Ohne Zukunft?

Nokia N900: Kein MeeGo, aber engagierte Community

Vor einem Jahr kam das Maemo-Smartphone von Nokia auf den Markt
Von Kaj-Sören Mossdorf

So sieht das geöffnete N900 aus. Nokia N900: Keine Zukunft?
Foto: Nokia
Vor etwas mehr als einem Jahr kam das Nokia N900 auf den deutschen Markt. Damals, teilweise als "Linux-Attacke gegen das iPhone" gehandelt, wurde es schnell relativ still um das Nokia-Smartphone mit dem Betriebssystem Maemo 5. Kritisiert wurden vor allem die kurze Akku-Laufzeit des Nokia N900, sowie der resistive Touchscreen, der verglichen mit dem iPhone etwas träge reagieren mag. Die Akku-Laufzeit hat Nokia durch folgende Updates deutlich verbessert und der Touchscreen lässt sich zumindest auch im Winter mit Handschuhe bedienen.

Nokia N900

So sieht das geöffnete N900 aus. Nokia N900: Keine Zukunft?
Foto: Nokia
Die Anzahl der Updates hat sich aber bisher in Grenzen gehalten, überhaupt sind in vielen Foren Beschwerden zu finden das Nokia das Gerät zwar produziert hätte, aber der zukünftige Umgang mit dem Maemo-5-Smartphone nie eindeutig wurde. Tatsächlich folgte nach dem Marktstart ein ziemliches Hick-Hack. Mal tauchten Vermutungen auf, dass keine Updates folgen sollten, dann hieß es wieder, dass das N900 Nokias neues Betriebssystem MeeGo nicht unterstützen werde, dem folgten Einschränkungen, wie "nicht offiziell unterstützen" und letztendlich ist das N900 jetzt eines der wenigen Geräte, die als Entwicklungsplattform für MeeGo genutzt werden.

Auf der entsprechenden Internetseite [Link entfernt] steht ein MeeGo-Image für das Nokia-Smartphone zum Download bereit. Hierbei handelt es sich aber noch um eine Version, die ausdrücklich für Entwickler bereitgestellt wurde. Dabei wird es nach der heute angekündigten Kooperation von Nokia und Microsoft wohl auch bleiben. Nokia hat zwar betont, dass noch in diesem Jahr ein neues MeeGo-Gerät auf den Markt kommen soll, will das Betriebssystem dann aber der Open-Source-Gemeinde zuführen. Es stellt sich die Frage, warum Nokia sich überhaupt die MeeGo-Mühe machte, wo es doch bereits eins seiner System, namentlich Maemo, der Open-Source-Gemeinde geöffnet hat.

Handy ohne Zukunft?

Dieser Unsicherheit ist aber eine andere, diesmal durchaus erfreuliche, Entwicklung zu verdanken. Bald nach dem Marktstart waren bereits erste Applikationen verfügbar, denen Nachbesserungen im System selbst folgten. Wem beispielsweise das N900 von Nokia-Hause aus zu langsam war, der konnte binnen kurzem - zuerst über ein Firmware-Image - später am Smartphone selbst, den Prozessor übertakten. Offiziell verliert das N900 bei solch einem Schritt zwar die Garantie, viele abgestürzte Smartphones ließen bzw. lassen sich mit Hilfe der Community aber wieder in Betrieb nehmen. Dies gilt auch für viele andere Fälle. So fiel bei einigen Nutzern der Vibrationsalarm des Nokia N900 aus. In den Foren finden sich dazu nun Befehle - um etwa das Gerät über Nacht vibrieren zu lassen - oder einfach Tipps wie sanfte Schläge auf die Rückseite des Smartphones.

Im Endeffekt hat die Maemo-Community dem finnischen Hersteller die breite Entwicklungsarbeit lange abgenommen und ist im Rahmen eines Projektes dabei, sogar die Over-the-Air-Firmware-Updates für sich zu nutzen. Die Idee: Über die von Nokia implementierte OTA-Update-Funktion können Nachbesserungen, die tief in das System eingreifen, einfach verteilt werden. Natürlich erst nachdem sie von anderen Maemo-Begeisterten getestet und als stabil befunden wurden.

