Affären-Rückblick

NSA-Skandal: Das Jahr der Überwachung

Anfang Juni kamen die ersten Berichte über die Internet-Überwachung durch die NSA auf. Im Laufe des Jahres zeigte sich, dass diese Enthüllungen erst die Spitze des Eisbergs waren. teltarif.de hat die wichtigsten Ereignisse zusammen gefasst.
Von Jennifer Buchholz mit Material von dpa

Seit dem Sommer kommen immer neue Details über Spionageaktivitäten von Geheimdiensten im Internet ans Licht. Damals ahnte vielleicht nur der Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, dass diese Enthüllungen erst die Spitze des Eisbergs waren.

Die Chonologie der Enthüllungen

5. Juni: Ein erster Artikel in der britischen Zeitung Guardian gibt den Startschuss. Unter Verweis auf NSA-Unterlagen wird ein geheimes US-Gerichtsurteil enthüllt, das dem Abhördienst Zugriff auf die Daten zu Millionen Telefonanrufen beim amerikanischen Telekom-Riesen Verizon verschafft.

Neben Internetdaten hat der US-Geheimdienst auch Handydaten abgehört Neben Internetdaten hat der US-Geheimdienst auch Handydaten abgehört
Bild: dpa

6. Juni: Mit der zweiten Artikel-Welle erfährt die Öffentlichkeit von dem Programm PRISM, das dazu diene, in großem Stil Daten aus dem Internet abzuschöpfen. Angezapft würden Internet-Riesen wie Google, Facebook, Apple oder Microsoft. Die Unternehmen erklären, sie arbeiteten mit Behörden nur auf Gerichtsbeschluss zusammen und es gebe keinen direkten Zugang zu ihren Servern.
9. Juni: Die Quelle der Enthüllungen gibt sich über den Guardian selbst zu erkennen. Es ist Edward Snowden, ein 29-jähriger ehemaliger Mitarbeiter der Beratungsfirma Booz Allen Hamilton, der bei der NSA auf Hawaii im Einsatz war. Snowden floh nach Hongkong und übergab dort seine Dokumente den Journalisten.
21. Juni: Neue Berichte bringen den britischen NSA-Gegenpart GHCQ auf die Bühne. Der bisher kaum beachtete Geheimdienst soll mit seinem gigantischen Programm Tempora massiv Daten direkt aus transatlantischen Glasfaser-Kabel abgreifen.
23. Juni: Der Whistleblower sucht in mehreren Ländern Schutz vor der Strafverfolgung durch die US-Behörde. Snowden fliegt von Hongkong nach Moskau. In Russland endet vorerst seine Flucht, weil seine in London ausgestellten ecuadorianischen Papiere zurückgezogen werden. Zwar verlangt die USA die Auslieferung des auf dem Flughafen festsitzenden Informanten, doch auch nach eindringlichem Drängen bleibt Moskau standhaft und kommt der Forderung nicht nach.

Überwachung auch von EU-Bürgern

30. Juni: Einige Medien berichten, dass der US-Geheimdienst auch in Deutschland Datensätze zu rund 500 Millionen Anrufen, E-Mails und SMS überwache. Viele Verbraucher in Deutschland wurden hierdurch verunsichert und machten sich vermehrt Gedanken über die Sicherheit ihrer Daten. Dennoch vertrauen sie den Sicherheitsbehörden.
31. Juli: Mit XKeyscore wird ein Verwandter des Spähprogramms PRISM bekannt. Das Projekt verbinde ein weltweites Server-Netzwerk, das "fast alles aufzeichne, was ein Nutzer im Internet macht", heißt es im Guardian.
1. August: Snowden wird für ein Jahr Asyl in Russland gewährt. Er verlässt den Moskauer Flughafen, in dem er über sechs Wochen im Transitbereich festsaß.
10. August: Auch deutsche Firmen sollen ihre Kunden überwachen. So berichtete die Wirtschaftswoche, dass die Deutsche Telekom den gesamten Telefonverkehr auf Betrugsversuche und Missbräuche kontrolliere. Die Telekom widersprach kurzerhand dem Bericht. Einen Tag zuvor hatte der Konzern zusammen mit United Internet den verschlüsselten E-Mail-Dienst "E-Mail Made in Germany" eingeführt.
15. August: Die NSA verstieß laut einer internen Untersuchung tausende Male gegen die Regel, keine US-Bürger zu überwachen, berichtet die Washington Post.
23. August: Spione spähen in eigener Sache: Mehrere NSA-Mitarbeiter hätten die Systeme dazu missbraucht, aktuelle oder frühere Geliebte zu überwachen, heißt es im Wall Street Journal.
24. August: Nicht nur einfache Bürger sind im Visir des US-Geheimdienstes. So hat die NSA auch Angela Merkels Handy und weitere europäische Spitzenpolitiker seit mehreren Jahren überwacht. Auch die Telefonate und der E-Mail-Verkehr der brasilianischen und mexikanischen Staatsoberhäupter wurden abgehört. Die Ländern äußern sich verärgert gegenüber der USA und sagen unter anderem Staatstreffen ab. US-Präsident Obama besitzt hingegen ein eigenes, abhörsicheres Netz für die Kommunikation und äußert sich eher ruhig gegenüber den Verärgerungen. US-Geheimdienstchef James Clapper verteidigte zudem die Spähangriffe auf ausländische Spitzenpolitiker, indem er betonte, dass auch Europa andere Spitzenpolitiker sowie die eigenen Bürger ausspäht und überwacht.
30. August: Die USA führen neben der Internet-Überwachung auch Online-Angriffe - gut 230 allein im Jahr 2011, schreibt die Washington Post. Zudem fordern Deutschland und Brasilien eine UN-Resolution.

