Nokia 9 PureView im Test: Das Handy mit den fünf Augen
Die Kamera soll sicher eines der Hauptargumente für den Kauf des PureView sein. Eigentlich sind es ja fünf Kameras, die zusammenarbeiten. Sie haben alle die gleichen Brennweiten. Es sind Weitwinkelobjektive mit einem Kleinbildäquivalent von 27 mm, die Lichtstärke beträgt f/1,8. Unterstützt werden sie von einer ToF-Kamera und einem Dual-Tone-LED-Blitz. Ultraweitwinkel fehlt genauso, wie ein optischer Zoom. Damit ist klar: Das Nokia 9 hat nicht unbedingt die flexibelste Smartphone-Kamera der Welt.
Die Kamera: Zweimal Farbe, dreimal Schwarz-Weiß, ToF und LED-Blitz.
Bild: teltarif.de
Das HMD hat dafür gesorgt, dass Googles Foto App die Bilder direkt verwalten kann. So lässt sich der Fokus nach der Aufnahme verschieben, etwa um ein besseres Bokeh zu erreichen. Dazu speichert die Kamera üppige 1200 Tiefenebenen – aber nur wenn man die Funktion auch aktiviert. Die App kann auch die RAW-Bilder anzeigen, die das Handy im DNG-Format abspeichert. Wer noch mehr Möglichkeiten zur Bildbearbeitung möchte, für den empfiehlt der Hersteller die mobile Version von Adobe Lightroom und bietet diese bei der Einrichtung es Geräte auch gleich zum Download an.
Wer RAW-Bilder und Tiefeninformationen mit abspeichern möchte braucht Geduld: Bis zu 20 Sekunden kann der Prozess dauern, bei Serienaufnahmen kann das Warten ganz schön lang werden. Auch die Kamera-App strapaziert die Nerven der Fotografen. Der Wechsel von einem Aufnahmemodus in den nächsten kann schon mal 4, 5 Sekunden dauern. Problematisch auch: Die Daten nehmen viel Platz ein. Ein Set aus JPG und DNG-Daten belegt schon Mal 50 MB und mehr. Da ist es leicht auszurechnen, dass auch die verfügbaren rund 108 GB Speicherplatz nicht ewig reichen werden. Und einen Slot für SD-Karten hat das Nokia leider nicht.
Der Dual-SIM Slot, leider nicht für microSD-Karten
Bild: teltarif.de
Mit der neuen Kameratechnik hat Nokia einen ziemlichen Aufwand getrieben und vor allem scharfe und hochaufgelöste Bilder zu produzieren. Drei der fünf Kameras haben Schwarz-Weiß-Sensoren und sollen dank fehlender Farbfilter besonders lichtstark sein. Die beiden andren Kameras sind für die Farbaufnahmen zuständig.
Bei der Aufnahme werden alle fünf Kameras gleichzeitig ausgelöst, sie belichten die Bilder mit leicht unterschiedlichen Parametern. Anschließen berechnet die Elektronik aus den Einzel-Bildern eine gestochen scharfe HDR-Aufnahme mit 12 Megapixel Auflösung.
Soweit die Theorie. Die Praxis sieht leider ein wenig anders aus. Am besten funktioniert die Kamera noch bei gutem Licht. Das ist aber nicht unbedingt ein Kunststück, denn fast alle aktuellen Smartphone-Kameras liefern unter guten Bedingungen auch gute Bilder ab. Und leider tut die Kamera-Software oft zu viel des Guten. Die Bilder werden extrem geschärft und sehen dann unnatürlich aus. Das zeigt auch unser Testbild aus dem Labor, wo die Blätter der Rose ausfransen und sich an den Kanten der Farbflächen Artefakte zeigen. Da man die HDR-Funktion nicht ausschalten kann, hilft dann nur, die Bilder im RAW-Modus zu bearbeiten. Wer Lightroom am PC nutzt, braucht eigentlich nur die Autokorrektur zu drücken und erhält deutlich bessere Ergebnisse.
Unter guten Verhältnissen zaubert die Kamera ordentliche Bilder.
Bild: teltarif.de
Richtig unzufrieden sind wir aber mit den Nachtaufnahmen. Die geraten dem Nokia 9 deutlich zu dunkel. Die Rose auf unserem Testmotiv versinkt im Nichts und auch von der Tapetenstruktur ist nichts mehr zu sehnen.
Das liegt vor allem daran, dass das Nokia keinen eigenen Nachtmodus hat. Es verlässt sich bei solchen Aufnahmen ganz auf die Software, die aber am Ende lediglich verrauschte Bilder produziert, die kaum mehr Details enthüllen. Auch hier gibt es eigentlich nur einen Tipp: Im RAW-Modus aufnehmen und die Bilder selber optimieren. Dann kann man auch hier zu brauchbaren Aufnahmen bekommen.
