Urteil

Provider dürfen nur in Ausnahmefällen zur Netzsperre gezwungen werden

Die GEMA verliert den Rechtsstreit vor dem BGH. Die Entscheidung: Provider können nur unter bestimmten Voraussetzung zur Sperrung von Seiten gezwungen werden.
Von dpa / Daniel Rottinger

Gema hat vor dem BGH eine Niederlage erlitten GEMA hat vor dem BGH eine Niederlage erlitten
Bild: teltarif/pixabay
Internetbetreiber können im Kampf gegen illegale Downloads zu Netzsperren gezwungen werden. Aber nur dann, wenn die Rechteinhaber zuvor selbst alles Mögliche unter­nommen haben, um gegen die Verletzer vorzugehen. Diese sitzen aber oft schwer fassbar im Ausland.

Netzsperren zum Verhindern illegaler Downloads im Internet können nach zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs nur unter strengen Vorbedingungen verlangt werden. Der BGH wies in zwei Revisionsverfahren entsprechende Forderung der Rechtegesellschaft GEMA und mehrerer Tonträgerhersteller zurück (Aktenzeichen I ZR 3/14 und I ZR 174/14). Sie hätten nicht genug eigene Anstrengungen unternommen, um gegen die Rechte-Verletzer vorzugehen. Die Kläger wollten die Deutsche Telekom und die Telefónica als Störer in die Pflicht nehmen und waren damit bereits in den Vorinstanzen gescheitert. Als Störer haftet auf Unterlassung, wer zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts wie etwa des Urheberrechts beiträgt, ohne dabei selbst Täter oder Teilnehmer zu sein - vorausgesetzt, er hat zumutbare Prüfungspflichten verletzt.

Verhandlung drehte sich um 3dl.am und goldesel.to

Gema hat vor dem BGH eine Niederlage erlitten GEMA hat vor dem BGH eine Niederlage erlitten
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Worum ging es konkret? In einem Fall konnten Internetnutzer über die Seite 3dl.am auf eine Sammlung von Links und Adressen zugreifen, die das Herunterladen urheberrechtlich geschützter Musikstücke ermöglichte. Im anderen Fall ging es um die Internetseite goldesel.to, die ebenfalls illegale Downloads anbot.

In den Verhandlungen war deutlich geworden, dass eine Verfolgung von Rechten in manchen Fällen schwierig sein kann. Die Seite goldesel.to wurde beispielsweise von einer Südseeinsel aus betrieben, Auskünfte über den Betreiber waren von dort zunächst nicht zu bekommen. Um den Internetanbieter in die Pflicht nehmen zu können, müssen die Rechteinhaber nach Auffassung des BGH aber alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um an den Rechte-Verletzer heranzukommen. So müssten auch Privatdetektive oder staatliche Behörden eingeschaltet werden. Eine einstweilige Verfügung, die nicht zugestellt werden kann, reiche nicht.

Die GEMA begrüßte das Urteil trotz der Revisions-Zurückweisung. "Diese Grundsatzentscheidung war längst überfällig, denn sie ist wegweisend für den Schutz der Rechte unserer Urheber im digitalen Musikmarkt", teilte Vorstandschef Harald Heker mit. Jetzt bestehe Rechtsklarheit darüber, dass Zugangssperren von Webseiten, die illegal urheberrechtlich geschützte Musikwerke massenhaft anbieten, zulässig seien. Das sei ein wichtiger Schritt zur Bekämpfung der Internetpiraterie.

Bitkom und Telekom begrüßen das Urteil

Der Digitalverband Bitkom begrüßte das Urteil ebenfalls, warnte jedoch, dass die Gefahr von Netzsperren damit nicht gebannt sei. "Internetsperren sollten das äußerste Mittel der Netzpolitik bleiben", sagte Rohleder. "Als Maßnahme gegen Urheberrechtsverstöße sind sie völlig überzogen." Die Interessen der Rechteinhaber seien legitim, es dürften aber auf diesem Weg die Freiheitsrechte der Internetnutzer nicht eingeschränkt werden. Auch die Deutsche Telekom reagierte positiv, weil der BGH klar ausgesprochen habe, dass die Zumutbarkeit von Sperrmaßnahmen streng geprüft werden müsse. "Wir halten die Klageabweisung für richtig und konsequent", teilte ein Sprecher mit. "Wer seine Urheber- oder anderweitige Rechte verletzt sieht, kann sich in erster Linie direkt an den Betreiber der jeweiligen Seite, an dessen Host-Provider oder an die entsprechenden öffentlichen Stellen wenden, auch im Ausland." Dieses Prinzip des "Löschen statt Sperren" werde seit Jahren auch bei jugend­gefährdenden Inhalten erfolgreich angewendet.

In diesen Grundtenor stimmt auch ein Sprecher des Internetwirtschafts-Verbands eco ein, der allerdings "ein grundsätzliches Nein zu Netzsperren" begrüßt hätte.

Rechtsanwalt Solmecke mahnt vor möglichen Folgen

Der auf Internet- und Urheberrecht spezialisierte Hamburger Rechtsanwalt Clemens Rasch wertete die Entscheidungen als großen Erfolg für Rechteinhaber. Diese würden jetzt umgehend Maßnahmen ergreifen. Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke sieht in den Urteilen allerdings auch einen Dammbruch, der künftig je nach Access Provider zu einer unterschiedlichen Abrufbarkeit von Internetseiten führen könnte.

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