wir halten Euch die lästige Konkurrenz vom Hals." Vermutlich hofft der Bund, damit weniger Förder-Geld ausgeben zu müssen.

Meinen die Abgeordneten es ernst, dann wird der Bund seine Kassen öffnen und sehr viel Geld für unrentable Regionen bereitstellen müssen, und zwar sehr kurzfristig. Will Deutschland wirklich bei 5G "vorne" mitspielen, muss heute noch gebaut werden.

Nach momentanen Stand wird die Auktion irgendwann im Frühjahr stattfinden. Die Frage ist, wie viele neue Bieter mitmischen und wie viel Geld für Lizenzen ausgegeben werden muss. In einem sind sich alle Betroffenen einig: Wenn wir bei 5G vorne sein wollen, müssen wir jetzt richtig Gas geben.

Wie wichtig es ist, als Service-Provider in der 5G-Lizenz verpflichtend enthalten zu sein, hat uns Benjamin Grimm von der freenet AG erklärt.

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