Ähnlich verläuft auch die Entwicklung der mittlerweile zahlreichen Applikationen für das N900. Diese lassen sich weniger im offiziellen Ovi-Store, als in den Software-Quellen der Community finden. Für Interessierte und Nutzer mit etwas Erfahrung empfiehlt es sich den Software-Katalog "Extras-Testing" zu aktivieren. Hierzu finden sich zahlreiche Anleitungen im Internet. Zwar ist Software aus dieser Quelle generell mit Vorsicht zu genießen – es handelt sich um Applikationen die sich in der Testphase befinden – Erfahrungen zeigen aber, dass viele Anwendungen bereits durchaus praktikabel und benutzbar sind.

Programmvielfalt

Neben Software, die der Oberfläche ein neues Aussehen verpasst, finden sich Navigationssysteme, Geocaching-Tools, VNC-Programme, SSH-Server, Spiele und andere Office-Anwendungen in den Programmkatalogen. Sicherlich: Viele befinden sich derzeit in aktiver Entwicklung, sind aber – wie erwähnt – durchaus nutzbar. Beispielsweise findet sich mit eCoach eine Anwendungen, die beispielsweise für Jogger oder andere Nutzer geeignet ist, die im N900 einen sportlichen Begleiter suchen. eCoach, dabei nur ein Beispiel, ermöglicht die Nutzung verschiedener Pulsmessgeräte. Deren Daten werden dann, zusammen mit der aufgezeichneten Strecke, verarbeitet und angezeigt.

Längere Zeit waren nur wenige aufwendige Spiele für das N900 zu erhalten. Aber auch hier zeigte es sich, dass es Vorteile hat, wenn einem Smartphone ein wirklich offenes Betriebssystem zu Grunde liegt. Die Hardware des Palm Pre und des N900 ähneln sich sehr. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass es nun bereits eine Art Simulator für webOS-Spiele gibt.

Vor kurzem wurde dann auch eine App präsentiert, die es ermöglicht die AR.Drone – ein steuerbarer Quadcopter – mit dem N900 zu kontrollieren. Andere Ansätze verfolgen die Entwicklung eines offenen Kamera-Systems für Smartphones. Das FCamera genannte Projekt ermöglicht den erweiterten Zugriff auf viele Funktionen der Kamera. So können neben manueller Belichtung und händischem Fokus, Bilder der Kamera im RAW-Format abgespeichert werden. Grundsätzlich sind solche Programme aber auch für Smartphones mit anderen mobilen Betriebssystemen verfügbar.

Vom Hersteller allein gelassen?

Nokia hat mit dem N900 ein Smartphone mit großem Potential präsentiert. Einige Nutzer fühlten sich dann relativ schnell von den Finnen allein gelassen. Schnell drängten sich nach der Veröffentlichung Berichte über Symbian^3 und dessen Qt-Applikationen von Nokia in den Vordergrund. Es entstand das Gefühl das Nokia das N900 und Maemo 5 auf den Markt brachte, aber nicht so recht wusste in welche Richtung es danach weiter gehen sollte. Applikationen, die auf Qt-Basis entwickelt wurden, ließen sich zukünftig auch auf MeeGo nutzen. Die Motivation der Entwickler Applikationen für diese Systeme zu entwickeln dürfte nun jedoch mehr als gering sein. In sofern dürfte die Veröffentlichung der Android-VM Alien Dalvik der Myriad-Gruppe umso interessanter sein. Diese ermöglicht es Android-Apps unter anderem auch auf einem N900 mit Maemo 5 laufen zu lassen.

Wer ein einfaches Einsteiger-Smartphone sucht, dem ist das N900 eher nicht zu empfehlen. Sicherlich kann es, wen die Maße nicht stören, auch nur als Smartphone genutzt werden. Wirft man aber einen Blick hinter die Kulissen so offenbaren sich viele Möglichkeiten und Anwendungen, sodass sich das Maemo-5-Smartphone nicht vor Konkurrenten wie dem iPhone verstecken muss. Ein Unterschied wird aber deutlich: Zumindest aus der Sicht des einfachen Nutzers kümmert sich Apple aktiver um das iPhone und seine Kunden als Nokia um das N900. Wem Maemo 5 nicht gefällt, der installiert eben ein Android mit Funktionseinschränkungen auf seinem N900.

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