Sehr gut hingegen hat uns der Porträt-Modus gefallen. Hier verzichtet Nokia auf HDR und nützt nur eine der beiden Farbkameras und die ToF-Kamera zur Aufnahme. Hier lässt sich später sehr präzise die Schärfenebene festlegen und Gesichter aus der Umgebung herausarbeiten. Auch der spezielle Schwarz-Weiß-Modus enttäuscht nicht. Die Graustufen werden sehr genau wiedergeben, die Bilder wirken kontrastreich und scharf.
Die Testfotos der Hauptkamera haben für Sie im Original angehängt, damit Sie sich selbst ein Bild machen können.
- Hauptkamera 1: Gute Lichtverhältnisse mit Blitz
- Hauptkamera 2: Schlechte Lichtverhältnisse ohne Blitz
- Frontkamera 1: Gute Lichtverhältnisse ohne Blitz
- Frontkamera 2: Schlechte Lichtverhältnisse mit Blitz
Videos fehlen Details
Bei Videoaufnahmen ist wieder nur eine Kamera beteiligt, die Farbkamera in der Mitte. Das Nokia bietet sechs verschiedene Bildformate und Auflösungen, doch bei allen sind nur Aufnahmen mit 30 Bildern pro Sekunde möglich. Daneben gibt es noch eine Zeitraffer und eine Zeitlupenfunktion. Die 1080p-Einstellung bietet zudem als einzige einen elektronischen Bildstabilisator, der aber nicht ausschaltbar ist. Für den Ton sind drei Mikrofone an Bord, die auf Wunsch auch Surround-Sound aufzeichnen. Das klingt dann am Ende wirklich gut, bisweilen vielleicht ein bisschen leise. Die Videoaufnahmen selber sind guter Durchschnitt. Sie zeigen bei der Helligkeit viel Dynamik, aber es fehlen die Details. Das gilt auch für die 4k-Videos.
Fazit
Das Nokia 9 PureView ist mit großen Erwartungen gestartet. Das innovative Kamera-Konzept klingt nach einer starken Idee und hat wohl auch ziemlich viel Potential. Und eigentlich ist mit dem edlen Gehäuse, Android One und der guten Connectivity die Basis für ein echtes Top-Smartphone gelegt. Doch ausgerechnet die Kamera enttäuscht. Sie ist, was die Brennweiten angeht, ziemlich unflexibel und die Ergebnisse bei schlechtem Licht sind gelinde gesagt nicht überzeugend. Auch die Ergebnisse bei gutem Licht kommen an die des Samsung S10+ oder des Huawei 30 Pro nicht heran. Was am Ende bleibt, ist die Möglichkeit, Bilder mit einem wirklich schönen Bokeh zu erzeugen. Ob das aber reicht, um die Käufer von dem Gerät zu überzeugen, bleibt abzuwarten.
Gesamtwertung von teltarif.de
Nokia 9 PureView
- Sehr gute Verarbeitung
- Android One
- Gute Performance
- Enttäuschende Kamera
- Keine Headset-Buchse
- Mäßige Akkulaufzeit
Einzelwertung Nokia 9 PureView
-
Gehäuse / Verarbeitung
10/10
- Material 10/10
- Haptik 9/10
- Verarbeitung Gehäuse 10/10
-
Display
9/10
- Touchscreen 10/10
- Helligkeit 8/10
- Pixeldichte 9/10
- Blickwinkelstabilität 9/10
- Farbechtheit (DeltaE) 6/10
- Kontrast 10/10
-
Leistung
9/10
- RAM 9/10
- Benchmark 3DMark 10/10
- Benchmark Geekbench 9/10
- Benchmark Geekbench Single -
- Benchmark Geekbench Multi -
- Benchmark Browsertest 10/10
- Benchmark Antutu -
-
Software
10/10
- Aktualität 10/10
- Vorinstallierte Apps 9/10
-
Internet
9/10
- WLAN 10/10
- LTE 10/10
- LTE Geschwindigkeit 10/10
- 3G 7/10
- 5G -
- Empfangsqualität 9/10
- Dual-SIM -
-
Telefonie
9/10
- Sprachqualität 9/10
- Lautstärke 9/10
- Lautsprecher (Freisprechen) 9/10
-
Schnittstellen / Sensoren
9/10
- USB-Standard 10/10
- NFC 10/10
- Navigation 8/10
- Bluetooth 10/10
- Kopfhörerbuchse 6/10
- Video-Out 10/10
- Fingerabdruckscanner 10/10
- Iris-Scanner 0/10
- Gesichtserkennung -
-
Speicher
6/10
- Größe 8/10
- SD-Slot vorhanden 0/10
-
Akku
8/10
- Laufzeit (Benchmark) 8/10
- Wechselbar 0/10
- Induktion 10/10
- Schnellladen 10/10
-
Kamera
6/10
- Hauptkamera
- Bildqualität hell 7/10
- Bildqualität dunkel 4/10
- Bildstabilisator 5/10
- Blende 0/10
- Frontkamera
- Bildqualität hell 7/10
- Bildqualität dunkel 7/10
- Kameraanzahl -
- Video 7/10
- Handling 8/10
- Bonus 2
- Dual-SIM,IP67