Auch Verschlüsselungen bieten nur wenig richtigen Schutz

5. September: Die NSA unterwandert auch die Verschlüsselung von Daten, wie Medienberichte enthüllen. Der Abhördienst habe Schwachstellen in Verschlüsselungs-Verfahren eingeschleust und Teile davon auch geknackt. Allerdings gelten diverse gängige Programme wie PGP weiter als sicher.
16. September: Der US-Geheimdienst sammelt Zahlungsdaten unter anderem aus Systemen von Visa und Mastercard, schreibt der «Spiegel». Die Überwachung des Zahlungsdienstleisters SWIFT verstößt gegen Vereinbarungen mit der EU.
14. Oktober: Die NSA sammele pro Jahr über 250 Millionen Datensätze aus Adressbüchern von Internet-Nutzern, berichtet die Washington Post.
23. Oktober: Spiegel-Informationen, dass der US-Geheimdienst das Handy von Angela Merkel in Berlin abgehört habe, sorgen für ein politisches Erdbeben. Die Kanzlerin und Frankreichs Präsident Hollande sollen mit den USA reden, heißt es beim EU-Gipfel.
30. Oktober: Die NSA klinke sich in den Datenverkehr zwischen den Rechenzentren von Google und Yahoo ein und sauge die Daten direkt von dort ab, berichtet die Washington Post. Die Internet-Riesen reagieren empört und fangen an, den Verkehr zu verschlüsseln.
5. Dezember: Der US-Geheimdienst speichere die Aufenthaltsorte hunderter Millionen Handy-Nutzer, schreibt die Washington Post. Pro Tag würden weltweit rund fünf Milliarden Ortungs-Datensätze aus den Mobilfunk-Netzen gesammelt.
10. Dezember: CIA und NSA und der britische GCHQ schickten Undercover-Agenten in die Online-Spiele World of Warcraft und Second Life, berichten Guardian, ProPublica und die New York Times. Sie gingen wohl davon aus, dass mögliche Terroristen über die Spiele Nachrichten und Geld austauschten.
11. Dezember: Die NSA verfolge das Verhalten von Internet-Nutzern über Werkzeuge der Online-Werbebranche wie sogenannte Cookies, berichtet die Washington Post. Besonders ein bestimmtes Cookie von Google aber auch von Yahoo sei für sie interessant.
19. Dezember:Eine von Präsident Barack Obama eingesetzte Experten­gruppe empfiehlt, dass Spionage-Operationen, wie die von der NSA, gegen ausländische Staatsführer künftig prinzipiell von höchster Stelle genehmigt werden müssen, also vom Präsidenten selbst oder engen Beratern. Insgesamt fordert die Expertengruppe eine Serie entscheidender Reformen der Geheim­dienst­überwachung.

Keine Ende der Offenlegungen in Sicht?

Auch deutsche Politiker planen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, obwohl das Bundesverfassungsgericht diese Regelung 2012 gekippt hatte. Viele Datenschutzrechtler, Experten und Bürger äußern sich kritisch hierüber. So auch der teltarif.de-Geschäftsführer Kai Petzke in seinem Editorial. Ob die Datenspeicherung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Die Regelung der Vorratsdatenspeicherung wird, nach einem Gutachten eines EU-Generalanwaltes, vor dem Europäischen Gerichtshof diskutiert. Laut Gutachter verstoße sie gegen die Grundrechte zum Schutz der Privatsphäre.
Die Abhöraffäre und der NSA-Skandal haben vor allem gezeigt, dass es keinen wirklichen Schutz gibt, wenn man auf den Komfort von elektronischen Geräten nicht verzichten möchte.

Auf Grund des Ausmaßes, die der Abhörskandal mittlerweile angenommen hat, ist es schwierig, den Überblick über alle Begriffe und Zusammenhänge zu behalten. Auf der folgenden Seite haben wir für Sie die prägnantesten Begriffe zusammengefasst.

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