Editorial: Schwierige Netzintegration
Die Netzzusammenlegung dauert lange
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Auffällig ist es schon, dass sich die - von den Nutzern gefühlte -
Netzqualität im
o2- und
E-Plus-Netz bereits gut ein Jahr nach der
Genehmigung der Fusion recht weit angeglichen
hat. Denn bisher sind erst kleine Schritte in Sachen "Netzintegration"
unternommen worden. Die meisten Basisstationen arbeiten weiterhin
getrennt und versorgen nur Nutzer eines der beiden bisherigen Netze.
Zwar können die Kunden im 3G-Standard das jeweilige Partnernetz automatisch mitnutzen - aber nur, wenn das Smartphone im Heimatnetz weder 3G- noch 4G-Empfang hat. Die genannten Bedingungen liegen allerdings nur in einem vergleichsweise kleinen Teil des E-Plus- bzw. o2-Netzes vor. Entsprechend betont die Zeitschrift "Connect" im aktuellen großen Netztest, in dem beide Teilnetze ebenfalls recht ähnliche Noten erhalten hatten, dass laut ihren Messungen das nationale Roaming keine großen Vorteile gebracht hätte. Vielleicht hat die Connect aber auch einfach am falschen Ort gemessen: Dort, wo das Roaming aktiv ist, bringt es tatsächlich eine erhebliche Verbesserung der Mobilfunk-Versorgung mit sich.
Wichtiger als das nationale Roaming ist daher auf jeden Fall die anstehende echte Netzintegration. Insbesondere bei LTE muss diese schnell durchgeführt werden, damit der künftige LTE-Netzausbau von den Kostenvorteilen eines vereinigten Netzes profitieren kann.
Planverschiebung
Die Netzzusammenlegung dauert lange
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Vor einem Dreivierteljahr
kündigte o2-Chef Thorsten Dirks an,
die Netzintegration binnen drei Jahren abzuschließen. Mittlere wird
gar ein
Zeitbedarf von fünf Jahren prognostiziert.
Ein langer Zeitraum, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Zeit von
der Lizenzerteilung an Viag Interkom (die Vorgängerin von o2) Anfang
1997 bis zur Inbetriebnahme des Netzes Ende 1998 gerade mal
20 Monate betrug.
Dauert Netzintegration wirklich so viel länger als Netzaufbau?
Nun, zum einen ist es in der Tat einfacher, ein frisches Netz auf dem Reißbrett zu planen und dann mit einheitlicher Technologie aufzubauen, als zwei historisch gewachsene Netze effizient umzubauen, dass sie zu einem Netz zusammenwachsen. Schließlich will man ja möglichst viele bestehende Standorte und Komponenten weiterverwenden. Und man möchte auch nicht die Kunden mit den Ausfällen belasten, mit denen die Strategie "rausreißen und neu bauen" verbunden wäre. Zudem war das o2-Netz anfangs auf die Ballungsräume beschränkt, was den Aufbau deutlich vereinfachte.
Dass nun fünf Jahre statt früher drei Jahre als Zeithorizont genannt werden, könnte auch daran liegen, dass Telefònica bei der vergangenen Auktion recht viele Frequenzen im 1800-MHz-Bereich wiederersteigern bzw. verlängern konnte. Somit entfällt der Druck, große Teile des GSM-Netzumbaus schon bis Jahresende 2016 hinaus abgeschlossen zu haben. Entsprechend mehr Ressourcen kann Telefónica dem wichtigen LTE-Netzausbau widmen. Drei Viertel der deutschen Bevölkerung sollen bis Jahresende via LTE erreicht werden. Das kann aber nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zu dem Ziel sein, die Rückstände beim LTE-Ausbau im Vergleich zu Telekom und Vodafone aufzuholen. Dafür ist noch viel zu tun!